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Die Bundespolizei im Einsatz.

© Sebastian Gabsch PNN

Update

Unerlaubte Grenzübertritte in Brandenburg: Aus Belarus nach Deutschland – Polizei greift mehr Flüchtlinge aus Krisenländern auf

Belarus-Autokrat Lukaschenko schickt Flüchtlinge aus Irak, Iran, Syrien und Jemen gezielt in die EU. Auch in Deutschland werden nun mehr Migranten registriert.

Trotz scharfer Maßnahmen der polnischen Regierung, Flüchtlinge an der Grenze zu Belarus an der Einreise in die Europäische Union zu hindern, registrieren deutsche Behörden eine steigende Zahl illegaler Grenzübertritte.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sprach jüngst von einer „ungefähren Versechsfachung der Zahl der Migranten, die über die Landgrenze nach Brandenburg kommen“. Im August seien es 400 Menschen gewesen.

Die Bundespolizeidirektion Berlin registrierte im August 225 Fälle und im September 1305 illegal Eingereiste. Die Menschen stammten vorrangig aus dem Irak, Syrien, dem Iran und Jemen. Seit Jahresbeginn bis Ende September seien insgesamt 1556 unerlaubt eingereiste Personen festgestellt worden, die über Belarus beziehungsweise aus Litauen oder Polen eingereist seien.

Die Bundespolizei verzeichnete allein von Freitag bis Sonntag 251 Männer, Frauen sowie Kinder, die über Belarus kamen. „Das ist ein neuer Wochenendhöchstwert“, hieß es. In der vergangenen Woche stoppten Beamte rund um Frankfurt (Oder) mehrere Schleuser.

Bis zu 40 Menschen aus dem Iran, dem Irak und Syrien, darunter Frauen, auch Schwangere, und Kinder waren ungesichert in Kleintransportern. Zwei mutmaßliche Schleuser aus der Ukraine und aus Belarus kamen in Untersuchungshaft.

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Die Bundespolizei erklärte, dass sie auch ihre Reiterstaffel im brandenburgischen Grenzabschnitt zu Polen einsetzt, um illegal eingereiste Personen zu finden. Dies sei für Fahndungsmaßnahmen entlang der Grenze eine „effiziente Ergänzung“ zu klassischen Steifen mit Einsatzwagen.

Die Beamten auf den Dienstpferden der Bundespolizei hätten einen deutlich besseren „Überblick im Gelände“, die Staffel könne auch „in unzugänglichen Geländeabschnitten sowie Wäldern“ eingesetzt werden. Um die steigende Zahl von aufgegriffenen Flüchtlingen schneller registrieren zu können, hat die Bundespolizei in der Brandenburger Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt seit 25. September zudem eine sogenannte Bearbeitungsstraße aufgebaut.

