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Homepage: „Biomasse wird überbewertet“

Der Leiter des Institut für Agrartechnik, Reiner Brunsch, über die Grenzen nachwachsender Rohstoffe und die Verdauung der Kühe

In Potsdam beschäftigen sich zahlreiche Forscher mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Sie arbeiten am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), aber auch bei den Geoforschern, den Polarforschern, den Agrarforschern oder an den Hochschulen. Die PNN stellen die Forscher mit ihren Erkenntnissen, Prognosen und auch Ratschlägen vor. Heute: Prof. Reiner Brunsch, kommissarischer Leiter des Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB).

Herr Prof. Brunsch, Kühe produzieren das Treibhausgas Methan. Müssen wir in Zukunft auf Steak und Milch verzichten?

Es handelt sich um ein ernstzunehmendes Problem. Es wird aber nicht von den Tieren sondern von den Ernährungsgewohnheiten der Menschen verursacht. Prognosen gehen davon aus, dass sich in den kommenden 25 Jahren die Tierhaltung weltweit verdoppeln wird. Der Grund dafür liegt in der stark steigenden Nachfrage der Entwicklungs- und Schwellenländer nach hochwertigen Lebensmitteln. Fleisch und Milch sind weltweit enorme Wachstumsmärkte. Gleichzeitig wissen wir aber, dass wir heute schon so gravierende Umweltschäden durch die Tierhaltung verursachen, dass wir eigentlich die Aufgabe haben, parallel zur Verdopplung der Tierproduktion die Emissionen daraus zu halbieren.

Es geht um die Blähungen von Rindern?

Einerseits geht es um Stoffwechselbedingte Ausscheidungen der Tiere, die beim Wiederkäuer Methan im Vormagensystem produzieren. Es geht aber auch um Gase der gelagerten Gülle. Hinzu kommen die Emissionen, die durch die Abholzung für Futterflächen entstehen.

Was muss geschehen?

Ein Beitrag kann, zumindest für die Industriestaaten, ein gedrosselter Konsum von Rindfleisch sein. Obwohl Fleischkonsum per se kein Zeichen von Wohlstand ist, müssen wir von wachsendem Fleischverbrauch in den sich entwickelnden Volkswirtschaften ausgehen. Die Argumentation ist allerdings zweischneidig, da es weltweit noch eine Vielzahl von Menschen gibt, die ihren Nährstoffbedarf nicht durch Fleisch sondern durch pflanzliche Produkte absichern müssen.

Wie kann die Forschung helfen?

Bevor die Klimaforscher arbeiten können, müssen wir die Basisdaten etwa zur Tierhaltung liefern. Das basiert auf aufwändigen und kleinteiligen Experimenten. Darüber hinaus versuchen wir am ATB beispielsweise in einem Projekt die Emissionen lagernder Gülle zu begrenzen. Auch geht es darum, die Gülle in Biogasanlagen zu nutzen. So soll das gesamte Methan zur Energiegewinnung etwa in Blockheizkraftwerken genutzt werden. Darin liegt ein ganz erhebliches Potenzial, das wir nun versuchen auch in die Entwicklungsländer zu bringen.

Und was die Kühe betrifft?

Es wäre in jedem Fall vernünftiger Fleisch- und Milchkonsum einzuschränken, als den Tieren die Methanproduktion – etwa über Zusatzstoffe im Futter – abzugewöhnen. Dieser Zersetzungsprozess von Gras im Magen der Kühe wird von Mikroorganismen vollzogen. Hier hat sich eine Jahrtausende alte, durchaus effektive Symbiose entwickelt. Es ist ein großer Vorteil der Wiederkäuer, dass sie Pflanzen auf diesem Wege für die Verdauung verfügbar machen, die von anderen Säugetieren so nicht verwertet werden können.

Im Zuge des Klimaschutzes setzt alle Welt nun auf die nachwachsenden Rohstoffe als Energieressource. Eine nicht ganz glückliche Entwicklung?

