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Karen (Corinna Harfouch) tritt aus der Opferrolle heraus. Ihr Mann Georg (Jörg Hartmann, links) hatte einen Killer (Ulrich Matthes) engagiert, der sie wegen der Lebensversicherung umbringen sollte.

© ARD Degeto/Conny Klein

ARD-Krimi mit Corinna Harfouch: Die Schulung zur Hyäne

Männer, fürchtet euch sehr: Corinna Harfouch, Ulrich Matthes und Jörg Hartmann veredeln den ARD-Krimi „Die vermisste Frau“.

Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, sagten die Alten und dachten bei Mensch wohl nur an Männer. Die Frau muss Wölfin erst lernen. Wissen wir heute. Dieses Spiel von Horst Sczerba (Buch und Regie) mit abgeschnittenem Finger, viel beschäftigten Revolvern und Koffern voller Geld ermutigt Frauen, es den bösen Männern gleichzutun.

Sie heißt Karen, fertigt Prothesen an und braucht doch selber Halt für ihre verzweifelte Seele. Wir sehen, schluchz, Corinna Harfouch, wie sie einen Abschiedsbrief an ihren Mann Georg (Jörg Hartmann) schreibt, den Pistolenlauf in den Mund schiebt, aber nicht abdrückt. Angst.

Karen geht zum Seeufer, trinkt noch ein letztes Glas, hat eine Vision vom letzten Walzer mit ihrem Georg über den Wassern. Und dann nichts wie hinein in den nassen Tod: Sie will sich opfern, damit Georg ihre Lebensversicherung kassieren kann. Edle Kuh, dumme Kuh, raus bist du.

Denkste: Es ist die Angst, diese Nothelferin der Vernunft, die Karen daran hindert, sich als Tränentier dem Wohl des Mannes zu opfern. Alles wird gut in diesem bösen Krimilehrstück. Die schöne Liebeshysterikerin lernt Hyäne. Ein Fest für die Zuschauer. Filmemacher Szerba („Die Unschuld der Krähen“, „Stille Nächte“) liebt die Eleganz und den Humor der Skrupellosigkeit, vergleichbar mit Ferdinand von Schirachs wölfischer Kunst.

Tropfnass kehrt Karen aus dem See ins Leben zurück. Barfuß irrt sie die Straße entlang, unerkannt an ihrem Haus vorbei, wo ihr alarmierter Mann der Polizei den Abschiedsbrief seiner Frau präsentiert. Wie er sich doch sorgt, denkt sie. Wie sie sich doch schämt über ihr vermasseltes millionenschweres Freitodgeschenk.

Da hält ein Auto. Karen steigt ein. Am Steuer Bruno (Ulrich Matthes). Sie weiß noch nicht, dass dieser Schuft vom Ehemann als ihr Killer engagiert wurde. Unnachahmlich kalt von Matthes gespielt, ruht sein Jägerblick auf der Frau im nassen Unterrock. Er wird sich noch wundern: Es kommt bald die Stunde des Sterbens. Bloß für wen?

Das Lehrstück von der notwendigen Entzauberung der Liebe kommt ins Rollen. Schillers „Glocke“ läutet zum Unterricht: Wie werden „Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz“? Durch die Aufdeckung männlicher Schweinereien, lautet das Lernziel. Die erste Lektion behandelt die ungetreue Lusche Georg.

So schrecklich die Geschichte: ein Moment höchster Komik

Karens so vergötterter Ehemann hat das Komplott geschmiedet. Der Pleitier braucht die Versicherungsprämie. Noch weiß Georg nicht, dass ihm Karen durch den vorauseilenden Suizidversuch in die Quere gekommen ist. In seinem Denkschema kommt eine Frau, die eigenmächtig handelt, nicht vor.

Wir sehen ihn: Ohne Nachricht vom Ausgang seines mörderischen Plans steht er erwartungsfroh vor dem See und hofft auf die Bergung von Karens Hülle oder Teilen derselben (Schiffsschrauben!), die bei der Versicherung die Prämienauszahlung auslösen würden. Hartmann glänzt in seiner Rolle als meuchelnder Heuchler, der mit gespielter Trauer seine echte Geldgier unterdrücken muss. Das ist, so schrecklich die Geschichte, ein Moment höchster Komik.

Bruno, den Matthes zum coolen Mafia-Paten stilisiert, spielt in dieser Schach-Infernal-Partie den Neunmalklugen. Er hat Karen, den Unglückswurm, in einem Motel untergebracht, verzichtet dann aber, die Pistole schon entsichert, auf die Erfüllung des Mordauftrags. Nicht aus Liebe, sondern wegen der Chance, mehr als den von Georg ausgeworfenen Judaslohn herauszuholen. Karen schläft derweil den Schlaf der Unschuld, sie wird erwachen.

Zum Hyänen-Diplom gehört ein weitere Unterrichtseinheit: die produktive Verarbeitung weiblicher Eifersucht. Karen entdeckt bei einer Erkundung ihres alten Heims Georg im Bett mit einer Freundin namens Mona (Lorna Ishema). Die Prostituierte kennt die Männer. Und als sich die wiederauferstandene Karen Georg als lebend offenbart, reagiert die betrogene Frau verändert. Nicht nur eifersüchtig. Etwas Listiges mischt sich in Harfouchs Darstellung. Ihr ist ein Wachsen des Misstrauens anzusehen. Gegen Georg, gegen die Männer überhaupt. Sie wird sich mit Mona verbinden.

Es kommt die Reifeprüfung. Karen hat Lügen gelernt, das zielsichere Schießen in Männerherzen, das Geld-Abzocken, sogar das professionell gebotene Abhacken des eigenen Ringfingers. Den Film fluten Bilder (Kamera: Hagen Bogdanski, „Das Leben der Anderen“) von den zunehmend stolzer werdenden Blicken der Hyäninnen in den Spiegel.

Vier Leichen zählt der köstliche Film, keine davon ein Fall zum Trauern. Männer, fürchtet euch sehr. Die Welt nach der #MeToo-Empörung wird hart, zumindest im Krimi.

„Die vermisste Frau“, ARD, Freitag, um 20 Uhr 15

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