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Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

© Foto. Mike Wolff

Wirtschaftsminister Altmaier über Tesla: „Wenn das Werk nicht kommt, wäre es ein Schaden für ganz Deutschland“

Dass Tesla nach Brandenburg kommen will, empfindet Altmaier als Kompliment an Deutschland. Für Start-Ups verspricht er einen Milliarden-Fonds. Ein Interview.

Peter Altmaier, 61, gilt als einer der wichtigsten politischen Verbündeten von Kanzlerin Angela Merkel. In ihrer Zeit als Regierungschefin arbeitete der CDU-Politiker zunächst als parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, dann als Umweltminister sowie Chef des Bundeskanzleramtes. Kurzzeitig half er auch als Finanzminister aus. Im aktuellen Kabinett dient Altmaier der Kanzlerin als Wirtschaftsminister.

Herr Altmaier, wir wollen mit Ihnen über die Zukunft reden. Vor den Toren Berlins deutet sich eine Investition mit globaler Strahlkraft an: ein neues Tesla-Werk mit Tausenden Arbeitsplätzen. Glauben Sie daran, das Tesla seine E-Auto-Produktion wie geplant 2021 aufnehmen kann?
Ja, ich glaube daran, dass dieses Werk kommt. Ich habe Elon Musk auch ausdrücklich ermuntert, diese Investition in Deutschland zu tätigen. Bei Tesla hat man verstanden: Wer Autos in Deutschland bauen und verkaufen kann, der kann sie überall auf der Welt bauen und verkaufen. Das ist ein großes Kompliment für unseren Standort. Ich möchte, dass wir im Bereich der E-Mobilität genauso gut und noch besser werden, wie zuvor bei den klassischen Antriebstechnologien. Deshalb ist es wichtig, dass die Unternehmen, die wir heute schon haben, diesen Übergang zügig schaffen. Aber selbstverständlich freuen wir uns auch, wenn ausländische Unternehmen hier in großem Stil investieren.

Haben Sie Elon Musk persönlich getroffen?
Zum ersten Mal habe ich ihn 2014 getroffen, als ich Kanzleramtsminister war. Er hat damals vorausgesagt, dass in der nahen Zukunft alles mit Batterien funktionieren würde, sogar Flugzeuge, nur nicht Raketen. Damals wurde noch darüber gelächelt. Heute arbeiten wir bereits an hybridelektrischen Flugzeugen, die in einigen Jahren mit Batterien und synthetischen Kraftstoffen klimaneutral fliegen können. Elon Musk hat mit seinen Ideen viele Innovationen auch außerhalb seiner Unternehmen in Gang gebracht. Das ist eine großartige Leistung, und dafür verdient er große Anerkennung.

Wenn das Werk an den langwierigen deutschen Genehmigungsverfahren scheitert, wäre es ein Debakel und ein gewaltiger Imageschaden.
Leuten wie Elon Musk wird überall in Europa ein roter Teppich ausgelegt. Deshalb ist die Entscheidung für Brandenburg und Deutschland ein großer Erfolg. Daher will auch Brandenburg, dass dieses Werk schnell realisiert wird. Wenn wir als Ministerium um Hilfe gebeten werden, helfen wir dabei gern. Wenn das Werk nicht kommt, wäre es ein Schaden für ganz Deutschland.

Die Deutschen hadern oft mit ihren Unternehmern – als Stars sehen sie Gründer wie Musk schon gar nicht. Das hilft nicht dabei, mehr Nachahmer zu finden.
Das hängt auch damit zusammen, dass manche in Deutschland meinen, sich für wirtschaftlichen Erfolg entschuldigen zu müssen. Das wird in den USA ganz anders gesehen. Dort ist wirtschaftlicher Erfolg etwas Positives, denken Sie an Bill Gates oder Elon Musk. Es ist dort selbstverständlich, dass man Milliardär sein und trotzdem gleichzeitig etwas für die Rettung des Klimas erreichen kann. Elon Musk hat sich schon vor vielen Jahren auf klima- und umweltfreundliche Innovationen verlegt und er hat dennoch ein gesundes Verhältnis zu den schönen Dingen des Lebens sowie auch zum wirtschaftlichen Erfolg.

In einem Waldstück bei Freienbrink östlich von Berlin plant Tesla den Bau seiner Gigafactory.
In einem Waldstück bei Freienbrink östlich von Berlin plant Tesla den Bau seiner Gigafactory.

© dpa/Patrick Pleul/zb

Sie wollen einen Zukunftsfonds zur besseren Finanzierung von deutschen Start-ups. Was genau haben Sie vor?
Es fehlt oftmals an Geld in der dritten und vierten Wachstumsphase, wenn es also darum geht, von Investoren mehr als 50 Millionen auf einen Schlag einzusammeln. Oftmals finden Gründer dieses Geld dann in den USA. Wir wollen ihnen auch bei uns in Deutschland solche Wachstumsmöglichkeiten geben. Deshalb planen wir einen Fonds, wo öffentliches und privates Geld gemeinsam zur Verfügung steht.

