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140 Jahre Geoforschung in Potsdam: Wie in Potsdam die Welt vermessen wird

Die Landeshauptstadt ist die Wiege der deutschen Geowissenschaften. Erstmals wird ihre Geschichte in einer Ausstellung gezeigt.

Von einem kaiserlich-preußischen Institut zum modernen Deutschen Geoforschungszentrum GFZ auf dem Potsdamer Telegrafenberg: Die Geschichte der Vermessung der Welt beleuchtet eine Sonderausstellung in Potsdam. Sie ist seit Donnerstag zu sehen.

Erinnert wird an die Entwicklung der Geodäsie, der Wissenschaft von der Vermessung der Welt, von den Anfängen in Potsdam vor fast 140 Jahren bis zu den gegenwärtigen Forschungen am Deutschen Geoforschungszentrum, das seit mittlerweile 25 Jahren besteht. Etwa 120 Objekte, viele davon noch nie öffentlich gezeigt, illustrieren die Entwicklung.

Die Ausstellung wolle ein Bogen geschlagen von der Vergangenheit mit den ersten Erkenntnissen zu Größe und Gestalt der Erde bis zu den heutigen modernen Erkundungen, sagte Kurator Johannes Leicht. Wichtige Erkenntnisse seien in Potsdam formuliert worden, sodass der Planet nicht wie eine Kugel aussehe, sondern von der Form her an eine Kartoffel erinnere.

Porträts und Büsten zeigen unter anderem Forscher, die der Geodäsie zu bahnbrechenden Erkenntnissen verhalfen. So setzte sich bereits Alexander von Humboldt (1769-1859) für die Erforschung des Weltalls ein. Teilweise noch heute übliche mathematische Verfahren für Vermessungen entwickelte Carl Friedrich Gauß (1777-1855).

Für die Ausstellung öffnete die historische Sammlung des Geoforschungszentrums ihre Tore. Zu sehen ist unter anderem ein sogenannter Universaltheodolit, mit dem Mitte des 19. Jahrhundert Horizontal- und Vertikalwinkel zur Vermessung der Landschaft bestimmt wurden. Mit speziellen Pendelapparaten wurde die Erdanziehung bestimmt. In Vitrinen liegen Vergleichsmessstäbe, mit denen beispielsweise ein Metermaß geeicht werden konnte.

Erstmals vor 60 Jahren gelang es der Wissenschaft, die Erde mit dem russischen Satelliten „Sputnik“ von außen zu betrachten. In der Schau gibt ein im Durchmesser etwa zwei Meter großes Modell die Dimensionen vor: ein Millimeter darauf entspricht 6,5 Kilometern. Deutlich wird auch, dass die Erde keine ebene Kugel, sondern ein Gebilde mit vielen Beulen und abgeflachten Polen ist. Heute erforschen Satelliten und Gravimeter den Planeten. Er ist es auch, der in der Ausstellung visuell zunächst am meisten auffällt: In der Mitte des Raums schwebt hell erleuchtet ein mit Luft gefüllter Erdball. Er bildet den zentralen Punkt der Ausstellung – optisch und inhaltlich. Auf dunkelgrauem Grund reihen sich dann über zwei Stockwerke die Exponate. „Es ist auch die Weltgeschichte, die aus Potsdam mitgeschrieben wurde“, sagt Kurator Leicht. Was sich hinter Theodoliten, einem Barographen oder einer Fadenwaage verbirgt, erklärt ein kleines Begleitbuch zur Ausstellung, das kostenlos im Museum erhältlich ist. Doch der Kurator bietet auch selbt Führungen an – und entführt auf charmante Art in eine andere Welt. Er erklärt mit einfachen Worten die schwierige Materie, greift sich ein Detail aus dem großen Ganzen heraus und nimmt die Besucher mit auf die Spuren der Vermessung der Welt.

„Dass die Besucher eine Hilfestellung beim Verstehen brauchen werden, war uns von Anfang an klar“, sagt Leicht. Deshalb habe sich das Team viele Gedanken über die Wissensvermittlung gemacht. Neben den Führungen, bei denen die Geschichten hinter den Exponaten erzählt werden, sind an einigen Trennwänden rote Ecken gekennzeichnet, an denen kleine Hefte angebracht sind. Die Besucher können darin Details nachlesen und in ein bestimmtes Thema noch tiefer eintauchen.

Zudem ist ein sogenanntes Science Board extra für die Ausstellung entwickelt worden. Die Idee zu diesem interaktiven Bildschirm hatte Ariane Kujau vom Geoforschungszentrum. „Ich wollte die Inhalte der Ausstellung – etwa wie ein Erdbeben entsteht oder wo sich auf der Erde seismologische Punkte befinden – sichtbar machen“, erklärt sie. Auf dem Bildschirm ist eine sich drehende Erde zu sehen, die durch Berührung größer wird, die Richtung ändert oder Standorte von Erdbeben zeigt. Nach der Ausstellung wird das Board im Geoforschungszentrum (GFZ) einen festen Platz finden.

Mitarbeiter des Geoforschungszentrums werden zudem bei Führungen etwa mit Knete und Wasser erklären, wie es zu einem Vulkanausbruch kommen kann oder mit buntem Sand darstellen, wie sich Sedimentschichten unter dem Einfluss von Kraft verändern können. Auch eine Rallye für Kinder mit einem Wissensquiz ist fester Bestandteil.

Zur Ausstellungseröffnung am gestrigen Donnerstagabend wurde ein prominenter Gast erwartet, der selbst einige Exponate als Leihgabe zur Verfügung gestellt hatte: Sigmund Jähn. Der erste Deutsche im Weltall hat dem Geoforschungszentrum seinen Doktorhut für die Ausstellung überlassen. Jähn hatte während seines Aufenthalts im Weltraum zahlreiche Experimente zur Erdfernerkundung durchgeführt. Über die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte wird in der Ausstellung ein Bogen bis ins 21. Jahrhundert geschlagen – und darüber hinaus.

Die Ausstellung ist bis 9. Juli im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, zu sehen. Der Eintritt kostet fünf Euro, freitags vier Euro. Zur Ausstellung ist das Buch „Fokus: Erde“ mit Texten von Mitarbeitern des Geoforschungszentrums erschienen.

Josephin Hartwig, Gudrun Janicke

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