zum Hauptinhalt
Schwere Geschütze. Seit 2015 ist Matthias Platzeck Aufsichtsratschef beim Papierhersteller Leipa in Schwedt. Transparency International sieht darin ein Problem. 

© Sebastian Gabsch PNN

Matthias Platzeck: Was ist dran an den Vorwürfen gegen Brandenburgs Ex-Ministerpräsidenten?

Transparency International wirft Platzeck Interessenkonflikte beim Ausbau der Oder vor. Der Ex-Ministerpräsident hält das für „absurd“.

Er sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: Brandenburgs Alt-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verwahrt sich gegen Vorwürfe von Transparency International (TI), nachdem ihm die Anti-Korruptions-Organisation Interessenkonflikte bei Plänen für den Ausbau der Oder vorgeworfen hat. 

„Die Konstruktion von Transparency International ist vollkommen absurd“, sagte Platzeck, der das Land bis 2013 fast elf Jahre lang regiert hatte, am Montag dieser Zeitung. „Ich werde einen Teufel tun, den Nationalpark Unteres Odertal, den ich einst mit aus der Taufe gehoben habe, in irgendeiner Weise zu gefährden“, sagte Platzeck. 

„Ich habe mich immer für einen sensiblen Umgang mit der Oder eingesetzt.“ Und als Regierungschef „nicht für ein Unternehmen, sondern für alle Unternehmen im Land“. Tatsächlich trat Platzeck, der seine Karriere als Umweltminister begann, nicht als Verfechter eines Oder-Ausbaus auf.

Um so überraschender sind die Vorwürfe von Transparency International und deren Begründung. Die Organisation fordert wegen des vor allem von Polen betriebenen Ausbaus der Oder eine unabhängige Überprüfung durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und einer Anti-Korruptions-Einheit der Weltbank. 

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]

Die Organisation wirft deutschen und polnischen Stellen vor, dass das Projekt entgegen früheren Begründungen nicht dem Hochwasserschutz, sondern allein wirtschaftlichen Partikularinteressen von Unternehmen dient. Genannt wird ausdrücklich der Papierhersteller Leipa in Schwedt, wo Platzeck seit 2015 – zwei Jahre nach seinem Rücktritt – Aufsichtsratsvorsitzender ist. In der Erklärung zieht Transparency einen Zusammenhang zu Platzecks früherem Handeln als Regierungschef, ohne dies konkret näher zu belegen. 

„Außerdem bestehen Interessenkonflikte durch persönliche Verflechtungen einzelner Entscheidungsträger auf deutscher und polnischer Seite“, erklärte TI-Vizechef Carel Carlowitz Mohn. Platzeck habe als Ministerpräsident jahrelang gegenüber der Bundesregierung den Wunsch der polnischen Behörden nach dem Ausbau der Oder unterstützt, „um umgekehrt die Zustimmung der polnischen Behörden für die Vertiefung der Klützer Querfahrt zu erhalten.“

Die Oder soll für größere Schiffe befahrbar werden.
Die Oder soll für größere Schiffe befahrbar werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

Dabei handelt es sich um einen Seitenarm, er von Schwedt auf polnischem Territorium zur Ostsee nach Stettin führt und für größere Schiffe ausgebaut werden soll. Das ist – anders als ein genereller Oder-Ausbau – lange beschlossene Sache. Die Bundesrepublik und Polen hatten sich darauf 2015 in einem Abkommen geeinigt. Polen erhofft sich dadurch deutsches Entgegenkommen bei dem Großprojekt.

Von Platzeck, der zum Leidwesen Polens vor allem als Russland-Unterstützer gilt, sind in dieser Richtung keine Aktivitäten bekannt. Auf polnischer Seite rügt Transparency International, dass der für das Projekt zuständige Binnenschifffahrtsminister Marek Grobarczyk früher Vizepräsident des Chemiekonzerns Grupa Azoty war, der schon lange einen Oder-Ausbau fordert.

"Die Pläne werden nicht von einem, sondern von vielen Unternehmen unterstützt"

Und Brandenburgs Politik? „Ich kann die Vorwürfe von Transparency International nicht nachvollziehen“, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Man dürfe Pläne für einen Oder-Ausbau nicht mit der Klützer Querfahrt vermengen. „Die ist mit der polnischen Seite auf ausdrücklichen Wunsch Deutschlands vereinbart, und sie liegt nicht allein im Interesse des Unternehmens Leipa, sondern des gesamten Regionalen Wachstumskerns Schwedt, ja der Wirtschaftsregion Uckermark“. 

