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25 Jahre Uni Potsdam: Expansion und Wachstum: Uni-Präsident Günther: „Die Stunde von Golm“

Der Präsident der Universität Potsdam, Oliver Günther, spricht im PNN-Interview über die Expansion von Golm, die große Bedeutung des Standortes und Ziele zur Exzellenzinitiative. Er sagt, dass Ausgründungen für das Land insgesamt wesentlich sind.

Herr Günther, die Universität Potsdam treibt die Entwicklung des Wissenschaftscampus Golm stark voran. Mit welchen Zielen?

Als Universität und als Großnutzer des Campus wollen wir gerne dazu beitragen, dem Standort in den kommenden 25 Jahren noch einmal zu einer signifikanten Expansion zu verhelfen. Das Beispiel Berlin-Adlershof hat gezeigt, was man mit gezielten Investitionen in Wissenschaftsstandorte erzielen kann – vor allem wenn die Interaktionen mit der Wirtschaft genutzt werden. Golm hat sich in den vergangenen 25 Jahren gut entwickelt, es ist aber noch mehr drin. Und das bedarf einer gut angelegten Kooperation zwischen Universität, den außeruniversitären Einrichtungen, der Stadt, dem Land, den lokal ansässigen Start-ups, aber möglichst auch einigen Unternehmen, die bereits an anderem Ort erfolgreich waren. Dazu wird jetzt von allen Beteiligten eine sogenannte „Roadmap“ für die kommenden Jahrzehnte erstellt.

Sie halten das Potenzial des Standorts ...

... für außerordentlich. Golm ist zwar etwas peripher gelegen, aber nun kann die Stunde von Golm schlagen. In Berlin wird es bald keinen Platz mehr geben. Die Universität Potsdam ist in den letzten Jahren enorm vorangekommen, die Institute vor Ort haben sich alle etabliert, die Stadt ist in einer starken Position und hat die Wissenschaft als tragende Säule in die Stadtstrategie aufgenommen. Es passt nun alles zusammen, jetzt können wir beim Ausbau quantitativ wie auch qualitativ eine Schippe drauflegen.

Wie weit ist der Masterplan?

Das geht sehr gut voran. Wir haben konkrete Entscheidungsvorschläge, die aktuell auf Leitungsebene zwischen Stadt, Land und Universität abgestimmt werden. Erst vor wenigen Tagen gab es wieder eine Runde auf Staatssekretärsebene, in der die eingesetzte Task Force Golm ihre Planung für die Umsetzung vorstellte. Das Potenzial von Golm soll nun mit erhöhten finanziellen und inhaltlichen Investitionen genutzt werden.

Das größte Problem war bislang der Platzmangel für Firmen, die aus Hochschule und Forschung hervorgegangen sind. Wie weit ist man hier?

Das zweite Gründerzentrum, der GO:INcubator II wird nun von der Stadt gebaut, gleichzeitig das Standortmanagement – nachdem Standortmanager Friedrich W. Winskowski, der für Golm Großes geleistet hat, in den Ruhestand geht – neu aufgesetzt. Was in den Gründerjahren punktuell auf den Weg gebracht wurde, kommt nun unter einen großen Schirm. Das GO:IN II war lange eine Hängepartie. Private Investoren wollten lieber Wohnungen bauen, Unternehmen hatten andere Vorstellungen. Letztlich hat sich die Stadt der Sache angenommen und baut nun, das ist gut so.

Allein an der Universität gibt es bis zu 50 Ausgründungen im Jahr. Wird Golm in Zukunft ausreichend Platz haben?

50 Ausgründungen war ein Spitzenwert 2014, das werden nicht immer so viele Start-ups sein, und nicht alle werden in Potsdam bleiben. Der GO:INcubator II wird zwei Probleme lösen. Zum einen können junge Unternehmen bislang im GO:IN I aufgrund der EU-Förderbestimmungen nur für eine gewisse Zeit verbleiben. Nach acht Jahren müssen sie ausziehen. In Zukunft werden sie dann in das Gebäude II umziehen können. Somit wird zweitens auch das Platzproblem gelöst, es wird einfach mehr Raum vorhanden sein. So lässt sich jährlich bis zu einem Dutzend Firmen dort ansiedeln.