Auch um Übernahmen zu verhindern?
Wir erleben, dass deutsche Unternehmen zum Beispiel sehr oft mit Start-ups in Israel zusammenarbeiten. Dass diese Start-ups dann aber von amerikanischen Investoren aufgekauft werden, wenn sie einen bestimmten Wert erreicht haben. Ich bin aber optimistisch, dass wir mehr Wertschöpfung bei uns im Land erreichen können. Denken Sie an das Beispiel der Batteriezellenproduktion. Da ist jahrelang nichts passiert. Innerhalb eines Jahres haben sich über 40 Unternehmen bereit erklärt, hier zu investieren.

Um welche Summen geht es beim Zukunftsfonds?
Das Entscheidende sind weniger die absoluten Zahlen, sondern die Höhe der Projektförderung. Ich bin Ralph Brinkhaus sehr dankbar, dass er in den Koalitionsgesprächen durchgesetzt hat, dass es einen Zukunftsfonds in der Größenordnung von bis zu zehn Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren geben wird. Dieser Fonds wird mit Sicherheit wachsen, weil im Laufe der Zeit die Anleger Vertrauen gewinnen werden. Es gibt ja nicht zu wenig Geld in Deutschland, wir müssen nur erreichen, dass die Unternehmen, die in Risikokapital investieren, es nicht nur in den USA und in China tun, sondern auch im eigenen Land.

Ein Zukunftsthema, wo viel investiert wird, ist die künstliche Intelligenz. Wo nutzen Sie ganz persönlich die KI?
Ich habe gute Erfahrungen gemacht mit einer Übersetzungs-App eines deutschen Start-ups. KI ist weder gut noch böse. Sie kann dazu führen, dass wir Ressourcen schonen und dass wir den Energieverbrauch senken. Sie kann dazu führen, dass Menschen bei der Behandlung ihrer Krankheiten besser geholfen werden kann. Selbstverständlich muss man dabei stets sicherstellen, dass die Menschenwürde respektiert wird, dass Grundrechte nicht verletzt werden. Wo wir Nachholbedarf haben, ist, unsere großartigen Forschungsergebnisse stärker wirtschaftlich zu verwerten. Das geschieht leider häufig dann durch amerikanische und chinesische Unternehmen.

Sie sagen, wir müssen die PS auf die Straße bringen. Auf welche Straße?
Beispielsweise bei der Entwicklung des autonomen Fahrens. In großen Industrieländern arbeiten Unternehmen daran, dass die Automobile der Zukunft auch ohne Fahrer ihr Ziel sicher finden können. Das wird dazu führen, dass Unfallzahlen gesenkt und Leben bewahrt werden können. Das wird auch dazu führen, dass weniger Treibstoff verbraucht wird und es weniger Staus und Beeinträchtigungen gibt. Ich glaube, dass es für den Standort von entscheidender Bedeutung ist, ob das erste praxistaugliche Modell für autonomes Fahren in den USA, in China oder in Deutschland auf den Markt kommt.

Für das autonome Fahren braucht man das 5G-Netz. Es gibt Bestrebungen, den hier führenden chinesischen Huawei-Konzern auszuschließen, was uns aber bei 5G zurückwerfen könnte.
Wir sollten uns nicht gegen einzelne Unternehmen richten, sondern darauf bestehen, dass alles, was in Deutschland an elektronischen und hochtechnologischen Bauteilen verbaut wird, höchsten Sicherheitsanforderungen genügt. Wer diese nicht erfüllt, ist draußen. Wir müssen die Daten unserer Bürgerinnen und Bürger gegen Missbräuche von außerhalb schützen. Im Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, Leitmarkt beim Ausbau von 5G zu werden. Das ist von einer grundlegenden Bedeutung für die Zukunft unserer Volkswirtschaft, weil in Ländern wie Japan, USA, Korea und China längst mit dem Ausbau von 5G begonnen worden ist.

Ein Techniker klettert an einem Funkmast neben Mobilfunkantennen für den Mobilfunkstandard 5G.
Ein Techniker klettert an einem Funkmast neben Mobilfunkantennen für den Mobilfunkstandard 5G.

© dpa/Stefan Sauer/zb

Wenn man die Dynamik in China und den USA, den Gründergeist, die Finanzkraft sieht, ist Deutschland zu zögerlich, zu bürokratisch und langsam.
Klar müssen wir sehen, wo sind unsere Unternehmen stärker durch Bürokratie und durch Steuern und andere Vorgaben belastet als beispielsweise in den USA. Zweitens müssen wir auch darüber nachdenken, wo wir Mentalitäten verändern müssen, wo wir im Bildungssystem Weichen stellen. Als die Dampfschiffwerften entstanden und die Werften für Segelschiffe verschwanden, gingen die Arbeitnehmer von der einen Werft zur anderen, die oftmals nur ein paar Kilometer entfernt war. Die Wertschöpfung blieb an Ort und Stelle.

