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Regisseur und Star: Brian De Palma (li.) und John Travolta.

© Kinovista/Boxmotion/EmpireWard

Arte-Doku über Brian De Palma: Barocke Exzesse

Letztlich eine Art Selbstporträt: Ein Dokumentarfilm beleuchtet Leben und Werk von Regisseur Brian De Palma.

Welcher Film steht am Anfang? Welche Szene? Welches Bild? Nein, auch wenn „De Palma“, wie dieser Kino-Dokumentarfilm im US-Original präzise und schlicht heißt, über den Regisseur Brian De Palma geht – mit Spielberg und Scorsese einer der wichtigsten Vertreter des „New Hollywood“ –, so sind zu Beginn keine De Palma-Szenen zu sehen. Nachdem der blutrottriefende, großbuchstabige Titel langsam über pechschwarzen Hintergrund geglitten ist, ist James Stewart zu sehen, wie er über den Dächern von San Francisco einem Mann hinterherjagt, bis ein Polizist vor seinen Augen in den dunklen Abgrund stürzt. Unter diesen Bildern liegt der bezwingende Soundtrack von Komponist Bernard Herrmann.

1958 sieht der achtzehnjährige De Palma seinen ersten Hitchcock-Film: „Vertigo“. „I will never forget it“, sagt er über sein Seherlebnis. „Vertigo“, dieser Film über verlorene und doppelte Identitäten, habe einen unbeschreiblichen Eindruck auf ihn gemacht, ihn inspiriert, Hitchcock zu entdecken. Gegen Ende dieser materialreichen Dokumentation geht De Palma soweit, zu sagen, er sei wohl der einzige Hitchcock-Adept. De Palma, das wird klar, vergöttert Hitchcock noch immer. Auch heute.

„Brian De Palma“, wie diese erste große Dokumentation im deutschen Titel um den Vornamen ergänzt wurde, haben die Regisseure Noah Baumbach und Jake Paltrow gemeinsam erstellt. Beide drehen sie selbst für Kino und Fernsehen. Paltrow, der jüngere Bruder von Gwyneth, TV-Serien, Noah Baumbach, ganz im Stil à la Woody Allen, für die Kino-Leinwand („Frances Ha“).

Mit Leben und Werk Brian De Palmas haben die beiden Filmautoren sich über mehrere Jahre hinweg beschäftigt und den öffentlichkeitsscheuen De Palma dazu bewegen können, 2010 eine Woche lang in Paltrows New Yorker Apartment vor der Kamera offen über sein Leben zu sprechen.

Moderne Klassiker wie „Dressed to Kill“

So sind es keine Kollegen, keine Freunde, keine Verwandten, die hier als die üblichen Zeitzeugen Auskunft geben. Es ist nur De Palma selbst. Er ist es, Jahrgang 1940, der von seiner schwierigen Kindheit in New Jersey und in Philadelphia erzählt, von seinen beiden Geschwistern, seinen unglücklichen Eltern, dem meist abwesenden Vater, einem wenig empathischen Chirurgen.

Von seinem abgebrochenen Physikstudium an der Columbia University in New York. Er ist es, der da allein im Sessel sitzt und frontal in die Kamera der beiden Filmautoren spricht. Eine One-Man-Show. Zwei Stunden lang. Dazwischen sind Ausschnitte aus seinen über dreißig Filmen montiert – von den ganz frühen Arbeiten wie „Murder à la Mod“ (1968) und „The Wedding Party“ (1969) über moderne Klassiker wie „Dressed to Kill“ (1980) und „Scarface“ (1983) bis hin zu seinen jüngsten Arbeiten „The Black Dahlia“ (2006) und „Passion“ (2012).

So ist „Brian De Palma“ letztlich eine Art Selbstporträt geworden. Da gibt einer Auskunft, einer, der sowohl zu den ganz Großen gehört, als auch zugleich als Independent-Außenseiter gilt; einer, dessen fünf Jahrzehnte umspannende Regie-Karriere von etlichen Misserfolgen geprägt ist. Einer, der vor der Kamera kritisch von Hollywoods starrem Studiosystem erzählt, dem er sich eine Zeitlang mit Filmen wie „Mission: Impossible“ (1996) selbst unterwarf.

Brian De Palma, 76, dieser barocke Italo-Amerikaner, Spezialist für Horror und Gewaltexzess, ist aus dem internationalen Filmkanon überhaupt nicht wegzudenken. Der abendfüllende Dokumentarfilm von Noah Baumbach und Jake Paltrow macht daher wieder Lust, sein Werk erneut zu sehen, es neu und anders zu erkunden. Und dazwischen, ganz im Sinne De Palmas, läuft Hitchcocks „Vertigo“.

„Brian De Palma“, Arte, Sonntag, 21 Uhr 50

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