Wann wird Golm fertig sein?

Der GO:INcubator II wird in zwei Jahren stehen. Darüber hinaus werden neue Start-up-Räume geplant, die ebenfalls bis spätestens 2018 fertig sein dürften. Das neu aufgestellte Standortmanagement soll in eineinhalb Jahren seine Arbeit aufnehmen. Auch die ansässigen Max-Planck- und Fraunhofer-Institute werden sich voraussichtlich noch ausdehnen. Und sollte es der Universität gelingen, ein Exzellenzcluster einzuwerben, wird sich auch daraus eine neue Situation ergeben. Die Ansiedlung größerer Unternehmen lässt sich natürlich nicht terminieren, aber in fünf Jahren wird Golm anders aussehen als heute.

Warum sind Ausgründungen für Brandenburg so wichtig?

Sie sind für das Land insgesamt wesentlich, weil Golm zwar zu Potsdam gehört, aber auch eine große Breitenwirkung in das Land hinein hat. Der Ort ist sowohl für Interessenten aus dem Umland als auch von Berlin aus attraktiv. Aus Berliner Sicht ist der Standort zwar etwas weiter draußen, bietet aber mehr Platz und ist auch günstiger als Innenstadtlagen. Eine vergleichbare Entwicklung hat es in Berlin-Buch gegeben. Klar ist es aber auch, dass in der Brandenburger Peripherie ähnliche Anstrengungen nötig sind, um das Land in der Breite zu entwickeln. Grundsätzlich sehen wir in den nächsten 25 Jahren noch viel Bedarf. Berlin hat heute bereits eine Kapazitätsgrenze erreicht. Schön wäre es natürlich wie gesagt, wenn sich in Zukunft auch ein großes Unternehmen etwa aus der Biotechnologie- oder Pharma-Branche ansiedeln würde.

Wie läuft der Transfer Wissenschaft-Wirtschaft vor Ort?

Die aktuellen Ergebnisse des Transfer-Audits des Stifterverbandes haben klar gezeigt, dass im Transfer-Bereich in den letzten 25 Jahren sehr viel geleistet wurde. Aber sie zeigen gleichzeitig, dass gerade auch in Golm noch mehr möglich ist.

Hat man die Bedeutung der Wissenschaft im Land mittlerweile erkannt?

Das Bewusstsein in der Politik dafür ändert sich seit einiger Zeit. Das ist auch im historischen Kontext zu sehen: Wissenschaft hat in Brandenburg in der Wendezeit keine zentrale Rolle gespielt. Dass Wissenschaft und Universitäten letztlich auch Faktoren für Wirtschaft, Kultur und für Wohlstand sind, das musste erst einmal in der Breite erkannt und verstanden werden. Heute erhalten wir Hochschulen von der Landesseite positive Signale, die sich etwa auch in dem Koalitionsvertrag widerspiegeln.

Die Universität Potsdam will in der neuen Exzellenzinitiative nach vorne kommen, mit welcher Strategie?

Wir wollen einen Clusterantrag in den Geo- und Biowissenschaften – zur Interaktion von Erdoberflächenprozessen, biologischen Prozessen und Klima – einbringen. Außerdem wird es ja neben der Exzellenzinitiative eine Förderlinie für innovative Hochschulen geben, mit einem Fokus auf dem Wissens- und Technologietransfer. Dazu passt die Planung für Golm sehr gut, der Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Universität und anderen Hochschulen. Hier können wir zeigen, dass mehr möglich ist.

Gibt es grundsätzliche Überlegungen zum strukturellen Aufbau der Universität?