Flüchtlinge und Schleuser - die aktuellen Fälle aus dem Grenzgebiet

  • Donnerstag, 30 September: Gegen Mittag kontrolliert der Zoll in Frankfurt (Oder) einen Kleintransporter. Im Wagen entdecken die Beamten 40 Personen, die ungesichert in dem Transport eingepfercht waren. Die Menschen, 34 Männer und sechs Frauen, stammen nach ersten Erkenntnissen aus dem Irak und dem Iran. Ein Richter erlässt gegen den 43-jährigen ukrainischen mutmaßlichen Schleuser Untersuchungshaft..
  • Wenig später entdecken Bundespolizisten nach dem Hinweis eines Bürgers in Ragow auf der B97 in Ragow zwischen Müllrose und Beeskow 41 Personen, darunter eine Frau und zwei Kinder. Die Menschen kommen aus dem Irak und Syrien. Der Schleuser soll sie zuvor dort mit seinem Kleintransporter ausgesetzt haben. Per Hubschrauber findet die Polizei den Wagen, Bundespolizisten stoppten ihn offenbar auf dem Rückweg Richtung Osten in Frankfurt-Markendorf. Ein Richter ordnet Untersuchungshaft für den 49-jährigen Mann aus Belarus an.
  • Freitag, 1. Oktober: Wieder ein Bürgerhinweis – Bundespolizisten kontrollieren in Falkenhagen (Mark) an der B5 nordwestlich von Frankfurt (Oder) gegen Mittag eine Gruppe irakischer Staatsangehöriger. Keiner hatte eine Aufenthaltserlaubnis. Unter den zwölf Personen war auch 20-jährige schwangere Frau. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht. 
  • Samstag, 2. Oktober: Im Landessüden entdeckt eine Streife der Reiterstaffel der Bundespolizei am Vormittag an der Neiße in der Nähe von Groß Gastrose bei Guben fünf Personen. Die fünf Männer kommen aus dem Jemen.
  • Auch in diesem Fall gab es einen Hinweis von Bürger: Die Bundespolizei greift mitten in Frankfurt (Oder) in der Nähe des Amtsgerichts 15 Iraker auf.
  • Wieder Falkenhagen (Mark), ein paar Kilometer nordwestlich von Frankfurt (Oder): Am frühen Nachmittag kontrollieren Einsatzkräfte eine Gruppe von 31 Personen – es sind 29 Iraker und zwei Syrer.  
  • Sonntag, 3. Oktober: Am Mittag treffen Bundespolizisten an einem früheren Grenzübergang zu Polen in Schlagsdorf bei Guben im Landessüden auf 18 Personen – sie kommen aus dem Irak und dem Iran.
  • Montag, 4. Oktober: Am Morgen gegen 8.10 Uhr entdecken die Polizei Brandenburg und die Bundespolizei zwei mutmaßliche Schleusungen in Vetschau und Groß Schacks-Simmersdorf. 23 Iraker, darunter Kinder und Jugendliche werden in einem Garagenkomplex in Vetschau gefunden - alle ohne Dokumente. Eineinhalb Stunden später treffen Einsatzkräfte auf elf weitere Personen in einem Waldstück bei Groß Schacksdorf.
  • Montag, 4. Oktober: Die Bundespolizei entdeckt am Montagabend mit einem Hubschrauber 41 unerlaubt eingereiste Personen aus dem Irak in Tantow (Landkreis Uckermark). Die Migranten geben an, von einem Schleuser an die deutsch-polnische Grenze gebracht worden zu sein, von dort seien sie zu Fuß weitergegangen. Die Personen werden an die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt übergeben.

Polens Regierung beschuldigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, Flüchtlinge aus Krisenregionen organisiert an die EU-Außengrenze zu bringen. Die Behörden in Warschau gehen davon aus, dass der Autokrat dies gezielt steuert. Auch Litauen spricht von einem „aggressiven Akt des Lukaschenko-Regimes“.

Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde – als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen. Polen hat in der Grenzregion zu Belarus daher den Ausnahmezustand verhängt und lässt einen meterhohen Stacheldrahtzaun errichten. Auch Litauen baut einen Zaun.

[Gefangen in der Sperrzone: Im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen stranden etliche Flüchtlinge. Machthaber Alexander Lukaschenko nutzt sie als Druckmittel gegen die EU. Ein Report - weiterlesen bei Tagesspiegel Plus]

Für Brandenburgs Innenminister Stübgen ist die Lage bisher unter Kontrolle. „Ich kann nur sagen, dass wir mit dem polnischen Grenzschutz an der deutsch-polnischen Grenze hervorragend zusammenarbeiten und insofern auch die Hoffnung haben, dass diese Migrationswelle nicht aus dem Ruder läuft“, erklärte Stübgen.

Die wachsende Zahl von Migranten führt in der Erstaufnahme Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) zu Engpässen. Dort sollen beheizbare, winterfeste Zelte aufgestellt werden – falls andere Kapazitäten für die vorsorgliche Quarantäne nicht reichen. Die Flüchtlinge sollten in Zelten höchstens zwei Tage untergebracht werden, andernfalls könnten kurzfristig Kapazitäten angemietet werden.

„Die Entwicklung ist zwar zum einen auch besorgniserregend, aber es ist nicht vergleichbar mit 2015“, als in der sogenannten Flüchtlingskrise zehntausende Migranten nach Deutschland kamen.

Stübgen sagte: „Wir haben noch viele Reserven.“ Am Mittwoch besucht der Innenminister die Erstaufnahmeeinrichtung, um sich „im Zuge der deutlich gestiegenen Registrierung von Migranten in Brandenburg“ nun „vor Ort über die aktuelle Situation zu informieren“.

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