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In der politischen Talkshow "Anne Will" sprach der SPD-Kanzlerkandidat Klartext und sicherte sich den Applaus des Publikums.

© dpa

Anne Will - TV Kritik: Peer Steinbrück: unterhaltsam und angriffslustig

Man könnte meinen der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat seine Pechsträhne überwunden. Im Gespräch mit Anne Will zeigte sich Steinbrück unterhaltsam und angriffslustig - und stahl der Gastgeberin die Show.

Von Hans Monath

Nur zwei Nachteile hatte der Solo-Auftritt von Peer Steinbrück bei Anne Will am Mittwoch für den Kanzlerkandidaten der SPD: Wegen der Papstwahl verschob sich die Ausstrahlung, nur ganz Hartgesottene, aber immerhin 1,4 Millionen Zuschauer blieben auf, um lange nach Mitternacht das Ende der „Late-Night-Talkshow“ zu erleben. Und bis zur Bundestagswahl im September ist es noch so lange hin, dass die Sendung wohl wenig politische Wirkung entfalten wird. Denn es war nicht Anne Wills Show, es war eindeutig Peer Steinbrücks Show. Wenn sein bisheriger Wahlkampf so gut gelaufen wäre wie sein Auftritt in der Sendung „Wie viel Klartext verträgt Deutschland?“, müsste die SPD in Umfragen nicht bei 26, sondern längst bei 40 Prozent oder darüber liegen. Die schwarz-gelbe Koalition wäre schon längst abgeschrieben.

Falls das Studiopublikum nicht direkt aus dem Willy-Brandt-Haus importiert war, sollten sich die Gegner-Beobachter der CDU doch noch Sorgen machen. Der Gast provozierte mit seinen Thesen zu sozialer Gerechtigkeit und Steuererhöhung für starke Schultern immer wieder spontan Beifall. Er zeigte sich rhetorisch beschlagen, schnell im Kopf, unterhaltsam und sehr angriffslustig, während seine Gastgeberin deutlich schwächelte. Nur bei einem Thema, nämlich bei der Frage, wen genau die geplanten Steuererhöhungen treffen werden und wie hoch die Belastung ausfallen wird, hakte sie mit Erfolg so lange nach, bis der Ex-Finanzminister in die Defensive geriet und auffällig patzig wurde. „Das erzähle ich Ihnen, wenn ich in Amt und Würden bin. Jetzt erzähle ich nichts Konkretes, das machen die anderen ja auch nicht."

Ansonsten aber nutzte der bislang eher glücklose Kandidat die Zeit gekonnt zur Selbstdarstellung. Zeitweise wirkte es auch so, als wolle Anne Will in ihrer Sendung die Talkshow-Praxis der Einspielfilme mit Provokationen für den Gast ad absurdum führen. Dass der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, Mindestlöhne als ökonomische Katastrophe attackierte, war so absehbar wie platt. „Wir müssen in so einer Sendung ja nicht willkürlich sein“, schlug Steinbrück daraufhin in Anspielung auf den Namen seiner Gastgeberin gönnerhaft vor, was das Publikum hörbar gut fand.

Wenig überraschend auch, dass CDU-Mitglied Reiner Holznagel vom Steuerzahlerbund den Normalbürger mit den Steuerplänen der SPD brutal geschröpft sieht, was Steinbrück mit Warnungen von einem „Horrorgemälde“ quittierte. Dass Will dann den Zeugen aus dem Einspielfilm in Schutz nahm („Jetzt schlagen Sie auf den armen Herrn Holznagel ein“), machte es auch nicht besser. „Er hat ja vorher auf uns eingeschlagen“, meinte der Kandidat trocken.

Tiefpunkt aber war der Film zur angeblich geteilten Loyalität Steinbrücks. Der Gast ist bekanntlich Aufsichtsrat bei Borussia Dortmund, doch das Will-Team hatte ein Foto ausgegraben, das ihn mit Schalke-Fan-Schal zeigt und holte dazu entrüstete Kommentare von BVB-Fans ein. Das Bild sei zehn Jahre alt, als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen habe er natürlich auch Schalke-Spiele besucht, konterte Steinbrück und ging die Gastgeberin offensiv an: „Man kann durch Bilder ganz schön manipulieren.“ Als Anne Will nur mit einem vorsichtigen „Weiß ich nicht…“ konterte, lachte das Publikum höhnisch. 

Fazit: Wenn Steinbrück beim Kanzlerkandidaten-Duell in ähnlich guter Form ist, wird das Aufeinandertreffen mit Angela Merkel richtig spannend. Sogar wenn Anne Will, wie geplant, als Ko-Moderatorin fungiert.

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