Hier kommen viele Dinge zusammen. Wir hatten in Europa in diesem Jahr eine vergleichsweise schlechte Getreideernte. Der Weltmarkt hat einen zunehmenden Getreidebedarf für Lebensmittel und Viehfutter. Hinzu kommt, dass Getreide nun auch noch als Energielieferant gebraucht wird, was in vielen Staaten subventioniert und damit attraktiv gemacht wird. Die Nachfrage steigt also gesamt, auch durch die enorme Expansion der Tierhaltung. Prognosen gehen davon aus, dass der Druck so weit steigen wird, dass nicht mehr alle Bedürfnisse erfüllt werden können. Am Ende werden nur Produkte überleben, die sich den hohen Rohstoffpreis leisten können. Ob das der Nahrungsmittelsektor in den armen Teilen der Welt sein wird, ist äußerst fraglich.

Werden die nachwachsenden Rohstoffe in ihrem Potenzial für den Energiesektor überbewertet?

Das kann man so sagen. Was den energetischen Bereich betrifft, wird man nie den Großteil des Bedarfs decken können. Rein theoretisch kann Biomasse in jegliche Form von Energieträgern gewandelt werden: Strom, Biogas, Biokraftstoffe Nur müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass Biomasse Kohlenstoffträger ist. Es gibt viele andere alternativen Energieressourcen, die nicht auf Kohlenstoff basieren. Die müssen längerfristig gefördert werden, denn der Kohlenstoff ist viel zu schade, um primäre als Energie „verheizt“ zu werden. Langlebige Chemieprodukte und biologische Kunststoffe sind eine nachhaltigere Verwertung der Biomasse. Die energetische Verwertung der Biomasse kann nur eine Übergangslösung sein, langfristig wird es um Lebensmittel und stoffliche sowie chemische Verwertung gehen. Bislang wurden auch die Preissteigerungen der Rohstoffe nicht in das positive Bild der Bioenergie mit einberechnet. Hier ist die Politik dazu angehalten, nicht zu leichtfertig Euphorie zu erzeugen.

Auch sind Monokulturen für nachwachsende Rohstoffe in die Kritik geraten.

Auf wenige Intensivkulturen zu setzen, ist kurzsichtig. Beim Raps für die Biodieselherstellung sieht es beispielsweise so aus, dass es eine der intensivsten landwirtschaftlichen Kulturen ist, das heißt hoher Mineraldünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz für relativ geringen Energieertrag aus der Fläche. Hinzu kommt – was wir auch am ATB festgestellt haben – die stärkere Lachgasfreisetzung durch Mineraldüngung. Viel Stickstoff geht als Lachgas (Distickstoffmonoxid, N2O) in die Atmosphäre, ein 270-fach wirksameres Treibhausgas als Kohlendioxid. Die Biokraftstoffe schneiden heute bei der Frage nach der Nachhaltigkeit nicht immer gut ab.

Das heißt?

Wir müssen nun über die nächste Generation der Biokraftstoffe nachdenken, die über eine günstigere energetische und stoffliche Gesamtbilanz verfügen. Dabei handelt es sich vor allem um die altbewährte Fischer-Tropsch-Synthese, die den gesamten Kohlenstoff der Pflanzen verwertbar macht. Hier ist nicht nur der ölhaltige Samen sondern die ganze Pflanze Rohstofflieferant. Allerdings kommen uns Agrarforschern dabei schon wieder neue Zweifel, denn mit dem Stroh und den Ernteresten, die bislang auf den Feldern bleiben, wird Kohlenstoff in den Boden zurückgegeben, was die Humusbildung anregt. Wenn wir den ganzen Kohlenstoff wegschaffen, geht uns langfristig der wertvolle Humus verloren. Wir haben es mit einem komplexen System zu tun, in dem jeder Eingriff sehr genau bewertet werden muss.

Wohin geht dann die Reise?

