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Botanische Forschung in Potsdam: "Immer Lust auf Botanik"

Der Kustos des Botanischen Gartens Potsdam, Michael Burkart, im Interview über abgedrehte Kübelpflanzen, die letzten Arnika-Vorkommen im Land Brandenburg und die Bedeutung der botanischen Forschung.

Herr Burkart, wer kümmert sich bei Ihnen zu Hause um die Pflanzen?

Wir haben verschiedene Zuständigkeitsbereiche: Die Topfpflanzen sind eher mein Beritt, meine Frau macht hauptsächlich Gemüse, die Zierpflanzen liegen dann wieder etwas mehr bei mir, wie auch die Obstbäume. Wir bespielen privat zwei Gärten: einen Kleingarten und einen kleinen Garten am Haus. Da gibt es immer genug zu tun.

Ist es nicht so, dass Sie als Botaniker in ihrer Freizeit gar keine Lust mehr auf Pflanzen haben?

Nein, bei mir ist das nicht so. Ich habe eigentlich immer Lust auf Botanik, auch abends noch. Dann lese ich auch gerne noch etwas Fachliteratur.

Sie ziehen sicher auch zu Hause eher etwas Komplizierteres als banale Küchenkräuter?

Nein, da bin ich dann nicht so speziell. Ich freue mich, wenn das Zeug wächst. Da brauche ich keine Spezialkulturen. Dafür baue ich dann eher auf unsere exzellenten Gärtner im Botanischen Garten, die mit ihrem Fingerspitzengefühl einiges zum Gedeihen bringen.

Sie haben wirklich nichts Exotisches im heimischen Garten?

Na ja, wir haben schon ein paar abgedrehte Kübelpflanzen. Da gibt es etwa eine unansehnliche koreanische Ulme, die wir seit 15 Jahren im Winter reinholen und im Sommer wieder rausbringen. Diesen milden Winter blieb sie allerdings fast die ganze Zeit draußen.

Vielleicht erlaubt es der Klimawandel, dass Sie sie einfach draußen lassen können?

Ich will es nicht riskieren. Allerdings ist sie jetzt gute zwei Meter groß, da wäre es mir schon ganz recht, wenn sie ausgepflanzt werden könnte. Wenn sie noch größer wird, müssen wir das ohnehin ausprobieren.

Zumindest im Gewächshaus des Botanischen Gartens ist immer Sommer.

Nicht ganz. Von der Temperatur her teilweise schon. Aber die veränderten Lichtverhältnisse lassen es auch hier Winter werden. Es gibt einige Pflanzen, die darauf sehr sensibel reagieren. Wir müssen viel mit Zusatzlicht arbeiten und nutzen zum Teil auch eine Klimakammer, die sonst der Forschung zur Verfügung steht. Davon profitiert beispielsweise unsere umfangreiche Passionsblumensammlung, mit der wir unter deutschen Botanischen Gärten führend sind.

Der Botanische Garten ist Teil der Universität Potsdam. Hier findet nicht nur Lehre statt. Sie wollen nun auch das Forschungsprofil schärfen.

Es geht uns im Wesentlichen darum, die große inhaltliche Breite, die der Garten bei seinen Pflanzen hat, auch für die Forschung zu nutzen. Insbesondere sollen Forschungsstrecken auf dem Gebiet der tropischen Pflanzen etabliert werden. Mit den botanisch orientierten Professoren der Potsdamer Universität kam das bisher leider nicht so richtig in Gang. Das wollen wir nun mit externen Kooperationen lösen.

Was wird erforscht?

Ganz unterschiedlich. Im vergangenen Jahr habe ich zum Beispiel zwei Masterarbeiten zum Thema Photosynthese betreut. Pflanzen machen das auf drei verschiedene Arten. Wir haben ein Screening gemacht und viele Arten daraufhin untersucht, ob die intermediär zwischen zwei verschiedenen Möglichkeiten Photosynthese betreiben. Diese Zwischenformen sind nicht so gut erforscht, wir haben es bei den Bromelien und den Mittagsblumengewächsen untersucht. Dazu haben wir auf unsere umfangreiche eigene Sammlung zurückgreifen können, aber auch auf Pflanzen in drei anderen Botanischen Gärten.

Sie haben ein Forschungskonzept für den Botanischen Garten verfasst. Geht es dabei auch um Alleinstellung?

Ja, einen Entwurf, aber der wird noch intern diskutiert, zum Beispiel in unserem Wissenschaftlichen Beirat, dessen Meinung wichtig für uns ist. Letztlich geht es darum, sukzessive alle wertvollen Sammlungen für die Forschung zu erschließen. Uns geht es auch darum, eigene Nischen zu finden, um mit anderen sinnvoll kooperieren zu können. Die externe Kompetenz bleibt sehr wichtig, da man längst nicht alle Gebiete selbst abdecken kann.

Zum Beispiel?

Bei der Photosynthese hatte ich das Glück, einen Kollegen vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim zu Rate ziehen zu können. Es kam noch ein Kollege aus den USA hinzu, das läuft sehr gut, das werden wir fortsetzen.

Gibt es bei der botanischen Forschung auch Dinge, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind?

Ich bin der Auffassung, dass unsere Arbeit generell die Besucher interessieren kann. Man muss es nur entsprechend aufbereiten. Wir nehmen das öffentliche Interesse sehr ernst. Wir wollen gerne ein Schaufenster der Botanischen Wissenschaft allgemein sein. Dazu stellen wir uns gerade neu auf, auch im digitalen Bereich, um die Informationen über die Pflanzen besser zu kommunizieren.

