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Vermisst: Die Polizei sucht Schülerin Rebecca Reusch aus Britz.

© Polizei Berlin

Update

Vermisste 15-Jährige in Berlin: Rebecca Reusch hat das Haus nicht lebend verlassen

Nach dem Auftritt des Chefs der Mordkommission bei der Sendung "Aktenzeichen xy... ungelöst" sind 150 neue Hinweise zur vermissten Rebecca eingegangen.

Bei der Suche nach der vermissten Rebecca Reusch aus Berlin-Neukölln ist der Wagen des in Untersuchungshaft sitzenden Schwagers stärker ins Visier der Ermittler gerückt. Am Dienstag veröffentlichten Staatsanwaltschaft und Polizei Fotos vom pinkfarbenen Renault Twingo, vom Beschuldigten und von Rebeccas rosa Kuscheldecke und bitten um Hinweise. Zudem wendete sich der Chef der ermittelnde Mordkommission am späten Mittwochabend in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ an die Öffentlichkeit.

Ausgerechnet am 18. Februar, an jenem Montag, als Rebecca aus dem Haus des Schwagers und ihrer älteren Schwester verschwand, ist der Wagen, der vom Schwager und der Schwester gemeinsam genutzt wird, auf der Autobahn erfasst worden.

Auf der A12 zwischen Berlin Frankfurt (Oder) ist er am Montag um 10.47 Uhr vom automatischen Kennzeichenerfassungssystem (Kesy) der Brandenburger Polizei registriert worden. Am Dienstag dann wurde der Wagen um 22.39 Uhr erneut erfasst. „Nach bisherigem Ermittlungsstand hatte zu diesen Zeiten ausschließlich Rebeccas Schwager Zugriff auf diesen Pkw“, erklärte die Staatsanwaltschaft. In dem Wagen hat die Polizei bereits Haare von Rebecca und Fasern der aus dem Haus des Schwagers verschwundenen Fleecedecke gefunden.

Was die Ermittler wissen wollen

Mit Hilfe der Fotos erhofft sich die Mordkommission Hinweise aus der Bevölkerung zu folgenden Fragen:

● Wer hat das Auto des Tatverdächtigen am Vormittag des 18. Februar 2019 und/oder in den Nachtstunden vom 19. zum 20. Februar gesehen?

● Wer kann Angaben zu Aufenthaltsorten des Tatverdächtigen zu diesen Zeiten machen?

● Wer kennt den Tatverdächtigen und kann Bezugspunkte von ihm benennen, die zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) liegen?

● Wer kann Angaben zum Verbleib der abgebildeten Fleecedecke (1,50 mal 2 Meter) machen, die seit der Tat aus dem Haushalt des Tatverdächtigen fehlt?

Rebecca war am Morgen des 18. Februar spurlos verschwunden. Sie hatte das Wochenende bei ihrer ältesten Schwester und deren Mann in Britz verbracht, am Montagmorgen wollte sie das Haus verlassen und zur Schule gehen – dort kam sie aber nie an. Bisher hatte es geheißen, sie sei auf dem Weg zur Schule verschwunden. Am späten Mittwochabend sagte der Chef der ermittelnden 3. Mordkommission jedoch in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“, die Polizei gehe inzwischen davon aus, dass Rebecca das Haus ihrer Schwester nicht selbstständig verlassen habe. Das ergebe sich aus ihrem Telefonverhalten.

Nach der Sendung gingen 150 neue Hinweise zu dem Fall ein, wie eine Polizeisprecherin am Donnerstagvormittag sagte. Damit erhöht sich die Zahl der Hinweise aus der Bevölkerung im Fall Rebecca auf 550. "Die Mordkommission ist mit der Abarbeitung beschäftigt", sagte die Sprecherin.

Wörtlich sagte der Chef der Mordkommission am Mittwochabend in der ZDF-Sendung: "Wenn wir die allgemeinen Ermittlungen übereinanderlegen, hierbei auch das Telefonverhalten von Rebecca beachten und die Auswertung der Routerdaten aus dem Haus des Schwagers, kommen wir zu dem Schluss, das Rebecca das Haus des Schwagers nicht verlassen haben dürfte. Wenn wir dies voraussetzen, dann war der Schwager mit ihr allein zu fraglichen Tatzeit in diesem Haus."

