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Über die dramatische Finanzlage der Flughafengesellschaft berät am Donnerstag der FBB-Aufsichtsrat. 

© imago images/Stefan Zeitz

Reaktionen auf CDU-Vorstoß: Betreibermodell für BER stößt in Berlin und Brandenburg auf Ablehnung

„Verkappte Privatisierung“: Die Idee der Vermietung an einen privaten Betreiber erntet Kritik in beiden Parlamenten. Auch Finanzministerin Lange äußert sich.

Brandenburg lehnt eine Vermietung des Flughafen BER in Schönefeld an einen privaten Betreiber strikt ab. Finanzministerin Katrin Lange (SPD) erteilte dem überraschenden Berliner CDU-Vorstoß für ein Konzessionsmodell umgehend eine klare Absage. 

"Der Vorschlag der CDU geht am Problem vorbei und bedeutet faktisch eine Privatisierung nach dem Grundsatz: Gewinne weitgehend für private Investoren, Belastungen verbleiben hingegen beim Steuerzahler", sagte Lange dem Tagesspiegel. Das komme nicht in Frage. Auch die Grünen und die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus winken ab.

Die CDU hatte den Vorstoß mit den anhaltenden Milliardenbelastungen des BER für die öffentliche Hand begründet. Über die dramatische Finanzlage der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), die bis 2026 von den drei Eignern weitere 2,4 Milliarden Euro benötigt, berät seit Donnerstagmorgen der FBB-Aufsichtsrat. 

Konkret haben die Berliner CDU-Abgeordneten Christian Gräff und Christian Goiny vorgeschlagen, den Betrieb des neuen Airports – gegen eine Konzessionsabgabe – langfristig an ein Unternehmen zu vermieten, in das die 1600 Mitarbeiter der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und der FBB überführt werden sollen. Die FBB würde damit eine reine Verwaltergesellschaft, so der Vorstoß, mit maximal 50 Mitarbeitern.

Mit dieser Radikalrestrukturierung und den mit insgesamt 350 Millionen Euro jährlich kalkulierten Abgaben an die öffentliche Hand wäre aus Sicht der CDU eine Rückzahlung der staatlichen Milliardenkredite an die drei Eigner möglich.

"Kerninfrastrukturen des Verkehrswesen gehören in öffentliche Hand"

"Das Problem der Flughafengesellschaft war nie die Organisation und operative Abwicklung des Flugbetriebs, dort hat die Gesellschaft in der Vergangenheit – vor allem in Tegel, das zuletzt förmlich aus allen Nähten platzte – sogar fast Wunder vollbracht", hält Lange dagegen. "Kerninfrastrukturen des Verkehrswesen gehören aus meiner Sicht grundsätzlich in öffentliche Hand; der BER gehört dazu."

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Sein Problem sei nicht "nicht der aktive Flughafenbetrieb, sondern seine äußerst schwere und teure Geburt". Ein Konzessionsmodell ändert daran nichts, warnte Lange, "sondern entzieht der FBB auch noch einen Teil der zukünftigen Finanzierungskraft zugunsten des privaten Investors."

Brandenburgs Finanzministerin verwies darauf, dass es mit Privatisierungen und Pseudo-Privatisierungen öffentlicher Gesellschaften in der Vergangenheit reihenweise schlechte Erfahrungen gab, die "Zeit eines pausbäckigen Privatisierungsoptimismus" sei vorbei. Einen Vergleich mit Griechenland, wo die Fraport AG 40 Airports betreibt, nannte Lange abwegig – "wer den Zustand vieler griechischer Flughäfen kennt, weiß auch warum."

"Der Vorschlag ist eine Luftnummer"

Auch aus den Parlamenten in Berlin, wo in einem halben Jahr das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird, und in Brandenburg kam Kritik. "Der Vorschlag ist eine Luftnummer", sagte der Berliner SPD-Abgeordnete und BER-Experte Joerg Stroedter. Das Problem der FBB sei die fehlende Baukompetenz gewesen.

Beim Flughafenbetrieb habe das Unternehmen in den Jahren vor der Pandemie, als in den überlasteten Flughäfen Tegel und Schönefeld jedes Jahr mehr Passagiere abgefertigt wurden, Höchstleistungen vollbracht. "Es ist eine verkappte Privatisierung, die CDU will es nur nicht zu nennen", sagt Stroedter. Der Ansatz sei ein Anachronismus. "Wir wollen rekommunalisieren."

Eine Überführung der Belegschaft in ein privates Unternehmen lehnte Stroedter strikt ab. "Da wird auf maximale Profite gesetzt, zu Lasten der Beschäftigten." Man sehe das an den einst ausgelagerten Bodendienstleistern, wo man eher über eine Rückkehr in die Flughafengesellschaft nachdenken müsse.

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"Der BER hat den Steuerzahler viel zu viel Geld gekostet hat, um die Aussicht auf Gewinne nun einem Privaten zu überlassen", erklärte Daniel Wesener, Haushaltsexperte und parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Abgeordnetenhaus. "Eine Sozialisierung der Milliarden-Baukosten und Schulden bei gleichzeitiger Privatisierung des Betriebs kommt für uns Grüne jedenfalls nicht in Frage." Er bezweifele "ohnehin, dass sich ein seriöser privater Investor auf so ein Abenteuer einlässt, so lange es immer noch keine Transparenz über die wahre wirtschaftliche Lage der Flughafengesellschaft gibt."

"Privater Betreiber wird nur auf Kosten von Service, Mitarbeitern und Qualität Gewinne machen"

Der Linken-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Sebastian Walter, sagte dem Tagesspiegel: "Eine Privatisierung, egal auf welchem Wege, lehnen wir grundsätzlich ab. Ein privater Betreiber wird nur auf Kosten von Service, Mitarbeitern und Qualität Gewinne machen können".

Gewerkschaftssekretär Holger Rössler von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der auch im FBB-Aufsichtsrat sitzt, sagte, das klinge nach den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts: "Privat ist immer besser". Sarkastisch fügte er hinzu: Berlin habe damit ja "sehr gute Erfahrungen" gemacht. Rössler hält auch die kalkulierte Schätzung der Konzessionsabgaben von 350 Millionen Euro pro Jahr für utopisch. Der Gesamtumsatz am BER, ohne die Corona-Pandemie und den Einbruch im Luftverkehr, läge bei rund 500 Millionen Euro.

Das Bundesverkehrsministerium unter Minister Scheuer (CSU) wollte den Vorstoß der Berliner CDU nicht kommentieren. Eine Sprecherin sagte, das mache man bei Vorschlägen aus dem parteipolitischen Raum grundsätzlich nicht.  

Der Aufsichtsrat berät auch über die Nachfolge für den scheidenden Chefmanager Engelbert Lütke Daldrup, der das Unternehmen zum September auf eigenen Wunsch vorzeitig verlässt. Thema ist das weitere Vorgehen. Eine Entscheidung, wer Lütke Daldrup beerbt, fällt nicht.  

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