Wie sieht es mit Ihren Besuchern aus, sind Sie zufrieden?

Die Besucherzahlen entwickeln sich leicht positiv – wenn es nach unserer Erwartung auch noch mehr sein könnten. Wir haben rund 20 000 zahlende Besucher im Jahr.

Nun wollen Sie auch die wenigen Vorkommen des einjährigen Sumpf-Kranzenzians im nordöstlichen Deutschland retten. Wie kam es dazu?

Unser wichtigster Tätigkeitsbereich ist das Feld des Naturschutzes. Hier läuft aktuell das Projekt WIPs-De, ein Verbundprojekt mit fünf Botanischen Gärten und einer Pädagogischen Hochschule. Es geht um die modellhafte Erhaltung von 15 Wildpflanzenarten, für die Deutschland eine besondere Verantwortung hat.

ZUR PERSON: Michael Burkart (54) ist Kustos des Botanischen Gartens der Uni Potsdam, womit ihm die wissenschaftliche Leitung obliegt. Zur Entwicklung der Botanischen Forschung hat er ein Konzept erstellt.

Und wie kann man dem Kranzenzian nun helfen?

Es geht letztlich darum, die Pflanzen in ihrem natürlichen Lebensumfeld zu erhalten. Dabei ist der Kranzenzian besonders heikel, weil er natürlicherweise auf sogenannten Pfeifengraswiesen vorkommt. Davon ist heute in der nordostdeutschen Region kaum noch etwas übrig. Die letzten, nicht sehr großen Populationen des Enzians kann man an einer Hand abzählen. In Brandenburg gibt es im Havelland noch eine. Nun geht es erst einmal darum, eine Sicherung im Garten anzulegen, was beim Kranzenzian nicht sehr einfach ist. Ein Gärtner und ein Wissenschaftler arbeiten bei uns daran, wie das heikle Pflänzchen in Kultur funktionieren kann. Der Wissenschaftler soll zudem überlegen, wie und wo die Ansiedlung in der Natur wieder möglich wird. Die Lebensraumqualität ist entscheidend dafür, dass die Population ohne permanentes Hätscheln und Tätscheln spontan weiter wachsen kann.

Es ist kaum zu übersehen, dass Sie ein besonderes Faible für Wildpflanzen haben.

Das machen wir seit zwölf Jahren, seitdem ich Kustos hier bin. Wir haben zwischen 80 und 100 Arten in Erhaltungskultur und haben einigen Arten auch schon wieder auf die Beine geholfen. Aktuell machen wir etwas mit Arnika im Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft. Arnika ist eine bekannte Heilpflanze und kam früher in Brandenburg ziemlich häufig vor. Heute sind nur noch zwei oder drei wild lebende Populationen übrig. Wir haben im Garten bereits vor drei Jahren Pflanzen vermehrt aus Saatgut, das wir aus der Lausitz bekommen hatten. Dann haben wir diese Pflanzen dort wieder in der Natur angepflanzt, in enger Kooperation mit dem Naturpark. Unerwartet und erfreulich war dann, dass wir an einer Stelle über lebende Pflanzen gestolpert sind, die vorher nicht bekannt waren.

Das Vorhaben war also erfolgreich?

Auf einem Teil der Flächen hat es funktioniert, auf einem anderen nicht. Auch hier war die Qualität des Habitats der entscheidende Faktor: Wenn die Wiesen als Magerwiesen funktionieren, die Wasserversorgung stimmt und der Aufwuchs nicht zu stark ist, sodass es nicht zu starke Konkurrenz gibt, dann können die Pflanzen dort gut gedeihen. Wenn es zu nass oder zu trocken ist oder die Wiesen zu fett sind, dann geht es nicht. Dieser enge Zusammenhang mit dem Habitat ist übrigens auch Gegenstand unserer Schaubeete auf der Bundesgartenschau in der Stadt Brandenburg, die ja demnächst eröffnet wird.

Sie haben ein ähnliches Vorhaben auch direkt vor der Haustür verwirklicht.

Wir hatten im Park Sanssouci versucht, eine sehr seltene Löwenzahnart wieder anzusiedeln, nachdem eine Pflanze davon im Park entdeckt worden war. Wir hatten sie in Kultur vermehrt und im Park ausgebracht. Das war aber ein Misserfolg. Das ist Teil der Forschung. Denn so stellt sich die Frage, woran es gescheitert ist. Ich bin deutschlandweit der Koordinator für solche Aktivitäten der Botanischen Gärten. Wir tauschen uns über eine Internetseite aus, hier sind über 50 Partner mit über 600 Arten mit im Boot. Hier finden sich viele Erfolgsberichte. Aber ein Misserfolg ist für die Praxis fast noch wichtiger: Daran kann man sehen, wie man es nicht machen sollte.

Woran hat es gelegen?

Das wissen wir bislang noch nicht. Wenn wir das herausgefunden haben, werden wir den Versuch wiederholen. Vielleicht war es auch nur eine Wühlmaus, die uns alle Wurzeln weggefressen hat.

Der meteorologische Frühlingsanfang ist schon vorbei, der kalendarische kommt erst noch. Wann startet für Sie die Saison?

Für mich war der erste Frühlingstag bereits vor knapp zwei Wochen: Wenn es schön warm ist und die ersten Pflanzen blühen, wenn die Winterlinge, Schneeglöckchen und Elfenkrokus blühen, dann geht es los.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Der Botanische Garten Potsdam in der Maulbeerallee 2 hat täglich von 9.30 bis 17 Uhr geöffnet, von Oktober bis Ende März nur bis 16 Uhr; letzter Einlass jeweils eine halbe Stunde vor Schluss.

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