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Müdes Gestirn. Die Sonne hat gerade eine längere Tiefphase. Sollte die niedrige Sonnenaktivität länger andauern, könnte das Auswirkungen auf das Klima der Erde haben.

© dpa

Homepage: Bremst die Sonne den Klimawandel?

Geoforscher belegen erstmals Zusammenhang zwischen niedriger Sonnenaktivität und Klimaänderung

Potsdamer Geoforschern ist eine kleine Sensation gelungen. Sie konnten erstmals nachweisen, dass zwischen niedriger Sonnenaktivität und Klimaveränderungen ein Zusammenhang besteht. Bislang war eine solche Korrelation noch nicht belegt. In der Forschung wird derzeit rege darüber diskutiert, welchen Anteil die Sonne am Klimawandel hat. Die neuen Ergebnisse bestätigen jetzt, dass es in der Erdgeschichte Phasen gab, in denen die Sonnenaktivität einen direkten Einfluss auf das Erdklima hatte. Ein Ergebnis, das auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Schwächephase der Sonne in der Fachwelt für Aufsehen sorgen dürfte.

Achim Brauer vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) hat zusammen mit Kollegen aus Schweden und den Niederlanden Bohrkerne aus Sedimentgestein des Meerfelder Maars, einem Vulkansee in der Eifel untersucht. Die Analyse der Sedimentablagerungen hat ergeben, dass es vor 2800 Jahren zu einem stark ausgeprägten Minimum der Sonnenaktivität – einem sogenannten „Grand Minima“ – gekommen ist, dem ein sehr schneller Wechsel zu kühl feuchtem und vor allem windigen Klima folgte. Die Forscher sprechen von einem deutlichen Klimawandel mit regional längerfristigen Auswirkungen. Wie sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature Geoscience“ berichten, hätten es modernste Analyseverfahren ermöglicht, erstmals die niedrige Sonnenaktivität gleichzeitig mit klimatischen Folgen am selben Bohrkern nachzuweisen.

Das von Brauer und seinen Kollegen beobachtete Minimum ereignete sich zu Beginn der vorrömischen Eisenzeit. Diese als „Homerische Minimum“ bezeichnete Phase vor etwa 2800 Jahren – der Zeit des griechischen Dichters Homer – gilt als eines der großen Minima der Sonnenaktivität. Die Daten der Geoforscher legen nun nahe, dass dieses Minimum innerhalb nur eines Jahrzehnts zu einer deutlichen Klimaänderung führte. „Die Sedimentdaten belegen für einen 200 Jahre andauernden Zeitraum deutlich windigere Bedingungen und ein feucht-kühles Klima vor allem im Frühjahr“, so Studienleiter Brauer. In Kombination mit Modellstudien konnten die Forscher zudem einen Mechanismus feststellen, der den Zusammenhang schwacher Sonnenaktivität und Klimaverschlechterung erklärt.

„Die Änderung und Intensivierung der troposphärischen Windsysteme stehen vermutlich in einem ursächlichen Zusammenhang mit Prozessen in der Stratosphäre, die wiederum stark von der solaren UV-Strahlung beeinflusst werden“, erläutert Achim Brauer. Die Forscher vermuten, dass diese komplexen Prozessketten wie ein Verstärker wirken. „Das würde erklären, warum die häufig als gering angesehenen Schwankungen der Solarstrahlung trotzdem zumindest regional deutliche klimatische Auswirkungen mit weitreichenden Konsequenzen haben.“

Auch gegenwärtig befindet sich die Sonne in einer offensichtlich längeren Tiefphase. Die Sonnenzyklen betragen immer rund elf Jahre, auf ihrem Höhepunkt ist die Sonnenaktivität – Sonnenflecken, Strahlungsausbrüche und koronale Masseauswürfe – am stärksten. Überlagert wird der 11-Jahre-Zyklus von wesentlich längeren Phasen. Derzeit befindet sich die Sonne in einer niedrigen Aktivitätsphase, die den Elf-Jahreszyklus überlagert. „Im Vergleich zum vorherigen Maximum, deutet im Moment alles darauf hin, dass das nächste Maximum – Ende 2012/Anfang 2013 – deutlich geringer, nämlich nur etwa halb so hoch ausfallen wird“, erklärt der Potsdamer Sonnenphysiker Carsten Denker vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). Allerdings ist das noch kein „Grand Minima“. Erst wenn mehrere Sonnenzyklen mit einer solch geringen oder noch geringeren Aktivität aufeinander folgen, sprechen Sonnenphysiker von einem „Großen Minimum“.

