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Agrarforschung in Potsdam: Verschobene Erntezeit in Brandenburg

Agrarforscher in Potsdam haben herausgefunden, dass sich in den vergangenen 50 Jahren die Erntezeiten für Getreide in Brandenburg verschoben haben – weil sich das Klima ändert.

Potsdam - Dass die globale Erderwärmung der vergangenen Jahrzehnte auch einen Einfluss auf die Vegetation hat, ist unbestritten. Immerhin ist die mittlere Temperatur nach aktuellen Erhebungen des Weltklimarates IPCC zwischen 1880 und 2012 um 0,85 Grad Celsius angestiegen. Ein Prozess, der schneller verläuft als alle bekannten Erwärmungsphasen der letzten 65 Millionen Jahre – und bereits deutliche Folgen hat. Änderungen in der Vegetation werden zumeist an der früheren Blütezeit von Pflanzen festgestellt. Nun haben Potsdamer Agrarforscher mit Kollegen von der Berliner Humboldt Universität festgestellt, dass der Klimawandel auch in der Getreideernte Änderungen mit sich bringt. Speziell für die Region Brandenburg stellten die Forscher fest, dass sich die Zeitfenster der Getreideernte verändert haben und der Bedarf an Maschinen zum Mähdreschen gestiegen ist.

In der vor Kurzem im renommierten Fachzeitschrift „Agricultural and Forest Meteorology“ veröffentlichte Studie kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass bei den Erntezeiten für die Getreidearten Winterweizen, Winterroggen, Winter- und Sommergerste im Zeitraum 1961 bis 2013 signifikante Verschiebungen entstanden sind. Die Studie wurde exemplarisch für Brandenburg erstellt und zeigt, dass vor allem die Produktion von Roggen und Weizen durch die Erwärmung betroffen ist. Die beiden Getreidearten sind in Brandenburg die flächenmäßig dominierenden Sorten. „Die Ernte von Winterweizen beginnt heute im Durchschnitt elf Tage früher, die von Sommergerste 16 Tage früher als vor 53 Jahren“, erklärt Annette Prochnow vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB).

Landwirte müssen sich für veränderte Ernte wappnen

Und noch ein Ergebnis lässt aufhorchen: Die Anzahl der Stunden, in denen die Feuchte des Korns die Ernte zulässt, hat sich im Untersuchungszeitraum beim Roggen um drei Prozent und bei der Wintergerste sogar um 20 Prozent verringert. „Das Wissen darum, wann Getreide mit einer bestimmten Kornfeuchte geerntet werden kann, ist für die Landwirte enorm wichtig, damit sie ihren Betrieb mit der angemessenen Maschinenkapazität ausstatten können beziehungsweise in der Lage sind, die Ernte durch Lohnunternehmer optimal zu organisieren“, erklärt Annette Prochnow.

Für die Landwirte sind diese Daten essenziell: Wenn zu wenig Mähkapazitäten zur Verfügung stehen, dauert die Ernte zu lange und die Landwirte müssen mit Masse- und Qualitätsverlusten rechnen. Überkapazitäten hingegen erzeugen hohe Kosten bei zu geringer Auslastung. „Unsere Studie zeigt, dass Landwirte für sich ändernde Erntezeitfenster gerüstet sein müssen“, sagt die Wissenschaftlerin aus Potsdam-Bornim. Entweder indem sie in höhere Druschkapazität investieren oder bei höherer Feuchtigkeit des Korns ernten und die hierfür erforderlichen Trocknungsanlagen verfügbar sind. „Je nach Betrieb sollten die Ernte- und Konservierungskapazitäten bestmöglich aufeinander abgestimmt sein“, so Prochnow.

Weizen- und Roggenernte überlappen sich

Auch eine weitere Überraschung hat die Potsdamer Studie ergeben: Beim Weizen verringerte sich die Zeit, in der die Ernte möglich ist, nicht, vielmehr stieg sie um neun Prozent an. Doch was auf den ersten Blick ein Vorteil sein könnte, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Nachteil: „Wegen des früheren Erntebeginns bei Weizen kommt es zu einer zeitlichen Überlappung der Weizen- und Roggenernte“, erklärt die Agrarforscherin. Gleichzeitig wird mehr leistungsfähige Erntetechnik benötigt, um das reife Getreide rechtzeitig einzufahren. Die Verringerung der Erntezeit bei der Wintergerste um 20 Prozent sei nicht so gravierend, da die Anbaufläche recht klein sei und die Ernte so früh ist, dass es kaum Überlappung mit anderen Arten gibt.

