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Peter Heydenbluth, der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam.

© Sebastian Geyer

Präsident der IHK Potsdam: „Lernen wir aus der Pandemie“

Sechs Monate vor den Wahlen darf sich Politik in Berlin und Brandenburg nicht allein um Corona drehen. Ein Gastbeitrag

In einem halben Jahr ist Bundestagswahl? Dann soll es für alle Parteien nicht mehr nur um Strategien zur Überwindung der Corona-Pandemie gehen, sondern um die Zukunft des Landes, um die Macht?

Seit mehr als einem Jahrzehnt wächst die Wirtschaft in Deutschland. Die Kräne drehen sich auch im Winter. Die Industrie legte ein ums andere Mal zu. Der Dax flog in immer neue Höhen, und die Unternehmen sind auf der Suche nach Auszubildenden und guten Fachkräften. Das große wirtschaftliche, aber auch soziale und gesellschaftliche Engagement der Unternehmerinnen und Unternehmer hat unser Land in dieser Zeit weit vorangebracht.

Zugleich sehen wir die Gefahr, dass die Politik in Deutschland die großen Herausforderungen für eine sichere und nachhaltige Zukunft mit Wertschöpfung und Wohlstand im Herzen von Europa zu nachlässig angeht – wenn nicht sogar verschläft. Nie zuvor traten die Mängel so deutlich zu Tage, wie jetzt. Die Covid-Pandemie dominiert mit ihren ungeahnten Auswirkungen auf Gesundheit, Beschäftigung und Haushalte auch die Wirtschaft in der Hauptstadtregion, für die wir uns als gesetzliche Interessenvertreter verantwortlich fühlen. Insbesondere die harten Lockdowns haben deutliche Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen – auch wenn wir nun, im Frühling 2021, ganz langsam auf stufenweise Lockerungen hoffen können.

Unübersichtliche Regelwerke, die nicht einmal zwischen Brandenburg und Berlin abgestimmt waren. Homeschooling auf einem Digitalisierungsstand von vorgestern. Mehr Fragen als Antworten in der Gesundheitspolitik. Daraus müssen dringend Lehren gezogen werden, denn alle Parteien werden sich von der Wählerschaft daran messen lassen müssen. Die Aufgaben, die wir an die Abgeordneten des künftigen Bundestags ebenso wie an die neue Bundesregierung adressieren, basieren deshalb nicht allein auf der Frage, wie wir nach der Pandemie wieder zum Status quo zurückfinden können. Von einem lapidaren Zurück zu gewohnten Strukturen darf nicht mehr die Rede sein. Wir müssen voraus denken, weit voraus. Denn, falls die Krise überhaupt ein Gutes haben kann, dann, dass sie unsere Schwächen schonungslos offengelegt hat.

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Wenn Deutschland in Zukunft stark sein und international bestehen will, müssen wir schneller und schlanker, einfallsreicher und entschlossener, interessierter und interessanter werden. Dies betrifft die längst überfälligen Investitionen in die Digitalisierung von Verwaltungen und Berufsschulen ebenso wie den Breitbandausbau für unsere Unternehmen im ländlichen Raum. Uns hindern mangelhafte Verkehrsverbindungen, die oft an Ländergrenzen enden sowie das fehlende klare Bekenntnis für unseren neuen Hauptstadtflughafen BER. Es braucht zudem eine sichere und bezahlbare Energieversorgung mit der Förderung neuer Technologien genauso wie eine kluge und unbürokratische Steuergesetzgebung.

Unternehmer Peter Heydenbluth aus Oranienburg ist ehrenamtlicher Präsident der IHK Potsdam.
Unternehmer Peter Heydenbluth aus Oranienburg ist ehrenamtlicher Präsident der IHK Potsdam.

© Sebastian Geyer

Und es geht um eine aktive Außenwirtschaftsförderung wie auch um den politischen Willen, die Fachkräftesicherung für unsere Unternehmen von konsequenter Berufsorientierung über hochklassige Ausbildung bis zur Unternehmensnachfolge beherzter zu begleiten. Dazu gehören auch Anerkennungsverfahren und ergänzende Berufsabschlüsse für die unkomplizierte Nachqualifikation von Zugewanderten. Und wir müssen viel mehr Menschen von Selbständigkeit und Unternehmertum begeistern. Das Land braucht mehr Gründer und Entrepreneure. Nicht jedes Projekt muss gleich gelingen – nur wer etwas versucht, kann auch etwas Neues in die Welt bringen.

[Was sich Brandenburgs Unternehmen im Wahljahr von der Politik wünschen, hat die IHK in Potsdam hier zusammengefasst.]

Dieses Denken und Fördern brauchen wir – vom Einzelhandel über den Tourismus bis zum Start-up in der Kreativszene. Kurzum: Es gibt kein Zurück, es gibt nur ein mutiges Darüberhinaus. Unsere Hauptstadtregion – mit dem Land Brandenburg und der Bundeshauptstadt Berlin – hat das Potenzial für einen international führenden Wissens- und Wirtschaftsstandort. Was wir aber brauchen, um dieses Potenzial auszuschöpfen, ist ein klares Bekenntnis Deutschlands, nicht nur für smarte Dienstleistungen, sondern auch als mutiger Vorreiter einer modernen und zukunftsfähigen Technologie- und Industriepolitik.

Deshalb fordern wir von der Bundespolitik nicht nur Lippenbekenntnisse im Wahlkampf, sondern „einen großen Wurf“. Wir Unternehmerinnen und Unternehmer haben keine Angst vor Risiko. Wir können auch gut für uns selbst und für andere sorgen – man muss uns nur lassen und die Politik muss dafür verlässliche, wettbewerbsfähige Voraussetzungen schaffen. Nutzen wir also die kommenden Monate für einen intensiven und kritischen Dialog zwischen Politik und Wirtschaft, damit im Herbst die Weichen richtig gestellt werden. Darauf zählen wir, denn: Bundestagswahl ist schon in einem halben Jahr.

Peter Heydenbluth

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