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Streitet für Entschädigungen: Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen.

© imago/ Thomas Frey

Kampf der Hohenzollern gegen einen Historiker: „Wenn er Versöhnung will, soll er die Klagen fallen lassen“

Georg Friedrich Prinz von Preußen geht seit 2015 gegen den Historiker Stephan Malinowski vor. Eine Chronik, verfasst vom Anwalt des Beklagten.

Plötzlich gibt sich Georg Friedrich Prinz von Preußen nachdenklich, erst in der New York Times, jetzt in einem brandenburgischen Regionalblatt. Bekanntlich steht der „Chef des Hauses“ der Hohenzollern auch wegen seines juristischen Vorgehens unter anderem gegen Wissenschaftler und Journalisten, die sich in der Debatte um seine Forderungen öffentlich geäußert hatten, massiv in der Kritik.

Allein beim Berliner Landgericht waren es seit 2019 laut einer dem Tagesspiegel erteilten Auskunft des Gerichts über 80 Verfahren, die er angestrengt hat. Nun liest man solche Sätze aus seinem Munde: Vorwürfe, er versuche, die Wissenschafts- oder Meinungsfreiheit einzuschränken, reflektiere er selbstkritisch: „Den Vorwurf, dass ich die Wissenschaft einschränken würde, weise ich weit von mir.“

Er sei allein gegen unwahre Behauptungen vorgegangen. Wissenschaftliche Aussagen seien grundgesetzlich geschützt, und ein Vorgehen gegen sie wäre im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland gar nicht möglich, so der Nachfahre des letzten deutschen Kaisers. So weit, so wünschenswert. Aber ist diese Charmeoffensive glaubwürdig und zutreffend?

Herr Prinz von Preußen führt einen Rechtsstreit mit dem Land Brandenburg. Hierbei ist die Frage entscheidend von Belang, ob sein Urgroßvater dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub leistete. Das Land ließ dafür zwei Gutachten erstellen.

Eines verfasste im Sommer 2014 der in Edinburgh lehrende Historiker Stephan Malinowski, den ich nun bereits seit 2015 anwaltlich gegen juristische Angriffe des Prinzen von Preußen vertrete. Malinowski gehört seit zwanzig Jahren zu den wenigen im Spezialfeld Adelsgeschichte im 20. Jahrhundert ausgewiesenen Historikern.

Und er ist einer der wenigen, die das Verhältnis der Hohenzollern zum Nationalsozialismus empirisch erforscht haben. Was Georg Friedrich von Preußen unter Wissenschaftsfreiheit versteht, zeigt der Fall Malinowski geradezu exemplarisch.

Wenn die Hohenzollern die Nazis gestützt haben, verlieren sie alle Ansprüche

Er hat schon vor Jahren als Erster die Erfahrung machen müssen, dass kritische Beiträge über die Hohenzollern juristische Maßnahmen gegen die eigene Person hervorrufen können. Im Jahr 2015 hatte er in der ZEIT einen Gastbeitrag publiziert, der das enge Verhältnis des ehemaligen Kronprinzen zur NS-Bewegung skizzierte.

Wenn der Kronprinz der NS-Diktatur erheblich Vorschub geleistet hat, so ist die Rechtslage, hat Georg Friedrich Prinz von Preußen, der als Rechtsnachfolger auftritt, keinen Anspruch auf staatlichen Ausgleich für Enteignungen, die zwischen 1945 und 1949 unter sowjetischer Besatzung erfolgten.

Malinowski war zu einem für die Forderungen ungünstigen, ja gefährlichen Ergebnis gelangt. Brandenburg stützte seine Ablehnung der Ansprüche nicht zuletzt auf sein Gutachten. Die Reaktion von Georg Friedrich Prinz von Preußen?

Es wurden erhebliche juristische Geschütze aufgefahren. Da wollte der „Chef des Hauses“ gerichtlich gegen das Land Brandenburg erwirken, Auskünfte gegenüber Dritten einschließlich der Medien über das Entschädigungsverfahren zu unterlassen, als handele es sich um eine Privatangelegenheit. Der Versuch scheiterte vor den Gerichten.

Doch er griff auch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit Malinowskis direkt an und unternahm sogar den Versuch, dessen berufliche Reputation zu beschädigen: So nahm ein Rechtsanwalt des Herrn Prinzen von Preußen im August 2015 den Beitrag in der ZEIT zum Anlass, Malinowski gegenüber dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zu bescheinigen, er sei „kein hinreichender Kenner der Materie“ und zeichne sich durch „mangelnde Kenntnis und tendenziöse Absicht“ aus.

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Sein Beitrag habe „endgültig belegt“, dass Malinowski „weder fähig noch willens“ sei, der Behörde sachgerechte Informationen zu verschaffen. Malinowski habe seine Aufgabe als Gutachter „missverstanden“ und sei „überfordert“.

Diese Anwürfe sind umso bemerkenswerter, als Georg Friedrich Prinz von Preußen auf seiner offiziellen Website behaupten lässt, er habe sich „für den freien und seinem Wesen nach ergebnisoffenen wissenschaftlichen Diskurs über die Themen der deutschen Geschichte ausgesprochen“.