Brandenburg wurde ausgewählt, weil die Daten hier zuerst verfügbar waren. Die Mark ist durch das Kontinentalklima besonders trocken und war in den vergangenen Sommern auch vergleichsweise warm. „Man kann sagen, dass die Bedingungen für die Getreideernte hier besonders günstig sind“, so Prochnow. Gerade in der Lausitz stünden besonders viele Stunden für die Ernte trockenen Getreides zur Verfügung. In anderen Bundesländern, zumal sie an der Küste oder in der Nähe von Gebirgen liegen, sei die Feuchtigkeit ein größeres Problem. In Brandenburg sind die Zeiträume, in denen man trockenes Korn ernten kann, grundsätzlich größer. Ein Versuchsbetrieb des ATB auf Rügen zeigt beispielsweise, dass es dort kaum Zeiträume gibt, in denen das Korn unter 14 Prozent Feuchte und damit Lagerfähigkeit aufweist.

Spätere Weizenernte noch vor 50 Jahren

Zuerst reift in Brandenburg die Wintergerste, dann der Roggen und dann der Weizen. Vor 50 Jahren begann die Weizenernte erst deutlich später, sodass sich die beiden Erntevorgänge nicht im Weg standen. Das ist heute bereits anders. Alarmierend sei das Ergebnis nicht, da sich die Situation in den vergangenen Jahrzehnten langsam ergeben habe und die Landwirtschaft bereits darauf eingestellt sei. „Aber es macht die Ernte potenziell teurer“, erklärt die Agrarforscherin. Hinzu komme, dass jedes Jahr anders ausfalle. Extreme Sommer wie etwa 2003 und 2006 waren zu trocken, 2010 und 2011 relativ feucht. Feuchtigkeit führt zu Qualitätseinbußen wegen möglichen Pilzbefalls und Mykotoxinbildung. Auch befördert Nässe das Auswachsen des Getreides, also das Keimen der Körner noch in der Ähre. In trockenen Jahren sei wiederum der Zeitraum zwischen der Reife und dem Ausfallen des Korns viel kürzer. „Das macht es noch schwieriger, Erntekapazitäten ausgewogen zu bemessen.“

Das Forschungsteam hatte für die Studie erstmals die Erntezeiten der vergangenen 50 Jahre anhand von Wetterdaten, Aufzeichnungen zum Erntebeginn, den auf Kornfeuchte beruhenden möglichen Erntestunden sowie der benötigten Maschinenkapazität analysiert. Die Getreideernte zählt zu den am stärksten wetterabhängigen Prozessen in der Landwirtschaft. Der Feuchtegehalt des Korns entscheidet über Einsatzzeitpunkt und -dauer von teuren Erntemaschinen und damit letztlich auch über die Kosten der Produktion.

Der Winterroggen braucht in Brandenburg die höchsten Kapazitäten für die Ernte. „Im Vergleich zu Weizen muss für die Roggenernte zwei- bis dreimal so viel Schlagkraft bereitgehalten werden“, erklärt Prochnow. Gründe dafür sind laut Studie die kurze Dauer, in der die Kornfeuchte die Ernte ermöglicht, und eine insgesamt sehr große Anbaufläche für Roggen. Beim Weizen liege die Zahl der möglichen Erntestunden doppelt so hoch wie beim Roggen. „Weizen kann zudem über durchschnittlich drei Wochen hinweg geerntet werden, Roggen nur binnen zwei Wochen“, so die Forscherin.

Interessant dürfte nun auch der Vergleich mit anderen Regionen sein. Daher haben die Wissenschaftler vor, die in der Studie angewendeten Methoden der Datenanalyse in künftigen Untersuchungen auf Regionen mit anderen klimatischen Bedingungen zu übertragen.

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