zum Hauptinhalt
Der Blick zurück. Akademiegebäude und Grenzsicherungsanlagen (Südflügel des Hauses 1) um 1990. Zu DDR-Zeiten wurden staatstreue Führungskräfte am Griebnitzsee ausgebildet. Heute studieren auf dem Campus Juristen und Wirtschaftswissenschaftler der Uni Potsdam.

© Christoph Hauschild

Campus Griebnitzsee: Ein Abbild deutscher Geschichte

Nazis, Sowjets, DDR-Kaderschmiede und Studenten: Der Campus Griebnitzsee hat eine wechselvolle Geschichte. Eine neue Publikation wirft einen Blick zurück.

Potsdam - Es war ein Ort der Propaganda. Und mehrere Jahrzehnte eine Kaderschmiede, wie das damals so hieß. Hier wurden Menschen aus- und weitergebildet, die Verantwortung im DDR-Staat übernehmen sollten. Auch stießen hier West und Ost aneinander, die Mauer verlief hinterm Haus. Gleich nebenan das Niemandsland. Jener Streifen Erde, wo einen der Tod erwartete, wenn man hinübermachen wollte. Wo heute die Potsdamer Universität ihren Campus am Griebnitzsee hat und auch das Hasso-Plattner-Institut zu Hause ist, da residierte über einige Jahrzehnte bis zum Zusammenbruch der DDR die Akademie für Staat und Recht.

Im Universitätsverlag Potsdam ist jetzt eine reich bebilderte Publikation erschienen, in der die wechselvolle Geschichte des Areals erzählt wird. Die Historie der Anlage mit ihrem rund 160 Meter langen Hauptgebäude ist geradezu exemplarisch für die Irrungen und Wirrungen der Deutschen im 20. Jahrhundert. Bevor hier, unter dem Namen des ersten DDR-Staatslenkers Walter Ulbricht, neue Führungskräfte für den Aufbau des Sozialismus ausgebildet wurden, hatte sich die sowjetische Armee einquartiert.

Ab 1938 zum DRK-Hauptlager

Die Geschichte dieses besonderen Ortes beginnt eigentlich mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK): 1896 errichtete das Zentralkomitee des Preußischen Landesvereins vom Roten Kreuz ein Depot zur Unterbringung von Lazarett-Baracken. Es war der Auftakt der baulichen Entwicklung des Geländes. Später entstand hier das Zentraldepot des Roten Kreuzes, das ab 1938 zum DRK-Hauptlager als zentraler Belieferungsstelle für die gesamte Organisation ausgebaut wurde. „Von hier aus gingen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke, Sanitätsprodukte, Spezialbaracken, die sogenannten DRK-Einheitskraftwagen und vieles mehr an DRK-Institutionen im ganzen Deutschen Reich“, schreibt Markus Wicke in der neu erschienenen Publikation. In Potsdam ist Wicke vor allem als Fördervereinsvorsitzender des Potsdam Museums bekannt. Vier Gebäude des einstigen Hauptlagers sind noch heute erhalten, darunter das einstige Bekleidungslager, in dem jetzt die Bibliothek untergebracht ist.

Auch der größte Bau auf dem Gelände, jener 160 Meter lange steinerne Riegel, der wegen seiner Strenge und Monumentalität ein wenig an Entwürfe von Albert Speer erinnert, geht auf das DRK zurück. Ab 1939 entstand – unter Mitwirkung von Zwangsarbeitern – mit diesem Riesenbau das ehemalige Präsidial- und Verwaltungsgebäude des DRK. Die über drei Etagen reichende Halle im Mittelteil des Hauses spiegelt das Repräsentationsbedürfnis der Nazis wider, das viele Architekten jener Zeit mit ihren Entwürfen zu erfüllen suchten. Die Planungen für das Gebäude stammten ursprünglich vom DRK-Architekten und SS-Hauptsturmführer Norbert Demmel und wurden von dem für die „Filmstadt Neu-Babelsberg“ beauftragten Architekten Emil Fahrenkamp teilweise überarbeitet. Im Jahre 1943 zog fast das gesamte DRK-Präsidium in das Haus ein, darunter der Geschäftsführende Präsident Ernst-Robert Grawitz. Als Reichsarzt-SS trug er auch Verantwortung für die brutalen Menschenversuche von SS-Ärzten an KZ-Häftlingen.

Stalins Streitkräfte hatten in Babelsberg ihr Oberkommando stationiert

Mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Potsdam besetzte die Rote Armee das Gelände. Was heute kaum jemandem bekannt sein dürfte: Stalins Streitkräfte im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands hatten hier in Babelsberg anfangs ihr Oberkommando stationiert. Später – bis zum Ende der DDR – residierte dieser militärische Führungszirkel im brandenburgischen Wünsdorf. Wie lange das Oberkommando in Potsdam stationiert war, sei nach den bisher erschlossenen Quellen unklar, schreibt Hannes Wittenberg vom Potsdam Museum in der jetzt erschienenen Publikation. Möglicherweise zog die militärische Führung bereits 1946 wieder von dem Gelände ab, vielleicht aber auch erst ein paar Jahre später. Belegt ist hingegen, dass am Mittelrisalit des Hauptgebäudes, der damals um eine Attika ergänzt wurde, einst das sowjetische Staatswappen prangte.

1952 zog hier die Deutsche Verwaltungsakademie „Walter Ulbricht“ ein. Sie vereinigte sich weniger später mit der „Deutschen Hochschule der Justiz“ zur „Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Walter Ulbricht“. Fortan wurden hier staatstreue Führungskräfte ausgebildet. Ende Februar 1990 wurde die Einrichtung in die kurzzeitig existierende Hochschule für Recht und Verwaltung umgebildet. Die Entwicklung mündete schließlich in der Etablierung eines wichtigen Universitätsstandortes, auf dem heute Juristen und Wirtschaftswissenschaftler zu Hause sind.

Die Publikation als Download gibt es hier >>

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false