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Putin fordert künftig Rubel für sein Erdgas. Euro könnten aber auch in Ordnung sein.

© Mikhail KLIMENTYEV / SPUTNIK / AFP

Update

Rätsel um Bezahlung der Gaslieferungen: Putin unterzeichnet Gas-für-Rubel-Dekret – Kanzler lehnt Änderungen ab

Lieferstoppgefahr oder Bluff? Putin sorgt mit seinem Rubel-Dekret für Sorgen im Westen. Interessant ist Punkt 6. Kanzler Scholz sagt: Alles bleibt wie es ist.

Kremlchef Wladimir Putin hat mit Wirkung zum 1. April angeordnet, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprom-Bank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für die „unfreundlichen“ Länder eingestellt, sagte Putin am Donnerstag im russischen Staatsfernsehen.

Laut dem von Putin unterzeichneten Dekret können die Zahlungen der Gasunternehmen aus den betreffenden Staaten weiter in Euro oder Dollar auf das russische Konto eingezahlt werden. Die Gazprombank konvertiert das Geld in Rubel und überweist den Betrag in der russischen Währung an Gazprom. Bei einem Ausbleiben der Zahlungen würden die Lieferungen eingestellt, sagte Putin.

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Der russische Präsident hatte in einem von ihm verlangten Telefonat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuvor am Mittwoch mitgeteilt, dass er so ein Gesetz erlassen werde. In dem Gespräch betonte Putin aber, dass sich für die europäischen Vertragspartner nichts ändern werde. Die Zahlungen würden weiterhin ausschließlich in Euro ergehen und wie üblich an die Gazprom-Bank überwiesen, die ja nicht von den westlichen Sanktionen betroffen sei. Die Bank konvertiere dann das Geld in Rubel. 

Scholz habe diesem Verfahren in dem Gespräch aber ausdrücklich nicht zugestimmt, sondern um schriftliche Informationen gebeten, um das Verfahren genauer zu verstehen.

Der Kanzler gab sich betont gelassen nach Erlass von Putins Rubel-Dekret: "Die Zahlung russischer Gaslieferungen findet entsprechend der bestehenden Verträge in Euro und Dollar statt. Das ist so, das wird auch so bleiben, und das habe ich gestern in meinem Gespräch mit Präsident Putin auch deutlich gemacht."

Der Punkt 6 des Putin-Dekrets

In der Bundesregierung gibt es nun zwei Lesarten:

a) Es geht um eine gesichtswahrende Aktion für Putin nach innen, er kann behaupten, er habe dem Westen Rubelzahlungen aufgezwungen.

b) Es gibt einen Haken, der noch nicht gesehen wird.  Denn schon jetzt kann die Gazprombank theoretisch Zahlungen in Rubel umwandeln.

Letztlich werden nun die nächsten Tage zeigen, ob sich etwas ändert - und ob der Kreml gegebenfalls mit einem Lieferstopp drohen wird.

Besonders Punkt 6 des Dekrets deutet darauf hin, dass es vor allem um eine symbolische Aktion gehe könnte, schon die Ankündigungen hatten den Rubel-Kurs deutlich gestützt.

Dort heißt es: "Der ausländische Kunde überweist die Mittel auf das Sonderwährungskonto des Typs "K" in der im Erdgaslieferungsvertrag angegebenen Fremdwährung, und die bevollmächtigte Bank verkauft die vom ausländischen Kunden auf dieses Konto erhaltenen Fremdwährungen auf Anweisung des ausländischen Kunden nach dem in den Vorschriften der bevollmächtigten Bank festgelegten Verfahren im organisierten Handel bei der Moscow Exchange - RTS Public Joint Stock Company und schreibt den Erlös in russischen Rubeln auf dem Sonderwährungskonto gut. "

Der Schweizer Militärökonom Marcus Matthias Keupp meinte nach einer Analyse des Dekrets: "Insgesamt scheint es also weniger dramatisch als zunächst dargestellt, ich werte es als Währungsintervention zur Stützung des Rubelkurses."

Vorgabe soll Rubel stabilisieren

Die G7-Staaten hatten eine Rubel-Bezahlung abgelehnt - Putin werde sonst vertragsbrüchig. Offensichtlich versucht der Kreml über einen Umtauschzwang etwa bei der Zentralbank an mehr Devisen zu bekommen - denn deren Reserven im Ausland sind weitgehend eingefroren.