Die Entwicklung alternativer Energien wird viel stärker im Solarbereich stattfinden, hier ist mit der neuen Dünnschichttechnologie ein gewaltiger Sprung zu erwarten. Die Sonne bringt uns tagtäglich ausreichend Energie, wir müssen nur lernen, sie richtig einzufangen und zu speichern. Letztlich ist die Energie aus Biomasse auch nur gespeicherte Sonnenenergie. Doch hier geht bei der Transformation von Licht zu Kohlenwasserstoffen sehr viel Energie verloren.

Der Klimaschutz ist für das ATB sicherlich eine große Herausforderung?

Auf alle Fälle. In den zurückliegenden 15 Jahren haben wir uns damit beschäftigt, wie man die unerwünschten Effekte der landwirtschaftlichen Produktion – etwa Treibhausgasemission – begrenzen kann. Da die klimatischen Veränderungen nun offensichtlich nicht mehr aufzuhalten sind, müssen wir uns nun zunehmend mit der Frage beschäftigen, wie unter veränderten klimatischen Bedingungen die landwirtschaftliche Produktion organisiert werden kann. Eine ganz entscheidende Frage wird die Effizienz von Bewässerungssystem sein: mit möglichst wenig Wasser möglichst viel Pflanzenwachstum zu ermöglichen.

Woran arbeiten Sie beim Klimaschutz aktuell?

Wir beschäftigen uns unter anderem mit der Logistik der Verfügbarmachung von Biomasse, vor allem auch unter dem Aspekt der Flächenkonkurrenz zwischen Lebensmittel- und Energiesektor. Ansonsten arbeiten wir hauptsächlich an der Erzeugung und Nutzung von Biogas. Hier untersuchen wir einerseits welche nicht klassischen Nutzpflanzen hohe Biogaserträge bringen, es handelt sich etwa um alte Kulturpflanzen. Für unsere leichten Böden in Brandenburg sehr interessant ist ein mehrjähriger Roggen, der Waldstaudenroggen. Einmal angebaut kann man mehrere Jahre ernten, was wiederum Energie spart. Auch geht es darum in dem Prozess der Biogaserzeugung die Mikroorganismen zu identifizieren die besonders effizient sind.

Welchen Fokus setzen Sie?

Eine wichtige Aufgabe ist, dezentrale Stoffströme zu organisieren, damit etwa die Primärverarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten in ländlichen Räumen stattfindet und lange Transportwege wegfallen. Hier lohnt es sich auch zurückzudenken. Wir hatten früher Stoff- und Warenströme, die viel stärker regional organisiert waren. Das fand auf einem viel niedrigeren Energieniveau statt. Unterm Strich steht auch die Kuh auf der Weide energetisch besser da, als die im Stall. Obwohl es heute bei den Kosten noch andersherum ist. Wir haben Jahrzehnte hinter uns, in denen Energie viel zu günstig war, da wurde dann eben der Stall beheizt, anstatt die Tiere mehr zu füttern. Durch den niedrigen Energiepreis sind bislang auch die regionalen Wertschöpfungsketten benachteiligt. Hier wird es mit einem steigenden Energiepreis ein Umdenken geben müssen. Das wird dann eine Chance für lokale Märkte und alternative Erzeugungsformen.

Der Klimawandel also eher eine Chance als eine Bedrohung?

Was sich momentan abzeichnet, betrachte ich als Bedrohung, die wir Menschen selbst gemacht haben. Natürlich ist es für die Wissenschaft auch eine Chance zur Innovation. Es ist aber nicht nur eine Chance sondern auch die Pflicht der Wissenschaft, sich den akuten Problemen zu widmen. Wir können kleine Lösungsansätze liefern. Wenn das jeder macht, dann bekommen wir vielleicht das Puzzle zusammen. Und erreichen die Begrenzung des Temperaturanstiegs.

Was kann jeder Einzelne tun?

Sich zum Beispiel daran erinnern, dass man als Kind mit zwei Fleischgerichten in der Woche gesund satt und groß geworden ist. Auch die erhöhte Mobilität in der Gesellschaft ist ein Fluch, da kann jeder versuchen, einen möglichst umweltschonenden Weg für sich zu finden. Ein großes Problem ist, dass das Fliegen heute günstiger ist als die Bahn.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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