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Bilder sind wichtiger als die Story, Gefühle wichtiger als Geschichtskunde. Fuggersohn Richard (Samuel Schneider) hält derweil an seinem Zigeunermädchen Saviya (Helen Woigk) fest.

© ARD Degeto/Ziegler Film

Alles auf Fugger: "Der Puppenspieler" kommt ins Fernsehen

Fackelgefunzel, Rössergetrappel, Hexengejage: Der Renaissance-Zweiteiler nach Tanja Kinkels „Die Puppenspieler“ lässt wenige Klischees aus.

Jawoll, meine Herrn, so habt ihr es wohl gern. Großer Männerabend zu Weihnachten in der ARD. Der Zweiteiler „Die Puppenspieler“ schickt die Weiber auf den Scheiterhaufen oder zum Tanzen auf die Tische. Die Ü-50-Kerle prunken derweil im Kardinals- und Papstoutfit und pflegen ihren Wahnsinn. Ausgerechnet der Oberonkel Dagobert aus dem Augsburger Frühkapitalistenclan, Anton Fugger (Herbert Knaup), so wird uns weiß gemacht, bekämpft Hexenwahn und investiert in Liebe.

Sicher, wenn das Fernsehen an dem hobelt, von dem es glaubt, dass es ein Millionenpublikum so erwarten würde, fallen Späne. Sorry, ihr Anti-Klischeepuristen, sensiblen Geschichtskenner und Netflix-Verherrlicher. Es ist Weihnachten, war immer so. Da gibt es eben Gans, nicht kritische Ganzheit in ihrer ganzen erzieherischen Herrlichkeit. Renaissance light, kräftig kauen, und Bedenken schlucken.

Ein Fest für reife Schauspieler

Auf den Gabentisch haben Regisseur Rainer Kaufmann, die Drehbuchautoren Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof nach dem gleichnamigen Roman von Tanja Kinkel, die Kamera von Klaus Eichhammer, die Szene (Petra C. Heim), das Kostüm (Lucie Bates) und die Maske (Sabine Schumann), sowie die Ziegler-Produktion alles gelegt, was spektakulär mittelaltert. Die Macher feiern ein Fest besonders für reife Schauspieler, für Licht, das nach Tiefe aussieht, für Gewänder, die Männer zieren, für Landschaften, die man für Italien halten kann, obwohl sie überwiegend in Tschechien liegen. Ein historisches Seminar findet nicht statt.

Es darf gefrönt werden. Es darf natürlich auch gehöhnt werden. Über Fackelgefunzel, Rössergetrappel, das Frauengestöhne unter der Folter, die Klischees vom Zigeunerleben, die Treuherzigkeit der jungen Liebenden, das Zeigen mönchischer Verklemmtheit, wie es sich die Küchenpsychologen so vorstellen. Regisseur Kaufmann („Das fliehende Pferd“) nutzt die Zeit eines Zweiteilers, um den Bildern, die wichtiger sind als die Story, Raum und Eigenleben zu geben.

„Die Puppenspieler“ kommen etwas unsüffig in Gang, dann aber strömt es dahin, als könnte es damals alles so gewesen sein, wie es der Film erzählt. So immer schön-schrecklich, so ernst, so riskant, wie es auch heutzutage zu sein scheint. Zu Anfang ist das jüngere Schauspielergemüse dran. Die „schöne Sarazenin mit Tscherkessenblut“ (Wikipedia-Beschreibung), Zobeida Artzt (Veronika Strapkova) waltet segensreich als Hebamme irgendwo in Deutschland. Ihr Sohn Richard (jung: Petr Cemper, erwachsen: Samuel Schneider) springt als Schüler fröhlich durchs Kloster. Zobeida ist zwar zum Christentum konvertiert, aber bleibt den Klerikern als Alleinstehende aus der Fremde verdächtig. Die Ausländerproblematik von heute trapst draußen vorbei, aber der Zugang ins TV-Mittelaltergehäuse bleibt ihr verschlossen.

Richards Vater, so stellt sich später heraus, ist Jakob Fugger (Herbert Knaup), der während einer außerehelichen Affäre mit der Sarazenin im Morgenland Richard zeugte und am Schicksal von Hebamme und Kind kostengünstig interessiert bleibt. „Ich habe deine Mutter geliebt“, sagt Vater Fugger ganz am Ende. So waren sie eben, die lieben alten Kapitalistenleut'.

Die Sarazenin hat zu Lebzeiten nichts von solcher Liebestreue. Der Großinquisitor Heinrich Institoris (Philipp Moog) sucht in Deutschland mit Billigung des Papstes nach den angeblichen Bräuten des Teufels. Als 12-Jähriger erlebt Richard, wie seine Mutter verbrannt wird. Fugger kommt als Retter zu spät. Das Trauma, das seinen unehelichen Sohn sein Leben lang prägen wird, kann er nicht verhindern, aber gebrauchen kann er Richard schon. Wo sonst als in seiner Firma.

In das Leben des heranwachsenden Helden und in den gesamten Film treten die männlichen Profis der Macht. Wir Zuschauer vergessen erst mal die Frauen und bewundern Jacob Fugger, wie ihn Knaup mit würdiger Kappe auf dem Haupt und mit wacher Väterlichkeit spielt. Als einen, der in gottlos werdender Welt an die Rationalität geschäftlicher Interessen glaubt. Er hasst wie sein heimlicher Sohn den Hexenwahn und das nicht nur aus moralischer Betroffenheit, sondern als Störung rationaler Abläufe, dieser elegante Herr der Schröpfung.

Mit List, Tücke und immer neuem Geld

Wie Fugger mit List und Tücke und immer neuem Geld das Kunststück fertig bringt, dass in Rom ein neuer Papst etabliert wird, der die Hexenverbrenner in Zaum hält, seinen Sohn vor Verfolgung rettet und sein eigenes Bergwerksgeschäft in Ungarn durch Propaganda für einen Krieg gegen die Türken sichert, ist ein Kabinettstück, das der Zuschauer bewundern soll. Seht Mädels, so unhysterisch und effektiv machen es die Männer.

Und treu sind sie im Herzen auch noch. Fuggersohn Richard hält durch alle kirchlichen und weltlichen Intrigen hindurch an seinem Zigeunermädchen Saviya (Helen Woigk) fest. An solchen Soap-Kitsch glauben selbst die Macher nicht. Warum sonst wirkt die Liebe zwischen Saviya und Richard sonst so ausgesprochen klischeehaft inszeniert. Das Mädchen figuriert einzig als eine Trophäe der Männer. Keine leiseste historische Behutsamkeit angesichts späterer Verbrechen an der Minderheit bricht die Lust am Zigeunerklischee. Saviya legt den Mächtigen die Karten, schmeichelt den Kardinälen, tanzt auf dem Tisch, singt schön, fehlt nur noch, dass sie zur Geige greift. Komm Ziganin, spiel Ziganin.

Die Eitelkeit der mächtigen Männer duldet keine glaubhaften Frauengestalten neben sich. Wohl verpackt in die Elitekleidung der alten Zeit, vom Rot der Kardinäle bis zum Businessdunkel der Kaufleute trotzt der Männerverein selbstverliebt weiblicher Herausforderung. Den Vogel schießt Ulrich Matthes als Kardinal Borgia ab, der sich nach der Wahl zum Papst Alexander VI. in einen neurotisch flatternden weißen Schwan verwandelt, dessen Gefieder über seiner schwarzen Seele besonders intensiv strahlt. Herrenrunden haben so ihre eigene Erotik. Halleluja.

„Die Puppenspieler“, Mittwoch und Freitag um 20 Uhr 15, ARD

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