Es ist unklar, in welchem Umfang bisher Zahlungen über russische Partnerbanken im europäischen Ausland laufen und Gazprom womöglich nicht direkten Zugriff auf alle Zahlungen hat.

Jedenfalls müssen bisher die Zahlungen nicht verpflichtend auf ein Gazpromkonto in Russland überwiesen werden.

Bei einem erzwungenen Umtausch in Rubel über die Zentralbank könnte Moskau zur Stabilisierung von Rubel und der Wirtschaft dementsprechend mehr Devisen wieder im Land direkt verfügbar haben.

Aber viele Fachleute rätseln weiter über den genauen Nutzen dieser Maßnahme - oder ob es nur dazu dient, den Westen nervös zu machen und den Gaspreis weiter in die Höhe zu treiben, dieser destabilisiert zunehmend bestimmte Branchen auch in Deutschland.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte: „Klar ist, dass es für uns keine Form von politischer Erpressung geben kann.“

Deutschland und Italien besonders abhängig

Deutschland und Italien zählen in der EU zu Hauptabnehmern des russischen Erdgases. Bei einem Lieferstopp fürchten in Deutschland besonders die Chemie-, Metall- und Glasindustrie den Verlust hunderttausender Arbeitsplätze. Zugleich würden Russland dann die Milliardenzahlungen von Deutschland und anderen EU-Staaten entgehen.

Aber: Es blieb zunächst unklar, ob es eine Ausnahme nur für Deutschland und Italien gibt, die anderen EU-Staaten aber in Rubel zahlen müssen - in dem Fall würde Putin versuchen, einen Keil hineinzutreiben in das westliche Staatenbündnis. Kanzler Scholz stünde vor der Frage, auf wessen Seite er sich schlagen will - und notfalls aus europäischer Solidarität bereit ist, durch eine Ablehnung der Rubel-Bedingungen für andere EU-Staaten einen eigenen Lieferstopp zu riskieren.

Doch die Lektüre des Dekrets deutet darauf hin, dass es für alle die oben aufgeführten gleichen Bedingungen gibt.

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Neues Zahlungssystem noch nicht in Kraft

Putin hatte zuvor Vertreter des Gasriesen Gazprom und der Zentralbank angewiesen, bis zu diesem Donnerstag die Modalitäten zur Umstellung der Zahlungen von Euro und Dollar auf Rubel für Kunden aus „unfreundlichen Staaten“ auszuarbeiten.

Am Mittwoch hatte Putin auch mit Italiens Regierungschef Mario Draghi telefoniert. Putin habe ihm, wie Olaf Scholz, zugesichert, dass die europäischen Firmen die Lieferungen weiter in Euro und Dollar zahlen könnten, betonte Draghi am Donnerstag.

„Was ich verstanden habe, aber ich kann mich auch irren, ist, dass die Umrechnung der Bezahlung (...) eine interne Angelegenheit der Russischen Föderation ist“, fügte Draghi hinzu.

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Zugleich hatte Putin kürzlich gesagt, Russland sei keine Wohltätigkeitsorganisation und gesagt: „Keiner wird Gas umsonst liefern, und bezahlt werden kann es nur in Rubeln.“ Begründet hatte Moskau sein Vorgehen mit einem angeblichen „Wirtschaftskrieg“ des Westens.

Deutschland wappnet sich weiter für den Ernstfall

Die Bundesregierung wappnet sich wegen Putins Verwirrspiel weiter für den Ernstfall eines Lieferstopps – da man Moskau nach den zahlreichen Wortbrüchen nicht mehr traut.

Aus diesem Grund hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas in Kraft gesetzt. „Es gibt aktuell keine Versorgungsengpässe“, betonte er. „Dennoch müssen wir die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein.“ Dafür wurde auch ein Krisenstab eingerichtet.

Der Notfallplan hat drei Krisenstufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Aktuell werden Gasflüsse aus Russland genau beobachtet und ein möglicher Ernstfall vorbereitet.

Unklar ist, wie lange der bisherige Verbrauch mit den nur zu 25 Prozent gefüllten Gasspeichern gesichert werden kann. Einige der größten Speicher sind in Gazprom-Besitz und waren vor Kriegsbeginn offenbar gezielt nicht mehr gefüllt worden.

Habeck appellierte an Bürger und Unternehmen, den Verbrauch zu drosseln, jede Kilowattstunde zähle. Erst in der Notfallstufe greift der Staat in den Gasmarkt ein. Bürger wären besonders geschützt – aber gerade energieintensive Betriebe müssten mit Abschaltungen rechnen.

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