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Andreas Kalbitz ist Vorsitzender der Landespartei und der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg.

© picture alliance / Maurizio Gamb

Update

Trotz Extremismus-Vermerk: Bundeswehr ließ Andreas Kalbitz weiter zum Fallschirmjäger ausbilden

Keine rechtsextreme Biografie? So behauptet es der Brandenburger AfD-Chef. Doch Andreas Kalbitz soll Mitglied in einer Neonazi-Organisation gewesen sein.

Der Militärischer Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr soll „Erkenntnisse über die Beteiligung an extremistischen Bestrebungen“ über den Brandenburger AfD-Landeschef Andreas Kalbitz gesammelt haben. Grund ist die Mitgliedschaft in der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO). Das berichtet der "Spiegel".

Kalbitz diente bei der Bundeswehr als Zeitsoldat und von 1994 bis 2005 Fallschirmjäger. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat der MAD mit Kalbitz mindestens drei Gespräche geführt, nach einem Personalgespräch 2001 soll ein Vermerk des Geheimdienstes in Kalbitz‘ Personalakte gelandet sein. Und Kalbitz soll für Reservisteneinsätze gesperrt worden sein. Das Magazin beruft sich dabei auf interne Bundeswehrunterlagen.

Aber Kalbitz ist nicht nur Chef der Brandenburger AfD und der Landtagsfraktion, er sitzt auch im Bundesvorstand und ist im nationalistisch-völkischen „Flügel“ um Björn Höcke der wichtigste Strippenzieher.

Doch der AfD-Politiker Kalbitz legte stets darauf Wert, keine rechtsextreme Biografie zu haben. Maximal könne man ihm „Bezüge“ unterstellen. Tatsächlich ist die Vita des AfD-Politikers gespickt mit engen Kontakten zur Neonazi-Szene. Nun zeigt sich: Kalbitz war sogar Mitglied in einer der einflussreichsten rechtsextremistischen Gruppen.

Neonazis dominierten den Verband von Andreas Kalbitz

Kalbitz soll laut dem Vermerk aus dem Jahr 2001 eingeräumt haben, bereits vor seiner Zeit in der Bundeswehr Mitglied der von Neonazis dominierten „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO) gewesen zu sein. Es handelt sich um eine rechtsextremistische Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und die eng mit der NPD verzahnt war.

Der Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz.
Der Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz.

© Matthias Balk/dpa

Der MAD hat Kalbitz demnach im März 2001 zu einer nationalistischen Wallfahrt in Belgien im August 2000 befragt. Kalbitz soll eingeräumt haben, 1999 und 2000 dabei gewesen zu sein – „aufgrund des großen Interesses an der deutschen Geschichte“.

Im Sommer 2001 kam der MAD erneut. Auf einer Diskette aus Bundeswehrbeständen mit dem Namen „Kalbitz“ befand sich ein Schreiben mit dem JLO-Briefkopf. Kalbitz räumte demnach ein, Ende 2000 und Anfang 2001 zwei Veranstaltungen der JLO in den Räumen der rechtsextremen Burschenschaft Danubia mitorganisiert zu haben. Zudem soll er versprochen haben, seine JLO-Mitgliedschaft zu kündigen.

Eine Nähe der JLO zum Rechtsextremismus will er nur „als Randphänomen wahrgenommen“ und nicht gewusst haben, dass der Verfassungsschutz die JLO beobachtet. Veranstaltungen mit „für ihn rechtsextremistische Tendenzen“ habe er nicht besucht.

Trotz der MAD-Erkenntnisse über „extremistische Bestrebungen“ konnte Kalbitz seinen Dienst in der Bundeswehr regulär beenden und bis zum Schluss im oberbayerischen Altenstadt Fallschschirmjäger ausbilden.

Alljährlich halten Neonazis in Dresden einen Trauermarsch ab - wie hier im Foto im Jahr 2009.
Alljährlich halten Neonazis in Dresden einen Trauermarsch ab - wie hier im Foto im Jahr 2009.

© Jan Woitas/dpa

Aktuell geht das Verteidigungsministerium Hinweisen auf Rechtsextreme im Kommando Spezialkräfte (KSK) nach, die Lehrgänge in Altenstadt absolviert haben. In den 1990er-Jahren fiel die Kaserne auf, weil Fallschirmjäger Hitlers Geburtstag feierten.

