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Alfred-Wegener-Institut: Neubau für die Polarforscher

Das Alfred-Wegener-Institut baut für 13,3 Millionen Euro auf dem Wissenschaftscampus Telegrafenberg.

Templiner Vorstadt - Ein hochmodernes Genetiklabor, Tiefkühl-Lager für Bodenproben aus Sibirien, Raum für die Vorbereitung von Expeditionen und 79 Arbeitsplätze: Die Polarforscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf dem Telegrafenberg bekommen einen Neubau. Für das 13,3 Millionen Euro teure Projekt wurde am gestrigen Donnerstag der Grundstein gelegt. Das Gebäude, das vom Potsdamer Architekten Reiner Becker geplant wurde, soll in der ersten Jahreshälfte 2017 bezugsfertig sein.

Der Neubau wird dringend gebraucht, sagte Bernhard Diekmann, der Forschungsstellenleiter des AWI Potsdam, den PNN: „Wir platzen aus allen Nähten.“ Als das AWI, dessen Hauptsitz in Bremerhaven ist, 1992 am Standort Potsdam begann, gab es sieben Mitarbeiter – heute sind es allein 103 feste Mitarbeiter. Hinzu kommen Doktoranden, Stipendiaten, Gastforscher aus dem Ausland und Studierende, die als Hilfskräfte oder für Diplomarbeiten am AWI tätig sind – insgesamt noch einmal rund 50 Wissenschaftler. Sie sollen künftig an einem Standort auf dem Telegrafenberg vereint werden. Der Neubau ist ein Anbau für das 1999 eröffnete AWI-Gebäude des Architekten Oswald Mathias Ungers. Zum AWI-Campus gehören künftig auch drei historische Direktorenhäuser in Backsteinoptik.

Am Entwurf des 2007 gestorbenen Ungers, aus dessen Feder unter anderem auch die Hamburger Kunsthalle und das Kölner Wallraf-Richartz-Museum stammen, habe er sich für den Neubau orientiert, erklärte der Architekt Reiner Becker den PNN. „Wir wollten uns stark zurücknehmen, um ein Ensemble mit Ungers Gebäude zu bilden.“ Gleichzeitig sollte sich das Gebäude in die Umgebung einfügen – den Ende des 19. Jahrhunderts von Paul Emanuel Spieker im Stil eines englischen Landschaftsparks gestalteten Telegrafenberg. „Wir möchten uns nicht in Konkurrenz stellen – weder zu alt noch zu neu“, sagt Becker, der in Potsdam unter anderem die Sanierung des Potsdam Museums am Alten Markt und das Bildungsforum am Platz der Einheit projektiert hat und auf dem Telegrafenberg bereits mit seinem Neubau für das Geoforschungszentrum (GFZ) am Einsteinturm tätig war. Mit seinem schnörkellosen Entwurf für das AWI – drei Geschosse sind über, zwei unter der Erde – konnte sich Becker im EU-weiten Wettbewerb durchsetzen.

Dass der Telegrafenberg eine lange Tradition als Wissenschaftsstandort und auch für die Polarforschung hat, wurde bei den Reden zur Grundsteinlegung mehrfach betont. So war beispielsweise Erich von Drygalski, der in den 1890er-Jahren eine Grönland-Expedition und ab 1901 die erste deutsche Antarktis-Expedition leitete, Hilfskraft am Geodätischen Institut Potsdam, wie Karin Lochte, die wissenschaftliche Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, sagte. Das 1870 gegründete Geodätische Institut wurde zu DDR-Zeiten Teil des neuen Zentralinstituts für die Physik der Erde, dem Vorgänger des heutigen Geoforschungszentrums. Auch zu DDR-Zeiten wurde dort Antarktis- und Polarforschung betrieben. Daran knüpfte das AWI 1992 an. „Der Standort Telegrafenberg steht für Tradition, Gegenwart und Zukunft der Spitzenforschung“, lobte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD).

Die Polarregionen interessieren die Forscher unter anderem deshalb, weil dort der Klimawandel sehr viel schneller passiert als anderswo, sagte Thomas Rachel, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesforschungsministerium: „Die Arktis ist die Klimaküche Europas.“ Die Bundesregierung wolle die Erkenntnisse der AWI-Forscher auch in die Gespräche im Arktischen Rat, in dem Deutschland Beobachterstatus hat, mit einbringen, betonte er.

Im Neubau werden die Polarforscher unter anderem in einem modernen Genetiklabor alte Pflanzenreste untersuchen können, erklärte Forschungsstellenleiter Bernhard Diekmann den PNN: „Der genetische Code liefert uns Hinweise auf die Herkunft der Art.“ Für die Atmosphärenforscher werde es im Dachgeschoss ein neues Observatorium geben. Dort könne unter anderem mit einem speziellen Lasergerät die Wolkendichte geprüft werden – davon schließen die Forscher unter anderem auf die Zusammensetzung der Atmosphäre.

Nach dem Umzug ist zudem ein Haustausch auf dem Telegrafenberg geplant: Das bislang noch vom AWI genutzte Bürogebäude aus dem Jahr 1964 soll ans Geoforschungszentrum übergeben werden. Gebaut wird auf dem Wissenschaftscampus derzeit auch noch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (siehe hier).

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