Rebeccas Schwager war am Montag erneut festgenommen worden. Nachdem ein Richter am Freitag zunächst einen Haftbefehl abgelehnt hatte, war die Staatsanwaltschaft bei einem zweiten Anlauf am Montag erfolgreich. Der 27-jährige Koch sitzt wegen dringenden Tatverdachts des Totschlags in Untersuchungshaft, er schweigt laut Staatsanwaltschaft aber zu den Vorwürfen.

Brandenburgs Polizei kritisiert Berliner Behörden

Das Polizeipräsidium Brandenburg reagierte am Mittwoch entsetzt auf das Vorgehen der Staatsanwaltschaft. Denn im offiziellen Fahndungsaufruf spricht die Staatsanwaltschaft von einer „Verkehrsüberwachungsanlage“, die den Wagen erfasst hatte. Zuvor war an die B.Z. lanciert worden, dass ausdrücklich Kesy zum Einsatz kam.

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Torsten Herbst, Sprecher des Brandenburger Polizeipräsidiums, sagte dem Tagesspiegel: „Wir sind stinksauer, dass die Berliner Behörden Details zu der Anlage und zum Standort einfach ausposaunt haben. Das macht uns die Fahndung nach Autodieben und anderen Straftätern nicht leichter. Niemand muss auch in einem solch dramatischen Fall wie der vermissten Rebecca anderen Straftätern sensible Ermittlungstechnik offenbaren. Jetzt wissen alle zukünftigen Straftäter, wie sie sich verhalten müssen. Sie werden es leichter haben, nicht gefasst zu werden.“

Die Berliner Polizei-Berufsverband „Unabhängige“ kritisierte: „Die Einsatztaktik der Polizei zu veröffentlichen, ist eigentlich der Supergau.“ Der Berliner SPD-Innenexperte Tom Schreiber fragte: „Warum stimmen sich die Berliner Behörden nicht mit ihren Kollegen in Brandenburg ab?“ Die Berliner Staatsanwaltschaft ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.

Brandenburgs Polizei nutzt seit 2010 die automatische Kennzeichenfahndung, inzwischen sind es elf Geräte. Der Einsatz ist im Polizeigesetz geregelt. Genutzt werden darf Kesy zunächst für die sogenannte Gefahrenabwehr. Wenn etwa ein Auto in Kiel gestohlen oder mit einem bestimmten Fahrzeug eine schwere Straftat begangen wurde, schreibt die dortige Polizei den Wagen zur Fahndung aus. Das Kennzeichen wird dann in Brandenburg in Kesy eingespeist. Das System erfasst alle Fahrzeuge, bei einem Treffer schlägt es Alarm. Gibt es keinen Treffer, werden die erfassten Nummern sofort gelöscht.

Urteil des Verfassungsgerichts trifft nicht Brandenburg

Die Daten können aber auch per Richterbeschluss erfasst werden. Ein Richter kann in einem Ermittlungsverfahren wegen schwerer Straftaten für bestimmte Standorte und für eine bestimmte Zeit anordnen, dass die Kennzeichen erfasst werden – etwa um Verdächtige zu finden. Die Polizei kann auch auf die Daten zurückgreifen – jedoch nicht automatisch. Wie im Fall Rebecca kann ein Richter im Ermittlungsverfahren gegen den Schwager anordnen, dass die in einem anderen Verfahren erfassten Daten auf ein bestimmtes Kennzeichen überprüft werden.

Die Geräte erfassen nur die Nummernschilder von hinten, nicht aber wie beim Blitzer die Frontseite und die Fahrer. Im Dezember hatte das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur Kennzeichenerfassung in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg für teilweise verfassungswidrig erklärt. Allerdings hatte Karlsruhe die Möglichkeit zur Kennzeichenerfassung nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern gefordert, dass der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig sein muss.

Das betrifft in den drei Bundesländern etwa die Schleierfahndung oder den Dauerabgleich von Nummernschildern mit Fahndungslisten. Die Gesetze dort dürfen in Kraft bleiben und müsse bis Ende 2019 nachgebessert werden. Auf die in Brandenburg geltenden Vorgaben im Polizeigesetz habe die Entscheidung aus Karlsruhe keine Auswirkungen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Potsdam. Und: "Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der brandenburgischen Regelung bestehen nicht."

- Hinweise nimmt die 3. Mordkommission beim Landeskriminalamt, Keithstraße 30 in 10787 Berlin unter folgender Rufnummer (030) 4664-911333 oder per E-Mail (lka113-hinweis@polizei.berlin.de) oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

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