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Hubertus Knabe schrieb auf Twitter einen Beitrag zur Berichterstattung über Hohenschönhausen.

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Update

Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen: Nach Knabe-Rauswurf: Neuer Brief der belästigten Frauen

Von Belästigung betroffene Frauen melden sich erneut in der Debatte um Sexismus und Ex-Gedenkstättenchef Hubertus Knabe. Der erwähnt #Metoo mit keinem Wort.

Sie hatten mit einem Brief an Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im Juni Sexismus in der Führungsspitze der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen beklagt. Nun – zwei Wochen nach dem Rauswurf von Hubertus Knabe als Direktor – melden sich die sechs Frauen erneut in einem Brief an den Stiftungsrat zu Wort. In den zweiseitigen Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, kritisieren sie, die öffentliche Diskussion sei „in eine bedenkliche Schieflage“ geraten. "Es geht kaum noch um die Erfahrungen der betroffenen Frauen und die Frage nach dem Umgang mit Machtverhältnissen."

Zudem beklagen die Verfasserinnen „Irritation und Ungläubigkeit“ gegenüber ihren Darstellungen, die sich in „Abwehrreflexen und Leugnungsstrategien“ äußern würden. Sie seien schockiert, dass Politiker, Mitglieder des Stiftungsbeirates und Journalisten „das unangemessene und belästigende Verhalten von Vorgesetzten in der Gedenkstätte weiterhin ausblenden“, Knabe mit der Gedenkstätte gleichsetzen und „uns eine Beschädigung der Diktaturaufarbeitung vorwerfen“.

Damit würden nicht die Betroffenen geschützt, sondern die Verantwortlichen. Dies befördere eine „Kultur des Wegschauens, des Deckens und der Verharmlosung dieser Vorgänge und des stillschweigenden Akzeptierens“. Das ihr Anliegen in der Debatte herabgesetzt werde, weil sie ihre Namen nicht in der Öffentlichkeit nennen, „verkennt die Situation der Betroffenen“.

Knabe meldete sich via Twitter zu Wort

Sie - die sechs Frauen - seien unterschiedlich von Übergriffen und sexueller Belästigung durch Vorgesetzte betroffen. „Diese Belästigungen und Grenzüberschreitungen sind Teil der bestehenden Machtstrukturen in der Gedenkstätte“, heißt es in dem Brief weiter. Sie wollten andere Mitarbeiterinnen ermutigen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Bis 2018 habe es keinen Ansprechpartner für Diskriminierungsfälle gegeben, dabei hätte solch eine Anlaufstelle schon nach den ersten Belästigungsvorwürfen im Jahr 2016 geschaffen werden müssen.

Das fehlende Problembewusstsein der Verantwortlichen zeige sich auch darin, „dass bis heute kein Wort des Bedauerns oder gar der Entschuldigung – weder informell noch öffentlich – geäußert wurde.“ Sie wünschten sich „eine größere Sensibilität für alltäglichen Sexismus, Belästigungen und Machtstrukturen“.

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Zuvor hatte sich am Dienstag nach langem Schweigen und mehreren unbeantworteten Anfragen des Tagesspiegels auch Knabe zu Wort gemeldet – via Twitter: Er danke seinen Unterstützern und verfolge die jüngste Berichterstattung „mit großem Bedauern“. Sie werde „der engagierten Arbeit dieser wichtigen Einrichtung und ihrer Mitarbeiter nicht gerecht“ – und sie beschädige damit auch das Anliegen der Aufarbeitung der SED-Diktatur insgesamt.

Stiftungsrat: Knabe beförderte Missstände

Knabe ist beurlaubt, seine Entlassung durch den Stiftungsrat wird zum 31. März 2019 wirksam. Das Gremium hatte ihm infolge von Sexismusvorwürfen gegen den Vize-Direktor Helmuth Frauendorfer einstimmig das Vertrauen entzogen, den dringend nötigen Kulturwandel in der Gedenkstätte einzuleiten oder glaubhaft vertreten zu können. Frauendorfer soll über Jahre Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben – und hat Fehlverhalten eingeräumt.

In ihrem ersten Brief vom Juni an Lederer und Grütters hatten die sechs Frauen „eine Regelhaftigkeit übergriffiger Verhaltensmuster“, ein „Frauenbild der 50er Jahre“ und „strukturellen Sexismus“ in der Gedenkstätte beklagt. Frauendorfer soll sie mit nächtlichen SMS und Berichten über seine Besuche im Bordell oder im Swingerclub belästigt haben - und ihnen auch körperlich zu nahe gekommen sein. 

Stiftungsrat: Knabe hat die Missstände befördert

Im Auftrag von Lederer und Grütters hat eine Anwältin die Vorfälle geprüft, die sechs Verfasserinnen des Briefes und weitere Frauen, aber auch Frauendorfer angehört. Das Ergebnis: Die Vorwürfe seien "substanziiert".

Knabe hat nach Ansicht des Stiftungsrates die Missstände über Jahre nicht nur geduldet, sondern sogar befördert. Er sei seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen. Auch gegen Knabe selbst sind Belästigungsvorwürfe laut geworden. Den Verdacht, die Entlassung sei eine „Strafaktion“ oder parteipolitisch motiviert wegen Knabes „politischer Unangepasstheit“, haben Lederer und Grütters als falsch zurückgewiesen.

Entsprechende Vorwürfe hatten vier Mitglieder des 14-köpfigen Stiftungsbeirats in einem offenen Brief  geäußert. Darin verurteilten die Publizistin und DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier, die frühere DDR-Oppositionelle Heidi Bohley, die Ex-Moderatorin Edda Schönherz und die Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig Knabes Entlassung.

Politiker von CDU, FDP und AfD, aber auch Journalisten und SED-Opfer haben zudem den Verdacht geäußert, Lederer habe den für die Linkspartei missliebigen Knabe mit einer politischen Intrige und Stasi-Methoden zu Fall gebracht. Kritik entzündete sich auch daran, dass die Details zu Belästigungsvorwürfen nicht genannt und die betroffenen Frauen anonym geblieben waren. Auf all diese Vorwürfe haben die sechs Frauen mit ihrem neuen Brief nun reagiert.

Keine Stellungnahme zu den Sexismusvorwürfen

Knabe hingegen bleibt ihn seiner Stellungnahme vage. „Der Respekt gegenüber dem Auftrag der Gedenkstätte und den Persönlichkeitsrechten der Beteiligten hält mich davon ab, in einen öffentlichen Schlagabtausch zu treten“, erklärte Knabe. Er wolle „nicht daran mitwirken, sensible Personalvorgänge in die Öffentlichkeit zu tragen“. Der Vorwurf, in der Gedenkstätte habe ein „Klima der Angst und des Mobbings geherrscht“, sei falsch. Er habe seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „immer fair und respektvoll behandelt“ und vertraue auf den Rechtsstaat, um alles „politisch und juristisch aufzuarbeiten“.

Zu den Sexismusvorwürfen äußerte sich Knabe nicht, auch nicht zu den Gründen für die Entlassung. Knabe war 2016 über Belästigungsvorwürfe informiert worden, die Kulturverwaltung zog mehrfach Volontärinnen ab. Knabe hat laut Verwaltung Anweisungen und Bitten, um weitere Vorfälle zu verhindern, nicht befolgt.

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