[Was ist los in Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

Leipa spiele eine zentrale Rolle für Wertschöpfung im strukturschwachen Nordosten des Landes. „Mir ist bewusst, dass ein Ausbau der Oder für die Binnenschifffahrt umstritten ist“, so Steinbach. „Aber auch diese Pläne werden nicht allein von einem, sondern von vielen Unternehmen unterstützt. Es ist die Position der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg.“

Umweltverbände, die Grünen oder auch die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) wollen den Oder-Ausbau dagegen verhindern. Auch Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) lehnt ihn ab. Vogel verweist aber darauf, dass Brandenburg kaum Einfluss hat, der Bund zuständig sei. Die Vorwürfe von Transparency wollte sich Vogel nicht zu eigen machen.

„Wir haben erhebliche Bedenken gegen einen Ausbau der Oder“, sagte Vogel. „Für den Hochwasserschutz ist der nicht erforderlich.“

Der Konflikt zieht Kreise. Der auch in Schwedt ansässige deutschlandweit tätige LEIPA-Konzern hat die Vorwürfe der Organisation „Transparency International“ unterdessen zurückgewiesen, wonach der Ausbau der Klützer Querfahrt angeblich allein im Firmeninteresse erfolge und durch Interessenverquickungen von Alt-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) begünstigt wurde. Die LEIPA-Gruppe (1700 Mitarbeiter) gehört mit ihrer Papierfabrik in Schwedt zu den großen Industrieplayern der Mark.

„Der neue Schwedter Hafen - realisiert für rund 30 Millionen Euro - oder auch das Schiffshebewerk Niederfinow - Projektkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro - werden erst mit dem Ausbau der Querfahrt schließlich ihr angestrebtes Potenzial voll entfalten können“, heißt es in einer im Namen von LEIPA-CEO Peter Probst abgegebenen Erklärung. Ein Gros der Maßnahmen befinde sich „seit über 20 Jahren in Planung und Umsetzung“, sei durch nationale und regionale Parlamente beschlossen. Verknüpfungen mit der heutigen Tätigkeit Platzecks als LEIPA-Aufsichtsratschef seien „weder nachvollziehbar noch zutreffend. Sie entbehren jedweder Grundlage.“ 

Angesichts des Wirbels rudert die Organisation Transparency International, die in ihrer Erklärung zum Oderausbau das Einschalten von Anti-Korruptionsjägern der Weltbank und der EU gefordert und  Ex-Regierungschef Platzeck als einzigen deutschen Verantwortungsträger namentlich angeführt hatte, inzwischen zurück. In einer Stellungnahme kritisiert die Organisation nun die Berichterstattung: „Wir bedauern, dass hier eine Personalisierung und Fokussierung auf Matthias Platzeck stattfindet, die vom eigentlichen Sachthema und unserem Anliegen ablenkt: Nämlich dem Verdacht einer Zweckentfremdung von EU- und Weltbank-Gelder, um die wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmen zu bedienen." 

Transparency International habe Matthias Platzeck nicht vorgeworfen, korrupt zu sein. Man sehe, so die neue abgeschwächte Erklärung, "einen möglichen Interessenkonflikt in seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender für ein Unternehmen, auf dass seine politischen Entscheidungen als Ministerpräsident unmittelbar Auswirkungen haben könnten." Der Ausbau der Klützer Querfahrt, die für den Nordosten Brandenburgs strategische Anbindung des Industriestandorts Schwedt an die Ostsee,  war zwei Jahre nach Platzecks Rücktritt zwischen der Bundesrepublik und Polen vereinbart worden.
Hinweis der Redaktion: In einer älteren Version dieses Artikels lautete die Überschrift "Korruptionsvorwürfe gegen Brandenburgs Ex-Ministerpräsidenten Platzeck". In dieser Form legte die Überschrift nahe, dass die Vorwürfe berechtigt seien. Allerdings sind zentrale Vorwürfe gegen Matthias Platzeck nicht belegt, wie es auch im Artikel heißt. Deshalb haben wir die Überschrift entsprechend angepasst.

Zur Startseite