Das muss man sehen. Die bisherige Struktur hat sich sehr bewährt, wenngleich die Fakultäten sich bezüglich Größe und interne Organisation beträchtlich unterscheiden. Strukturreformen müssen inhaltlich gut begründet sein. Man sollte solche Reformen jedenfalls nicht aus ästhetischen Gründen betreiben, das ist an einigen anderen Universitäten gehörig schiefgegangen.

Die Universität feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Wie sehen Sie die Potsdamer Wissenschaft in den kommenden 25 Jahren?

Für den Großraum Berlin-Potsdam sehe ich bis 2040 eine außerordentlich gute Entwicklung – und dabei wird Potsdam eine große Rolle spielen: Der Griebnitzsee als digitaler Standort, Golm als naturwissenschaftlicher Fokus, Expansionspotenzial für Start-ups und einige potente forschungsnahe Unternehmen, eine Weiterentwicklung von SAP und eventuell weiteren IT-Firmen am Jungfernsee, in der Stadtmitte die Etage der Wissenschaft im Bildungsforum, am Neuen Palais ein neuer Campus, der westlich der Umgehungsstraße den Bestand ergänzen wird und ein weiterer Ausbau von Studentenwohnungen im Stadtgebiet. Warum sollte mit diesem Wachstum nicht eine Verdopplung der wissenschaftlichen Aktivitäten in den kommenden 25 Jahren gelingen? Der Platz ist da!

Auch für mehr Studierende?

Bei den Studierendenzahlen hängt sehr viel von den Zuwendungen des Landes ab. Bei dem Haushalt, den wir aktuell und für die kommenden Jahre haben werden, sind mehr Studierende nicht möglich. Für eine Forschungsuniversität unserer Ausstattung wäre eigentlich 16 000 Studierende die richtige Zahl und nicht 20 000, wie aktuell. Statt eines quantitativen wäre vielmehr ein qualitatives Wachstum nötig, um ein besseres Betreuungsverhältnis in der Lehre zu erhalten. Das strebt übrigens auch meine Vorgängerin Sabine Kunst nun als Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität an. Da bin ich mit ihr ganz einig.

Ist die Nähe zu Berlin für die Entwicklung in Potsdam hinderlich?

Nein, im Gegenteil, die Nettobilanz ist positiv. Potsdam profitiert von Berlin, was übrigens auch umgekehrt so ist. Es gibt eine neue Untersuchung zu den sozioökonomischen Effekten der Universität Potsdam (Anm. d. Red.: siehe Kasten). Hier zeigt sich eindeutig, dass die Potsdamer Universität positive Entwicklungen ausgelöst hat, die teilweise auch schon kurz- und mittelfristig direkt dem Land zugutekommen.

Ich treffe einen wesentlich optimistischeren Oliver Günther als vor drei, vier Jahren noch.

Optimistisch war ich damals auch schon. Aber wir mussten erst einmal die Grundproblematik lösen, dass immer mehr Studierende mit immer weniger Geld ausgebildet werden sollten. Diese Abwärtsspirale war 2011/12 noch im Gange. Das war ein ganz fataler Trend, der gestoppt werden musste. Was nun durch die kleinen zugesagten Aufwüchse bei den Landesgeldern und die Deckelung der Studierendenzahlen bei 20 000 geschehen ist. Letztlich konnten wir der Politik auch zeigen, dass Hochschulen entscheidend für das langfristige Wachstum des Landes sind. Sie sind jeden investierten Euro dreifach Wert.

Alles gut also?

Nein, nicht wirklich. Es fließt immer noch zu wenig Geld in die Hochschulen und es gibt in der Landesregierung zu wenig Bereitschaft, über die verschiedenen Landesressorts hinweg Mittel umzuschichten. Aber die grundsätzliche Richtung stimmt heute. Und für die weitere Entwicklung wird das Golmer Projekt ein sehr wichtiger Baustein sein.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

ZUR PERSON: Oliver Günther (54) ist seit 2012 Präsident der Universität Potsdam. Der Wirtschaftsinformatiker war zuvor Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Uni Berlin.

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