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Kinderkrankheiten. Als Phoenix-Moderator Alfred Schier 1998 den damaligen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder (links) interviewte, war die Aufschrift auf dem Mikrofon nur richtig zu lesen, wenn der Gesprächspartner rechts stand.

© Phoenix

20 Jahre Ereignis- und Dokumentationskanal: Wie muss sich Phoenix weiterentwickeln?

Bietet Phoenix wirklich das ganze Bild oder braucht es ein deutsches CNN? Zum 20-jährigen Bestehen muss sich das Gemeinschaftsprogramm von ARD und ZDF diesen Fragen stellen.

Im vergangenen Jahr berichtete Phoenix 301 Stunden aus dem Deutschen Bundestag, davon 281 live. Mit ähnlichem großen Aufwand widmete sich das Gemeinschaftsprogramm von ARD und ZDF im vergangenen Jahr der US-Wahl und den Folgen (227 Stunden) sowie dem Thema Flüchtlinge (224 Stunden). Man kann also sagen, dass der Ereignis- und Dokumentationskanal damit dem Auftrag, der ihm bei seiner Gründung vor zwanzig Jahren mit auf den Weg gegeben wurde, durchaus gerecht geworden ist.

Fritz Pleitgen hatte zu seiner Zeit als US-Korrespondent der ARD das amerikanische Parlamentsfernsehen zu schätzen gelernt und 1995 in seiner neuen Funktion als WDR-Intendant die Errichtung eines solchen Parlamentskanals angeregt – der seiner Ansicht nach nicht nur auf Deutschland beschränkt sein, sondern als europäischer Parlaments- und Ereigniskanal arbeiten sollte. So weit wollten ARD und ZDF bei dem am 7. April 1997 gestarteten Ereignis- und Dokumentationskanal – eigener Claim: „Das ganze Bild“ – dann allerdings nicht gehen.

Der 9-Cent-Sender

„Phoenix überträgt direkt oder zeitversetzt Ereignisse und Veranstaltungen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, ergänzt um Dokumentationen, Reportagen, Features und Gesprächssendungen“, so beschreibt der Sender mit Hauptsitz in Bonn selbst sein Aufgabenspektrum. Seit sechs Jahren liegt der Marktanteil stabil bei 1,1 Prozent und durchschnittlich bei 4,3 Millionen Zuschauern täglich. Der Jahresetat des Senders umfasst 34 Millionen Euro, das sind 0,5 Prozent des monatlichen Rundfunkbeitrags oder umgerechnet neun Cent.

Heute, zwanzig Jahre nach der Gründung, steht der Sender mit seinen rund 100 festen und noch einmal so vielen freien Mitarbeitern wieder einmal vor grundlegenden Fragen: Muss der Programmauftrag angesichts der ständigen Nachrichten-Großlagen mit Terror, Kriegen, Migration und anderen politischen Beben nicht ausgeweitet werden? Braucht es ein deutsches CNN?

Frank Überall, Chef der Journalistengewerkschaft DJV, stellt über den Jubiläumstag hinaus die Frage, wie es mit Phoenix weitergehen soll. „Ich kann der Idee eines deutschen CNN durchaus etwas abgewinnen. Das funktioniert aber nur mit einem klaren Konzept, mit sehr viel mehr Geld und mit zusätzlichem Personal. Aber das muss politisch gewollt sein“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes dem Tagesspiegel.

Zu den vehementen Befürworten der Idee eines deutschen CNN gehört seit Langem Ulrich Deppendorf, der mittlerweile pensionierte Leiter des ARD- Hauptstadtstudios. „Gerade in einer komplexen Welt wie der heutigen ist die Information nicht nur das größte Gut, sondern auch eine zentrale Zukunfts- und Überlebensfrage für den Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland“, sagte er. „Wenn das ZDF bei Phoenix nicht mitmacht, dann muss die ARD es bei tagesschau24 alleine machen“, hatte Deppendorf seine Forderung im vergangenen Juli nach dem Putsch in der Türkei im Gespräch mit dem Tagesspiegel unterstrichen.

Umfassend mit Hintergründen beschäftigen

„Es braucht nicht noch einen CNN, der vor allem nur Breaking News berichtet und sich dann schnell wieder auf das nächste Thema stürzt. Dazu haben wir die entsprechenden aktuellen Rundfunk- und Online-Nachrichtenformate von ARD und ZDF“, sagt dagegen Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Grünen dem Tagesspiegel. Dies gelte umso mehr, als dass sich die Deutsche Welle derzeit neu aufstelle, die in dieser Hinsicht sicherlich auch mehr leisten könnte. „Es braucht im Gegenteil einen Sender wie Phoenix, der sich umfassend mit den Hintergründen beschäftigt – dazu gehört ein tiefergehender Blick auf gesellschaftlich relevante Brennpunktthemen, wie etwa den zunehmenden Terror, soziale Ungleichheit und Armut.“

Und was meint Phoenix selbst zu den Umbau-Ideen? „Das ist für uns kein Thema“, sagte Programmgeschäftsführer Michael Hirz. Der Programmauftrag schließe eine Ausrichtung als reiner Nachrichtenkanal aus. „Wir zeigen ein Ereignis nicht nur, sondern erklären es und ordnen es in Dokumentationen und Diskussionsrunden ein, liefern also deutlich mehr Hintergründe, als es ein reiner Nachrichtensender kann.“ Seine Kollegin Michaela Kolster ergänzt: „Unser Programmauftrag ist klar definiert und aktueller denn je. Durch ungefilterte Live-Übertragungen, die im Idealfall um Analysen sowie vertiefende Gesprächssendungen und Dokumentationen ergänzt werden, ermöglichen wir es dem Zuschauer, sich ein eigenes Urteil zu bilden.“ Die Programmschwerpunkte ergeben sich damit im Superwahljahr 2017 mit der Frankreichwahl, Landtagswahlen und nicht zuletzt der Bundestagswahl im Herbst beinahe von selbst.

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