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Hubertus Knabe, Direktor der Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, soll sexuelle Belästigung geduldet haben.

© Paul Zinken/dpa

Nach Vorwürfen sexueller Belästigung: Berliner Stasiopfer-Gedenkstätte beurlaubt Vize-Direktor

Wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung ist der Vize-Chef der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen beurlaubt worden. Wie geht es nun weiter?

Nach Belästigungsvorwürfen ist der Vize-Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Helmuth Frauendorfer, mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden. Das habe Gedenkstätten-Chef Hubertus Knabe am Montag entschieden, wie die Gedenkstätte mitteilte. Grund dafür seien die in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Vorwürfe ehemaliger Mitarbeiterinnen und die Erklärung von Frauendorfers Anwalt. Der habe erklärt, dass die Vorwürfe „zum Teil wirklich berechtigt“ seien. 

Zugleich soll Sabine Bergmann-Pohl, ehemalige Präsidentin der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer, die Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte befragen, ob sie sich im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit sexuell belästigt fühlten. "Wenn es Kritik gibt, dann gehört diese auf den Tisch", sagte Knabe. Das Ergebnis der Befragungen soll den Angaben zufolge in einem Abschlussbericht festgehalten werden, ebenso  "praktische Schlussfolgerungen für ein respektvolles Zusammenarbeiten zwischen Männern und Frauen", wie es in der Mitteilung heißt. Auch Schulungen für Mitarbeiter seien geplant.

Am Dienstag wird es dann ernst für die Führung der Stiftung der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Nicht nur wegen der schweren Vorwürfe, wonach Frauendorfer, Mitarbeiterinnen über Jahre sexuell belästigt haben soll. Es geht auch um Gedenkstätten-Direktor Knabe selbst. Der Stiftungsrat will die Vorwürfe prüfen – der öffentliche Druck ist groß.

Bei den Vorwürfen geht es auch um Gedenkstätten-Chef Knabe

In der vergangenen Woche ist ein Brief von sieben, teils früheren Mitarbeiterinnen publik geworden – wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Freiwillige im Sozialen Jahr und Praktikantinnen. Gerichtet war der Brief an Berlins Kultursenator Klaus Lederer und an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), aber auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Es wird nun nicht nur um die in dem Brief vom 8. Juni erhobenen Vorwürfe gehen, sondern auch darum, wie Knabe gehandelt hat – oder nicht. Und wie die Gedenkstätte geführt wird.

Frauendorfer soll über Jahre hinweg jungen Frauen zu nahe getreten sein, indem er ihnen Kurznachrichten geschrieben, sogar die Begleitung zu Abendveranstaltungen angeordnet und Einladungen zu privaten Treffen ausgesprochen haben soll. Auch soll sich Frauendorfer körperlich angenähert, fast „intime körperliche Nähe“ gesucht und über seine sexuellen Vorlieben wie Besuche im Bordell oder im Swinger-Club und bevorzugte Sex-Praktiken berichtet haben. Ebenso, dass er eine nicht-monogame Beziehung führe.

Was wusste der Gedenkstätten-Chef?

Trifft das zu? Und: Was wusste Gedenkenstätten-Chef Hubertus Knabe davon? Am Donnerstag hieß es in einer Erklärung, er habe erst am Montag durch eine Anfrage des rbb von den konkreten Vorwürfen erfahren. Kultursenator Lederer informierte ihn aber bereits Anfang August über die Beschwerde. Nach einer ersten Beschwerde im Jahr 2016 will Knabe den Vize-Direktor zurechtgewiesen haben. Auch damals war die Senatskulturverwaltung involviert. Frauendorfers Anwalt erklärte, sein Mandat gebe Fehlverhalten und Mangel an Sensibilität zu, habe dies aber seit dem Gespräche mit Knabe abgestellt. Die Senatskulturverwaltung informierte Knabe im Januar 2018 über neue Belästigungsvorwürfe, der schaltete sogar die Staatsanwaltschaft ein. Doch die legte im Sommer alles ad acta, die Senatskulturverwaltung habe erklärt, dass der Vorwurf der sexuellen Belästigung nicht im Sinne des Strafrechts zu verstehen sei.

"Struktureller Sexismus"

Falls dies zutrifft, bleibt die Frage des Führungsstils: Die sieben Frauen berichten in ihrem Brief von ihren Erfahrungen mit den Vorgesetzten und haben dabei „eine Regelhaftigkeit übergriffiger Verhaltensmuster“ festgestellt. Vorgesetzte sollen Informationen aus persönlichen Gesprächen genutzt und damit die Frauen im Dienst diskreditiert haben. Ein „Frauenbild der 50er Jahre“ habe vorgeherrscht. Abteilungsleiter sollen sich die Führungsetage und ihren „strukturellen Sexismus“ zum Vorbild genommen haben, ebenfalls körperliche Nähe zu suchen und anzügliche Komplimente zu machen.

Letzteres und Berührungen werden auch Knabe selbst vorgeworfen. Er selbst weist das zurück und sagt: „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein absolutes No-Go.“ Die Stiftung sei einem modernen Rollenbild verpflichtet. Aber wenn eine Mitarbeiterin weine, nehme er sie „auch einmal in den Arm“ und tröste sie.

Zu anderen Vorwürfen, die die Abläufe in der Gedenkstätte betreffen, hat er nichts gesagt. In dem Brief der Frauen wird eine „gering strukturierte Arbeitsorganisation“ beklagt – „bei eingeforderter maximaler Verfügbarkeit und Arbeitsbelastung mit starkem psychischem Druck durch Zeitverträge“. Zu diesem Klima gehört wohl auch, dass sich die Frauen nicht getraut haben, direkt bei Knabe vorzusprechen – oder beim Personalrat. Bekannt war auch, dass sich Knabe und sein Vize duzen, wie viele Mitarbeiter und ihre Vorgesetzten auch. Beschwerden über ein „ungünstiges Betriebsklima“ waren auch schon im Stiftungsbeirat 2014 ein Thema, Ende 2017 noch einmal, wie der „Spiegel“ berichtet.

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