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ARD/ZDF-WM-Studio: Nur die Technik ist Luxus

LED im Studio, Sperrholz im Backoffice: Das gemeinsame WM-Studio von ARD/ZDF in Baden-Baden ist fern von Moskau und nah am Zuschauer.

Hier also werden Oliver Kahn oder Matthias Opdenhövel sitzen und die Übertragungen von der Fußball-WM in Russland verfolgen. Auf einem marktüblichen Sofa, Kaltgetränke in einem Kühlschrank von der Günstigmarke in Reichweite. Hinter ihnen sitzen technisches Personal, das unterschiedlichste Bilder und Perspektiven auf die drei Monitore bringen kann, Online-Mitarbeiter und Sportredakteure von ARD und ZDF, die die jeweiligen Experten wie Moderatoren mit nützlichem Detailwissen unterstützen sollen.

Neben dem sogenannten „Observerroom“ befindet sich der „Analyseraum“, in dem beispielsweise Holger Stanislawski für das Zweite Spielzüge, Szenen und Taktiken sezieren wird.

Der Raum ist schon kleiner, und noch kleiner ist ein dritter, wo der frühere Fifa-Schiedsrichter Urs Meier während des laufenden Spiels für das ZDF-Publikum Schiedsrichterleistungen einschätzt und die Reporter vor Ort betreut. Die Wände sind aus Sperrholz, die Neonsonne scheint permanent.

Alle drei Räume gehören zum Backoffice des gemeinsamen WM-Studios von ARD und ZDF im Südwestrundfunk in Baden-Baden. Der ARD-Sender wurde gewählt, weil im eigentlich größeren ZDF in Mainz nicht genügend Platz ist. Die Generalprobe für diese Kooperation in der Kurstadt an der Oos war 2017 beim Confed-Cup in Russland. Die Konstruktion eines nationalen Sendezentrums (NBC) ermöglicht laut ARD/ZDF schlankere Strukturen im Ausrichterland und eine kostengünstigere Produktion. Jedes System soll einen höheren siebenstelligen Millionenbetrag einsparen.

NBC heißt auch: Kein ARD-Experte wie Stefan Kuntz, kein ZDF-Moderator wie Oliver Welke wird eine WM-Sekunde in einem der zwölf Stadien erlebt und gesehen haben. Ihre Situation ist – in etwa – die des Zuschauers. Fußball wird Fernsehereignis wird Fernsehspiel. Ein nicht enden wollender Videobeweis.

Gemischte Gefühle, gemischte Erwartungen. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann sagt, „wir sparen durch diese Produktionsweise Geld, programmatische Vorteile hat das Konstrukt erst mal nicht“. Sein ARD-Kollege, SWR-Sportchef Harald Dietz, ergänzt: „Ein wenig Distanz zur Fifa sowie dem Ausrichterland ist ob der nicht sportlichen Begleiterscheinungen journalistisch sicher nicht schädlich.“ Beide aber betonen die positiven Erfahrungen der Kooperation in Baden-Baden beim Confed-Cup. Was sie auch zuversichtlich stimmt, die um einiges größere WM technisch und inhaltlich zu stemmen. Um der Erschöpfung entgegenzuwirken, übertragen die Sender im Wechsel. Und bei aller Vorbereitung, Abstimmung und trotz aller detaillierter Ablaufpläne bleibt ein besonderer Spannungsmoment – die Minuten nach dem Abpfiff. Da sei „Freiflug“, sagte ein Regisseur. Was passiert auf, was neben dem Spielfeld, wer kommt wann und wo ans Mikrofon, was soll sich im Stadion, was im Studio abspielen?

Das NBC ist rund um Studio 5 gelagert. Redaktion, Regie und Produktion müssen sich die wenigen Quadratmeter teilen, die ihnen die 70 Tonnen schwere mobile Produktionseinheit und das eigentliche Studio lassen. Die Technik beherrscht die Räume, die Menschen bedienen die Technik. Hier ist nichts auf Luxus getrimmt, sondern alles auf die Aufgabe hin konstruiert: zwischen 14. Juni und 15. Juli eine Fußball-WM aus einem Riesenland mit vier Zeitzonen, zwölf Stadien, 32 Mannschaften und 64 Spielen in technischer Perfektion und bestmöglicher inhaltlicher Qualität zu übertragen.

Die Teams von ARD und ZDF arbeiten jeweils im Zweischichtbetrieb, die Übertragung des TV-Signals vom WM-Turnier, das der Fifa-Broadcaster HBS produziert, ist redundant ausgelegt. Breitband ist Standard, es gibt einen Nordstream über Skandinavien und einen Südstream über die Ukraine, zudem ist eine Satellitenleitung geschaltet. Die größte Außenstelle von ARD und ZDF ist das WM-Quartier der deutschen Mannschaft in Watutinki nahe Moskau, auch im internationalen Sendezentrum IBC am Rand der russischen Hauptstadt gibt es eine kleine Einheit.

LED-Monster

Von all der Technik, von den menschlichen Anstrengungen bei Redaktion, Regie und Technik, bei Schnitt und den Augmented-Reality-Teilen, wenn zum Beispiel die Teamaufstellungen eingeblendet werden, soll der Zuschauer nichts bemerken. Seine Sinne sollen auf das eigentliche WM-Studio gerichtet sein.

Das Herzstück für die mehr als zwölfstündigen Sendungen wird hinterfangen von einem wahren LED-Monster. Die Wand ist 10,80 Meter lang und 2,70 Meter hoch. Darauf können 1620 Zeilen zu jeweils 6480 Pixeln dargestellt werden – damit ist eine Auflösung in UHD möglich (viermal mehr als normaler HD-Standard). Die ARD-Teams aus Moderatoren, Experten und jeweiligem Tagesgast werden vor der LED-Wand rund ums Pult stehen, beim ZDF sitzen alle hinter einem Tisch, also auch Zé Roberto, wenn er bei den Brasilien-Spielen beim Zweiten zu Gast ist.

Bei allem Kooperationswillen wurde in einer Frage beim Studiorundgang in Baden-Baden keine Einigkeit erzielt: Wo ist die Körper- und Kopfspannung höher – im Sitzen oder im Stehen? Probieren Sie es mal aus.

„Fußball-WM", ARD, Donnerstag, um 15 Uhr 10

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