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Finanzkrise: Forschen nach der Qimonda-Insolvenz

Die Pleite des Chip-Herstellers bedroht Wissenschaft und Forschung in Dresden. Die Technische Universität und etliche Institut sind eng mit Qimonda verwoben.

Gut 3000 Arbeitsplätze sind durch die Insolvenz des Speicherchip-Herstellers Qimonda in Dresden bedroht. Für sie gibt es jetzt einen Hoffnungsschimmer: Die sächsische Landesregierung sei offen für eine Beteiligung von über einem Viertel an Qimonda, hieß es gestern nach einer Sondersitzung des sächsischen Landtags. Doch von der Insolvenz betroffen sind auch die Technische Universität Dresden und außeruniversitäre Institute, die in den vergangenen Jahren enge Kooperationen mit Qimonda geschlossen hatten.

Aufgebaut wurde eine in Europa einmalige Landschaft von Einrichtungen zur Forschung und Entwicklung in der Nanoelektronik. Das Center Nanoelektronische Technologien (CNT) der Fraunhofer-Gesellschaft eröffnete im Mai 2005 – als gemeinsames Institut mit Qimonda und dem zweiten großen Dresdner Chiphersteller AMD. Am CNT wird die „3-D-Atomic-Probe“ entwickelt, ein Mikroskop, mit dem man etwa einen wenige Atome großen Schalter in einem Mikrochip orten kann, um zu überprüfen, ob er richtig positioniert ist. Im Oktober 2007 nahm das Nanoelectronic Materials Laboratory (Namlab) die Arbeit auf, eine gemeinnützige GmbH, die von der Technischen Universität Dresden und Qimonda als Joint Venture gegründet wurde. Das Namlab leistet Grundlagenforschung zur Materialentwicklung für immer kleinere Strukturen in der Chipherstellung.

Im September vergangenen Jahres gewannen die Mikroelektronik-Experten in Dresden und Umgebung dann einen von fünf „Spitzen-Clustern“, die das Bundesministerium mit 200 Millionen Euro für fünf Jahre fördert. „Cool Silicon“ heißt der Forschungsverbund unter der Federführung der TU Dresden, in dem es um die Energieeffizienz der Datenverarbeitung, -speicherung und -übertragung geht. Im Dezember schließlich soll in Dresden das neue Fraunhofer-Institut „All Silicon System Integration Dresden“ eröffnen – geplant war eine enge Kooperation auch mit Qimonda. Finanziert wird das Projekt mit 49 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) und Mitteln des Bundes und des Freistaats Sachsen. Erforscht werden soll die Weiterentwicklung von Halbleiterprodukten zu neuen dreidimensionalen Strukturen, eine Schlüsseltechnologie in der Mikroelektronik.

Zu den finanziellen Verlusten durch die Qimonda-Insolvenz will sich Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) kaum äußern. Nur ein Beispiel gibt sie preis: Beim Namlab müsse das Land in diesem Jahr eine Million Euro für Betriebs- und Personalkosten zuschießen, 2010 zwei Millionen Euro. Den Umfang der bereits weggebrochenen Qimonda-Investitionen könne sie wegen der engen öffentlich-privaten Verflechtung in den Einrichtungen nicht beziffern, ebenso wenig wie die Arbeitsplätze, die in der Wissenschaft bedroht sind. Doch für alle gelte: „Was aufgebaut wurde, werden wir sichern.“ Auch das neue Fraunhofer-Institut werde realisiert.

Stange hofft, dass ein neuer Investor in die Forschungskooperationen von Qimonda einsteigt. Die Bereitschaft des Landes, sich an dem Unternehmen zu beteiligen, sollte bei der Investorensuche helfen. Und als Partner gebe es ja auch AMD, sagt Stange. Allerdings stand auch dieser Chiphersteller vor der Pleite, rettete sich jetzt aber in ein Joint Venture mit einem Investment-Fond aus Abu Dhabi. Auf das neue Unternehmen setzt auch CNT- Chef Peter Kücher. Noch sei Dresden der einzige Standort für den AMD-Nachfolger Globalfoundries. Dessen Wohl und Wehe entscheide sich mit den Innovationen an der Elbe. Deshalb rechne er damit, dass Globalfoundries stark an der Forschung und Entwicklung am CNT und in den anderen Instituten interessiert ist und „einen Teil der Kosten abdeckt“.

Wie viel Qimonda aber steckt im CNT? „Rechtlich nichts, arbeitstechnisch 50 Prozent“, sagt Kücher. Räumlich ist es weit mehr: Das Forschungsinstitut nutzt ein 800 Quadratmeter großes Reinraumlabor auf dem Betriebsgelände des Chip-Herstellers. Sollte der Standort geschlossen werden, müsste CNT umziehen. Aber auch finanziell war Qimonda der stärkste private Partner des Fraunhofer-Instituts. Für die ersten fünf Jahre seit 2005 sollte CNT von Bund und Land sowie von Partnern aus der Industrie je 85 Millionen Euro Förderung bekommen. Ebenso wichtig sei aber der unmittelbare Kontakt zur Fertigung der Chips, sagt Kücher. „Wenn es keine Anwendung mehr gibt, können wir dieses Segment der Forschung nicht mehr betreiben wie bisher.“

Am engsten mit Qimonda verwoben ist das Namlab. Die TU Dresden wolle das Labor zunächst in eigener Regie weiterbetreiben – mit den zugesagten Landeshilfen, sagt TU-Kanzler Wolf-Eckhard Wormser. Den drei von insgesamt vier wissenschaftlichen Direktoren und Forschern, die von Qimonda bezahlt wurden, mache die Uni jetzt Angebote – „allerdings nicht zu Industriegehältern“.

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