zum Hauptinhalt
Wollen den letzten Plan ihres verstorbenen Vaters verwirklichen: Mirko (Lucas Gregorowicz, links) und Letscho Talhammer (Frederick Lau).

© NDR/Tamtam Film

ARD-Komödie vom Schrottplatz: Die Underdogs bitten zur Kasse

Lieber gut geschrottet als schlecht selbst ausgedacht: In der Komödie „Schrotten!“ wird ein recht eigenwilliges Konzept von Nachhaltigkeit praktiziert.

Alle reden von der Digitalisierung. Dabei wird die Hardware unterschätzt. Ein FilmDebüt im Ersten zeigt, dass man mit Altmetall eine kurzweilige Geschichte recyclen kann. Max Zähle, dessen Kurzfilm „Raju“ für den Oscar nominiert war, erzählt in seinem Langfilmdebüt von einem Provinzschrottplatz im hohen Norden. In dieser Welt zwischen angerosteten Kotflügeln, gebrochenen Achsen und Autoreifen leben die Talhammers, ein sozial deklassierter Familienclan, dessen Mitglieder eine Mischung aus norddeutschem Platt und der Gaunersprache Rotwelsch sprechen.

Mit Liebe zum Detail entführt die Komödie in die ramponierte Welt von Heavy Metal Freaks, die ein recht eigenwilliges Konzept von Nachhaltigkeit praktizieren. Während der Opa entspannt an seinem Rollator schraubt, verticken die Jungs alles, was nicht niet- und nagelfest ist – von der Regenrinne, die sie von der Kirche abmontieren, bis hin zu geklauten Eisenbahnschienen.

Von diesen krummen Dingern hat Mirko, ältester Sohn des Schrottplatz-Besitzers Fiete Talhammer, die Nase gestrichen voll. Mirko peilt den sozialen Aufstieg an. Für seine Vorstellungen von einer „sauberen“ Karriere jenseits der schrottigen Welt seiner Familie findet der Film herrlich komische und zugleich bitterböse Bilder. Während Mirko per Telefonmarketing Versicherungspolicen feilbietet („Schön, dass ich Sie persönlich am Apparat habe“), tunkt er penibel geschnittene Toaststreifen in sein weich gekochtes Frühstücksei.

Dazu noch einen Tropfen Maggi Soße: Das kann nichts werden. Schneller als ihm lieb ist, findet Mirko sich inmitten seiner schrecklich netten Familie wieder. Doch der Schrottplatz wirft nichts mehr ab und soll vom übermächtigen Konkurrenten Kercher geschluckt werden, den Jan-Gregor Kemp als gewiefter Altmetall-Mafioso spielt.

Mit 40 Tonnen Kupfer soll die Familie finanziell sanieren

Glücklicherweise hat der verstorbene Schrottpatriarch Talhammer einen Plan B hinterlassen: Die Entführung eines Eisenbahnwaggons mit 40 Tonnen Kupfer soll die Familie finanziell sanieren. Diese Mission Impossible kann nur gelingen, wenn Mirko sich mit seinem notorisch zerstrittenen jüngeren Bruder Letscho zusammenrauft – und mit dieser Versöhnung auch den Herzenswunsch des toten Vaters realisiert.

Natürlich kennt man dieses Muster aus diversen Hollywood-Komödien. Doch lieber gut geschrottet als schlecht selbst ausgedacht. Wenn Lucas Gregorowicz, bestens bekannt aus der Kifferkomödie „Lammbock“, als Mirko Talhammer den hochnäsigen Mastermind gibt, der auf verknittertem Küchenpapier komplizierte Berechnungen anstellt, und Frederick Lau in der Rolle des Heißsporns die Brechstange herausholt, dann kommt Freude auf.

Trotz origineller Grundidee hat die Geschichte hier und da gewisse Längen. Max Zähle, der auch am Drehbuch partizipierte, interessiert sich nicht so wirklich für das Milieu dieser liebenswürdigen Hallodris in ihren Wohnwägen. Sein Film orientiert sich mehr an einer romantischen Komödie, dessen Liebesgeschichte aber taktvoll unterspielt wird.

Trotz gewisser Defizite gelingt Zähle jedoch eine wunderbar skurrile Räuberpistole, die man allein schon wegen Mirko Talhammers himmelblauen Opel Rekord Coupe mögen muss. Nicht die Gentlemen, sondern die Underdogs bitten zur Kasse bei dieser etwas anderen Zugentführung, die so schräg ist, wie man sie im deutschen Fernsehen lange nicht mehr gesehen hat.

„Schrotten!“, ARD, Dienstag, 23 Uhr 15

Manfred Riepe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false