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Prominent besetzt. Für den ersten TV-Spot in Deutschland, der am 3. November 1956 im Bayerischen Fernsehen lief, wurden die weithin bekannte Kabarettistin Liesl Karlstadt und der erfolgreiche Schauspieler Beppo Brehm verpflichtet.

© dpa

60 Jahre TV-Werbung: "Der gebildete Mensch sagt nur Persil"

Am 3. November 1956 lief der erste Werbespot im deutschen Fernsehen. Es ging um einen hässlichen Fleck - aus dem ein Multi-Milliarden-Eurogeschäft wurde.

Ein solcher Fernsehspot würde heutzutage wohl einen Beschwerdehagel beim Werberat auslösen, doch als das Bayerische Fernsehen am 3. November 1956 den ersten TV-Werbespot der deutschen Fernsehgeschichte ausstrahlte, war dieses Rollenbild noch allgemein anerkannt.

In dem Spot sitzen ein Mann und eine Frau in einem Restaurant. Xaver, gespielt vom Schauspieler Beppo Brem, rutscht beim Zerteilen der „Mahlzeit“ (so der Name des Spots) ein großes Stück vom Teller auf die Tischdecke. „Du benimmst dich so, als ob du daheim wärst“, fährt ihn seine Begleitung, die Kabarettistin Liesl Karlstadt, an. „Rauschmeißen tät ich dich als Wirt“. Doch der Wirt sieht das Malheur gelassen. „Ich bitte Sie, das kann doch vorkommen. Dafür gibt es doch Persil“, sagt er zur gnädigen Frau. „Das ist eben der Unterschied zwischen dir und dem feinen Mann“, freut sich Brehm. „Du machst so ein Trara, der gebildete Mensch sagt nur Persil.“

Die Proteste verstummen schnell

Der Siegeszug der TV-Werbung, der im Bayern-Fernsehen begann, ließ sich jedenfalls nicht mehr aufhalten. Bereits drei Jahre später sendeten alle ARD-Sender Werbung – das ZDF ging erst 1963 auf Sendung. Freilich waren nicht alle von der Fernsehwerbung begeistert. Proteste kamen vor allem von den Zeitungsverlegern, die in der Wirtschaftswunderzeit besonders gut an der Produktwerbung verdienten. Doch deren Klage wurde 1957 vor Gericht abgewiesen.

Die Probleme, mit denen die TV-Werbung alsbald zu kämpfen hatte, waren anderer Natur. Nach kurzer Zeit wurden so viele Spots gesendet, dass sich viele Zuschauer zwar an die Geschichten erinnern konnten, aber schon Minuten später nicht mehr wussten, um welche Marke es sich gehandelt hat. Die Werbewirtschaft reagierte mit der Erfindung der Markenfigur. Zu den Ersten gehörte der Bär der Bärenmarke, das HB-Männchen, Fridolin (Maggi) und Frau Antje aus Holland, später kamen Klementine (Ariel), Tante Tilly (Palmolive) und der Herr Kaiser von der Versicherung dazu.

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Aus der Markenfigur wurde in den folgenden Jahren das Testimonial, also ein prominenter Markenbotschafter. Beste Beispiele dafür waren Thomas Gottschalk und Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer, aber auch Trainer wie Jogi Löw oder Jürgen Klopp geben gute Testimonials ab. Für Manfred Krug hatte sich hingegen die Werbung für die T-Aktie nicht ausgezahlt, sie hinterließ vielmehr einen unschönen Fleck in seiner Vita.

Fernsehwerbung war freilich nicht auf den Westen beschränkt. Auch das Fernsehen der DDR bewarb die VEB-Produkte televisionär. Von Bergmann-Borsig stammte zum Beispiel der Rasierapparat Bebo Sher, den Mann sogar mit Zusatzakku unterwegs auf dem Segelboot verwenden konnte, wie der bereits in Farbe gesendete Spot zeigte. Besonders abenteuerlich war die Werbung für Autos wie den Trabant 601 (6,8 Liter Normverbrauch) oder den Wartburg 1000 mit Einzelradaufhängung, denn in den TV-Spots war natürlich keine Rede davon, dass man auf die Lieferung über zehn Jahre warten musste. Auch die Werbung für „die reichhaltigen Weihnachtsangebote der Konsum-Genossenschaften“ war wohl eher eine Mogelpackung.

Die Bedeutung des Fernsehens für die Werbung hat weiter zugenommen, beinahe jeder dritte Werbeeuro fließt dorthin. Die Zahl der TV-Spots stieg entsprechend und und legte von 2001 bis 2015 um 1,5 Millionen auf zuletzt 3,8 Millionen Werbeeinspielungen zu. Andere Werbeträger wie Zeitung und Zeitschriften sind ins Hintertreffen geraten, aber auch der Anteil der Online-Werbung, der zwar zugelegt hat, stagnierte zuletzt bei neun Prozent, wie Zahlen des Zentralverbandes der Werbewirtschaft (ZAW) zeigen.

Es beginnt mit 200.000 D-Mark

Dabei waren die Erlöse durch Fernsehwerbung anfangs äußerst bescheiden. Ganze 200.000 D-Mark kamen 1956 zusammen. 1960 waren es schon 132 Millionen D-Mark. Vor Einführung des Privatfernsehens 1984 nahmen ARD und ZDF fast 1,4 Milliarden D-Mark mit TV-Werbung ein. Es sollte bis 1992 dauern, bis RTL und Sat 1 auf eine vergleichbare Summe kamen.

Heute haben die beiden großen Privatsenderfamilien RTL und ProSiebenSat1 die öffentlich-rechtlichen Sender mit weitem Abstand abgehängt. Während die Privaten über 4,1 Milliarden Euro mit Werbung einnehmen, kommen ARD und ZDF zusammen auf rund 310 Millionen. Bei einem Gesamtetat von 8,3 Milliarden Euro für die Öffentlich-Rechtlichen fragt darum auch der Privatsenderverband VPRT, ob es nicht an der Zeit wäre, dass ARD und ZDF komplett auf TV-Werbung verzichten.

Dabei steht die Fernsehwerbung heute gleich vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen. „Zu Zeiten des ersten TV-Werbespots erreichte man noch mit einer Schaltung gefühlt ganz Deutschland, heute ist das nur in wenigen Formaten wie Fußball-Länderspielen oder großen Shows möglich“, sagte Matthias Dang, Geschäftsführer des RTL-Mediengruppen-Vermarkters IP Deutschland, dem Tagesspiegel. Durch die wachsende Zahl an Fernsehsendern und Onlinevideoangeboten sei die Planung einer Kampagne für Markenartikler sehr viel komplexer geworden.

Vor allem jüngere Zuschauer wollen nicht mehr darauf warten, dass ein TV-Sender ihr bevorzugtes Programm ausstrahlt. Sie nutzen darum verstärkt Streamingdienste wie Amazon, Netflix oder Maxdome. Noch entfallen auf die neuen Konkurrenten im Durchschnitt nicht einmal zehn Minuten täglich – bei einer Gesamtfernsehnutzungszeit von über drei Stunden keine große Sache, doch den Trend dürfe man nicht ignorieren, wissen die Privatfernsehmacher.

Dabei hat sich eines in den zurückliegenden 60 Jahren nicht geändert, weiß RTL-Vermarkter Dang: „Von Beppo Brehm und Persil bis zu Joan Collins und Snickers: Eine gute Geschichte ist der Garant für Werbewirkung.“

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