Die Minima tauchen etwa alle 1000 bis 1500 Jahre auf. So gesehen wäre es nach dem sogenannten Maunder-Minimum vor rund 300 Jahren noch viel zu früh für eine neues „Grand Minima“. Das Maunder-Minimum im 17. Jahrhundert (1645 bis 1715 ) war ein Tiefpunkt, der von der Amplitude her mit dem „Homerischen Minimum“ vergleichbar ist. In die Zeit vom 16. bis ins 19. Jahrhundert fällt die sogenannte Kleine Eiszeit, in der es in Mitteleuropa sehr kalte Winter gab, sogar die Themse in London fror zu.

Die Forscher haben bislang vermutet, dass eine niedrigere Sonnenaktivität zu veränderter Wolkenbildung und Zirkulation in der Erdatmosphäre führt. Das wiederum könne eine Abkühlung des Klimas nach sich ziehen, was bislang aber nicht belegt ist. Eine andere Hypothese besagt, dass eine starke Veränderung im UV-Anteil des Sonnenlichts, die Stratosphäre erwärmen kann, und das über die Troposphäre in das Klimageschehen eingreift. „Dafür haben wir nun einen Beleg gefunden“, erklärt Brauer. Die Veränderung der Windverhältnisse lief vor 2800 Jahren zeitgleich mit der solaren Aktivität ab. „Besonders evident wird dieser doppelte Beleg dadurch, dass wir ihn auf ein und demselben Bohrkern ablesen konnten“, so Brauer. Allerdings lässt sich von den Auswirkungen des „Homerischen Minimums“ auf das Klima nicht einfach auf Folgen anderer Niedrigphasen schließen. Denn neben der Sonnenaktivität spielt auch der Einstrahlwinkel der Sonne für das Klima eine Rolle – langfristige Veränderungen der Erdumlaufbahn, die für den Wechsel zwischen Warm- und Eiszeiten verantwortlich sind.

Die spannende Frage ist nun, was in einem solchen großen Minimum mit dem Klima, das die Menschen derzeit aufheizen, geschieht. Die Klimaforscher erwarten bislang nicht, dass eine längere Schwäche der Sonne dazu führen könnte, die globale Erwärmung durch den Treibhauseffekt abzubremsen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) rechnet damit, dass ein erneutes Sonnenminimum von 70 Jahren – entsprechend dem Maunder-Minimum – voraussichtlich nur ein Zehntelgrad, höchstens aber 0,3 Grad Abkühlung bringen dürfte. Gemessen an den erwarteten zwei bis vier Grad Erwärmung bis 2100 durch den vom Menschen verursachten Klimawandel, würde das kaum ins Gewicht fallen.

Der Geologe Achim Brauer hält es hingegen für wichtig, erst einmal genau zu klären, welchen Anteil die Sonne tatsächlich am Klimawandel hat: „Das ist eigentlich noch nicht wirklich bekannt.“ Erst dann könne man sagen, ob ein solches Sonnenminimum den Klimawandel bremsen könnte. Bislang sei die Sonne, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr aktiv war, mit den Einflüssen des Menschen im Gleichlauf gewesen. Es habe zwei sich überlagernde Faktoren gegeben, die das Klima wärmer werden ließen. Die große Frage sei nun, was passiert, wenn die Sonnenaktivität nun längerfristig nachlässt. „Das werden wir aber wohl erst wissen, wenn es passiert ist“, so Brauer. Er vergleicht die gegenwärtige Lage mit einem großen Experiment – Ausgang offen.

Die nächste Aufgabe sei nun, den Wirkungsmechanismus der Solarstrahlung für die unterschiedlichen Wellenlängenbereiche noch genauer zu erforschen. „Erst wenn diese Mechanismen genau verstanden sind, wird eine fundierte Aussage darüber möglich sein, welche klimatischen Konsequenzen das nächste große solare Minimum in unserer heutigen Welt des auch anthropogenen geprägten Klimawandels haben kann“, so Brauer.

Der Potsdamer Sonnenphysiker Carsten Denker findet an den neuen Ergebnissen vor allem bemerkenswert wie rasant die Klimaänderung durch die Sonnenaktivität ausgefallen sei. „Wenn sich lokale Klimaänderungen schon ein Jahrzehnt nach einem deutlichen Abfall der Sonnenaktivität manifestieren, sollten Klimadaten sorgfältig auf solche Effekte geprüft werden“, sagte er.

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