Wie Kalbitz laut dem vom Spiegel zitierten Vermerk selbst einräumt haben soll, war er vom MAD schon einmal wegen seiner Mitgliedschaft bei den Republikanern in den 1990er-Jahren befragt worden. Der MAD habe ihm den Austritt nahegelegt, das habe er befolgt.

Andreas Kalbitz erhielt E-mails von der HDJ und Horst Mahler

Eine Anfrage des Magazins zu den Erkenntnissen des MAD ließ der AfD-Politiker über die Kanzlei Höcker beantworten. Demnach seien die „Verdachtsmomente nicht zutreffend“. Die Informationen des Magazins seien „frei erfunden“ oder es sei „strafrechtlich relevant gegen Dienst- und Verschwiegenheitsverpflichtungen verstoßen“ worden. Auch sei es falsch, dass ihm empfohlen worden sei, bei den Republikanern auszutreten.

Am Freitag sagte er der dpa: „Es waren offenbar keinerlei Erkenntnisse vorhanden, die ausgereicht hätten, um in irgendeiner Form dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen.“

Die JLO war eine der zentralen Gruppen in der Neonazi-Szene. Die Mutterorganisation „Landsmannschaft Ostpreußen“ trennte sich im Jahr 2000 wegen Neonazi-Umtrieben von der Nachwuchstruppe. Die JLO benannte sich dann in „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ um und steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD für parallele Mitgliedschaften. Bei Kalbitz Parteieintritt 2013 gab es die Liste noch nicht.

Neonazi-Gruppe hatte laut Verfassungsschutz „integrierende Wirkung“

Der ideologischer Einfluss der JLO und ihre einende Kraft für das Milieu ist nicht zu unterschätzen. Jahrelang organisierte sie die Nazi-Trauermärsche zur Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Sachsens Verfassungsschutz attestierte der JLO eine „integrierende Wirkung“ bei allen „maßgeblichen rechtsextremistischen Organisationen“.

Der sächsische Verfassungsschutz stellte 2004 fest, dass es der JLO damit gelang, „alle maßgeblichen rechtsextremistischen Organisationen“ bei dem Trauermarsch zu vereinen. Sie habe auch bei anderen Veranstaltungen ihre „integrierende Wirkung“ gezeigt.

Die Vita des AfD-Politikers Kalbitz ist gespickt mit engen Kontakten zur Neonazi-Szene. Er nahm 2007 an einem Neonazi-Aufmarsch in Athen teil, besuchte im selben Jahr ein Lager der paramilitärischen, inzwischen verbotenen HDJ, der Holocaust-Leugner Horst Mahler und der HDJ-Führer schickten ihm E-Mails und 2014 legte er den Vorsitz eines rechtsextremen Kulturvereins nieder.

Die Nazi-Bezüge des AfD-Politikers Andreas Kalbitz

Der gebürtige Münchner war zunächst in der Jungen Union und in der CSU Anfang der 1990er Jahre aktiv. Dann driftete er immer weiter rechts ab, war eng verquickt mit dem Witiko-Bund, einem Vertriebenen-Verband, gegründet von früheren NSDAP- und SS-Funktionären.

Kalbitz schrieb über Kämpfe "um das Deutschtum im Osten".
Kalbitz schrieb über Kämpfe "um das Deutschtum im Osten".

© Witiko-Brief / Faksimile: Tsp

Der Verband versteht sich selbst als „nationale Gesinnungsgemeinschaft der Sudetendeutschen“. Und die Bundesregierung hat beim Witiko-Bund „eine Verdichtung von tatsächlichen Anhaltspunkten für rechtsextreme Bestrebungen festgestellt“.

Im Vereinsorgan „Witikobrief“ gratulierte Kalbitz 2001 dem der NPD nahestehenden „Freundschafts- und Hilfswerk Ost“ zum zehnjährigen Bestehen und hob dessen Arbeit in dem „oftmals aussichtslos scheinenden Kampf gegen den kulturellen und völkischen Tod auf jahrtausendealtem deutschen Kulturboden“ hervor. In einem anderen Beitrag beklagt Kalbitz den „Ethnozid am deutschen Volk“.

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