Jetzt erleben wir, dass im Zuge der Digitalisierung mehr Arbeitsplätze neu entstehen, als alte wegfallen. Aber es gibt keine Garantie, dass sie dort entstehen, wo die Alten wegfallen. Denn diese Disruption ist auch geografisch disruptiv. Wir haben in den sechziger und siebziger Jahren erlebt, dass große Teile der Unterhaltungselektronik aus Europa nach Asien weggegangen sind. Wir haben erlebt, dass im Bereich der Internetplattformen die Dynamik der Entwicklung in den 80er und 90er Jahren völlig unterschätzt wurde. Das war einer der Gründe, warum ich im Februar eine Industriestrategie präsentiert habe, die uns helfen soll, die vitalen Interessen des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu wahren, und das Projekt Gaia-X auf den Weg gebracht habe. Dazu braucht Deutschland aber mehr Fachkräfte.

Montag gibt es einen Gipfel hierzu bei der Kanzlerin. Wo wirbt der Wirtschaftsminister um Fachkräfte?
Ich war allein in diesem Jahr in Vietnam, in Ägypten, im Silicon Valley, zweimal in China, mehrfach in Russland, auf dem Balkan und in vielen anderen Ländern. Seit über einem Jahr spielt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in all meinen Gesprächen eine entscheidende Rolle, es wird allerdings erst am 1. März in Kraft treten. Dann ist es möglich, auf der Grundlage dieses Gesetzes bezahlte Arbeit in Deutschland anzunehmen. Dazu wird es notwendig sein, dass wir die Visaverfahren, das Anerkennen von Berufsschulabschlüssen viel schneller als bisher durchführen. Es geht auch darum, unser hohes Niveau an sozialer Sicherheit zu erhalten.

Aktuell funktionieren unsere sozialen Sicherungssysteme gut, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den vergangenen Jahren um mehrere Millionen gestiegen ist. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Dafür brauchen wir angesichts der demografischen Entwicklung aber den Zuzug von Fachkräften. Deutschland hat ein Interesse daran, im Wettbewerb um die fähigsten Köpfe, um die fleißigsten Handwerker, um die besten Arbeitnehmer vorne mit dabei zu sein. Für mich ist dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine epochale Entscheidung.

Was soll der Gipfel bringen?
Ich erwarte mir, dass die Wirtschaft ihre Interessen klar formuliert, was den Bedarf an Fachkräften angeht. Und wir müssen für personelle Verstärkungen an den deutschen Botschaften und Konsulaten sorgen, um für Fachkräfte zu werben. Ich würde mir wünschen, dass die Außenhandelskammern im Ausland eine entscheidende Rolle spielen. Dass die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen, in jedem Land, aus dem Menschen kommen werden, besteht, damit die Menschen bereits mit Sprachkenntnissen nach Deutschland kommen, was ihre Integration natürlich wesentlich erleichtert.

Welche Länder haben Sie besonders im Blick?
Wir werden Pilotprojekte mit einigen Ländern starten, hierunter sind Brasilien, Indien und Vietnam. Mit Vietnam haben wir bereits Erfahrungen und viele Vietnamesen sprechen Deutsch und viele junge Vietnamesen sind sehr interessiert an Deutschland. Wir müssen uns um die Länder kümmern, wo es sehr viele junge Menschen gibt, wo die Ausbildung, der Ausbildungsstand sehr hoch ist und wo die Bereitschaft und das Interesse an einer Berufstätigkeit in Deutschland vorhanden sind. Das ist nicht überall in gleicher Weise der Fall. Es ist für jeden nachvollziehbar, dass wir jetzt nicht in 200 Ländern dieser Welt überall von heute auf morgen Strukturen aus dem Boden stampfen können, die wir brauchen.

Zukunft ist das Thema dieses Interviews – eine Frage zum Abschluss: Hat die SPD in dieser Form noch eine Zukunft?
Das hängt maßgeblich von der SPD selbst ab. Sie hat großen Anteil an vielen positiven Entwicklungen im Land. Deshalb würde ich es bedauern und schade finden, wenn sich die SPD weiter in internen Streitigkeiten oder esoterischen Politikauffassungen erschöpfen würde. Ein Problem besteht auch darin, dass sich die SPD immer wieder von ihren eigenen Erfolgen distanziert hat. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die neue SPD-Führung sich nicht vorschnell und voreilig auf bestimmte Dinge festgelegt hat. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass die industriepolitischen Vorschläge, die ich im Frühjahr gemacht habe, auch aufseiten der Sozialdemokraten durchaus Unterstützer finden.

CDU, CSU, SPD haben eine gemeinsame Verantwortung, dass die große Koalition hält und wir weiter unser Land voranbringen. Und das tun wir dann, wenn wir uns bei konkreten Projekten einigen. Deshalb halte ich nichts von Nachverhandlungen. Deshalb halte ich nichts davon, ständig neue Koalitionsfragen zu formulieren. Und genau das ist ja auf dem SPD-Parteitag nicht geschehen. Das gibt mir Anlass zur Hoffnung.

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