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Ausgebremst. Berlins Fahrschulen sind erst ab dem 10. Januar in den Lockdown gegangen, später als andere Dienstleister.

© Gregor Fischer/dpa

Keine Theorie, keine Praxis: Berliner Fahrschulen drehen Warteschleifen im Lockdown

Seit Mitte Januar sind alle Fahrschulen in der Hauptstadt geschlossen. In Brandenburg hingegen dürfen sie öffnen. Das frustriert die Branche.

Vertrösten, das kann auch eine Menge Arbeit machen. „Die rufen hier pausenlos an.“ Fahrschulunternehmer André Wittek aus Oberschöneweide ist vor allem damit beschäftigt, seinen Fahrschülern zu erklären, dass er ihnen nichts sagen kann. Vor allem nicht, wann es wieder losgeht mit dem theoretischen Unterricht und den Fahrstunden. Am 10. Januar mussten alle Berliner Fahrschulen schließen. Die Verordnung kam mit einigen Wochen Verspätung – „man hatte uns vergessen“.

Fahrschulen fallen nicht unter „körpernahe Dienstleistungen“ wie die Friseure. Als berufsbildende Schulen könnte man sie sehen, das möchte aber die Verwaltung nicht, sagt der Vorsitzende des Berliner Fahrlehrer-Verbandes, Peter Glowalla. Zeitweise seien sie zur Veranstaltungsbranche subsumiert worden, aber auch das setzte sich nicht durch.

In der aktuellen Verordnung steht ausdrücklich: „Fahrschulen, Bootsschulen, Flugschulen und ähnliche Einrichtungen dürfen weder für den Publikumsverkehr geöffnet werden noch ihre Dienste anbieten.“ Der Senat gönnt seinen eigenen Dienststellen beziehungsweise Unternehmen wie Polizei oder BVG eine Ausnahme: „Fahrerlaubnisse durch Angehörige kommunaler Unternehmen oder staatlicher Stellen zu dienstlichen Zwecken.“

Laut Wittek sind vom Jobcenter geförderte Fahrschüler, die die Fahrerlaubnis für eine Bewerbung brauchen, aber weiterhin vom Lockdown-Erlass betroffen. „Da hängen richtig Jobs dran.“ Ein betroffener Fahrschüler habe ihm mal eine Durchwahlnummer in die Staatskanzlei gesteckt, da rief er einfach mal an und eine Frau habe dann ganz verwundert geklungen – „so war das ja gar nicht gedacht“.

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Der Frust von Wittek und seinen Kollegen – in Berlin gibt es laut Verband etwa 1400 Fahrlehrer – entzündet sich vor allem daran, dass das Nachbarland Brandenburg seine Fahrschulen weiter offen lässt. Einige Fahrlehrer, die bei ihm als Dekra-Sachverständige ausgebildet wurden, seien schon abgewandert.

Beim ersten Lockdown sei es zeitweise umgekehrt gewesen: In Brandenburg waren die Fahrschulen geschlossen, in Berlin geöffnet. Doch nach einer Woche habe der Senat dann nachgesteuert. „Völlig irre“, sagt Peter Glowalla. Sie hätten sich im Frühjahr schon gefragt, ob sie überhaupt noch Überlandfahrten in Brandenburg machen dürfen.

Seine 16 Mitarbeitenden hat Wittek in Kurzarbeit geschickt

Wittek hat seine 16 Fahrlehrer und vier Büromitarbeiter komplett in Kurzarbeit geschickt. Sein Steuerbüro kümmere sich jetzt um den Antrag für das dritte Paket der staatlichen Überbrückungshilfen.

Für den Unternehmer ist es der erste große Einschnitt in seine wirtschaftliche Existenz seit der Wende. „Wir haben damals als eine der ersten aufgemacht, noch mit DDR-Gewerbeschein.“ Das war im März 1990, in einer Wohnung in Oberschöneweide. „Wenn ich auf den Balkon gegangen bin, konnte ich das Ende der Schlange sehen“. Das waren die Fahrschulanwärter, die auf einen Ausbildungsplatz hofften.

„Gegenwärtig drehen rund 800 bis 1000 Schüler ihre Warteschleifen“, sagt Wittek, vielen gehe langsam die Fahrpraxis wieder verloren oder die Theorie. Oder beides.

Vielen geht langsam die Fahrpraxis verloren

Die theoretischen Prüfungen würden weiterhin in Präsenz abgenommen, aber der Unterricht fehle eben. „Inzwischen ist auch Online-Unterricht im Gespräch“, aber Wittek ist kein wirklicher Fan davon. Der Präsenzunterricht sei nicht zu ersetzen.

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Den 7. März, das Ende des gegenwärtigen Lockdowns, haben sie sich beim Verband rot markiert im Kalender, aber Glowalla ist skeptisch, ob die 500 Berliner Fahrschulen schon bei der ersten Öffnungswelle dabei ist. „Wir sind keine Fantasten.“ Aber etwas mehr Respekt für ihre Branche würden sie sich schon wünschen. „Wir brauchen ein Stückchen Planungssicherheit“, vielleicht zwei Wochen Vorlauf. So ähnlich wie bei den Friseuren. Die wissen, dass sie am 1. März öffnen dürfen.

Aber Friseure haben wohl einen besseren Stand in der Politik, schließlich geht da jeder hin und spricht mit ihnen. „Wir wären schon über eine ungefähre Marke froh.“

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