Was darunter zu verstehen ist, wird im Schreiben des damals für ihn agierenden Anwalts deutlich. Gestützt auf ein von den Hohenzollern beauftragtes Gutachten heißt es, Kronprinz Wilhelm habe „die Methoden der NS-Bewegung nachweislich bekämpft“ und „wesentliche Beiträge zur Verhinderung der NS-Diktatur erbracht.“

Georg Friedrich Prinz von Preußen stellte Strafanzeige gegen den Historiker

Herr Prinz von Preußen ließ einer Behörde so Lektionen zu historischen Spezialfragen erteilen. Die hier wie par ordre du mufti mitgeilte Interpretation war zwar nicht „ergebnisoffen“, dafür aber historisch unhaltbar.

Das Anwaltsschreiben gipfelte im Antrag, den Gutachter vom weiteren Verfahren auszuschließen. Der Ausschluss erfolgte nicht. Und der frühere Gutachter des Hauses Hohenzollern, Christopher Clark, der damals noch die Rolle des Kronprinzen in ein mildes Licht gerückt hatte, revidierte seine Position zwischenzeitlich öffentlich.

Clarks Begründung: die profunden Forschungen Malinowskis. Die erfolglose Intervention bei der Behörde war nicht der Endpunkt: Georg Friedrich Prinz von Preußen ließ gegen Malinowski auch eine Strafanzeige wegen angeblicher Verletzung von Privatgeheimnissen in besagtem ZEIT-Artikel stellen. Auch diesem juristisch abwegigen Versuch, einen offensichtlich missliebigen Gutachter und Autor weiter zu diskreditieren, ja zu kriminalisieren, war erfreulicherweise kein Erfolg beschieden.

Stephan Malinowski.ist Historiker an der Universität von Edinburgh.
Stephan Malinowski ist Historiker an der Universität von Edinburgh.

© Manfred Thomas

Aber fünf Jahre später, Anno 2020, schreibt sein Medienanwalt in einem Abmahnschreiben an die Vorsitzende des Historikerverbandes, Prof. Eva Schlotheuber: „Mein Mandant hat an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt die wissenschaftlichen Methoden und keine Erkenntnisbildung angegriffen, schon gar nicht im Rahmen der Prüfung, ob seine Ansprüche nach dem EALG oder bezogen auf eine sog. Vorschubleistung bestehen.“ Hat er nie wissenschaftliche Forschung angegriffen, wie Georg Friedrich von Preußen behauptet?

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Der Historiker Stephan Malinowski gehörte auch zu denen, die seit dem Sommer 2019 nach weiteren Pressebeiträgen und Interviews auf Betreiben des „Chefs des Hauses“ anwaltlich abgemahnt und auf Unterlassung in Anspruch genommen worden sind.

Die Folgen des wenig souveränen Vorgehens sind gravierend: Viele Historiker, Politiker und Journalisten lassen sich, soweit sie sich überhaupt noch an der Diskussion zum Hohenzollernkonflikt beteiligen, anwaltlich detailliert beraten. Eine öffentliche Debatte jedoch, die nur noch in Gestalt anwaltlich geprüfter oder gar verfasster Stellungnahmen stattfindet, hätte ihren Namen nicht verdient.

Und der gleiche Medienanwalt, der für Georg Friedrich Prinz von Preußen so vehement vorging, hat 2020 in einem auf der Preußen-Homepage verbreiteten offenen Brief an den Historikerverband versucht, Herrn Malinowski erneut zu diskreditieren – unter anderem mit der Unterstellung, er würde Fakten erfinden.

Auf den Leihgaben wird er als „Seine Königliche Hoheit“ bezeichnet

Nach dem Landgericht Hamburg hat in dieser Woche auch das Oberlandesgericht entschieden, dass der Anwalt die Verbreitung derartiger Äußerungen zu unterlassen hat. Postuliert nicht Herr von Preußen in eigener Sache regelmäßig den Wahrheitsmaßstab, hatte er nicht reklamiert, „Lügen“ seien das Einzige, was man versuche, „geradezubiegen“?

Wenn es ihm ernst ist, mit der ausgestreckten Hand, die er neuerdings propagiert: Wäre es vor einer Fortsetzung von Verhandlungen über eine gütliche Einigung nicht selbstverständlich, wenn er alle Unterlassungsabmahnungen zurücknimmt, alle bei Gerichten anhängigen Anträge und Klagen gegen Historiker und Journalisten zurückzieht?

Auf Leihgaben von ihm im Schloss Charlottenburg wird er als „SKH“ bezeichnet. „Seine Königliche Hoheit“ formuliert auf der offiziellen Preußen-Webseite: Ausgangspunkt „unserer historischen Betrachtung“ könne nicht eine „vorgefasste Meinung, möglicherweise ein (partei-)politischer Standpunkt von heute sein“.

Das „frühere Geschehen“ sei in die „zeitgeschichtlichen Kontexte“ einzuordnen. Eben dies tun Historiker. Auch die, die zu anderen Ergebnissen gelangen als Herr Prinz von Preußen. Diesen Wissenschaftlern fehlende Professionalität zu unterstellen, wäre das Gegenteil eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der Freiheit der Wissenschaft.

Wie drückte es eine Zeitgenossin des Kronprinzen Wilhelm einst aus: Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.

Marcellus Puhlemann

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