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Abgeriegelt. Das Humboldt-Klinikum von Vivantes in Reinickendorf.

© imago images/Jürgen Ritter

Update

Jetzt 20 Fälle mit Corona-Mutation: Erste Berliner Klinik wegen B117 komplett unter Quarantäne

B117-Ausbruch im Humboldt-Klinikum in Reinickendorf: 20 Fälle bis Samstagabend, Aufnahmestopp für Patienten verhängt, Personal muss in Pendel-Quarantäne.

Fast 2000 Berlinerinnen und Berliner in Quarantäne, Klinik-Personal pendelt mit "Berlkönig"-Sammeltaxis zur Arbeit: Die neuesten Entwicklungen zum B117-Ausbruch finden Sie in diesem Artikel.

Um eine Ausbreitung der Coronavirus-Mutante B117. in Berlin zu verhindern, ist am Freitagabend auf Weisung des Gesundheitsamtes Reinickendorf das Humboldt-Klinikum unter Quarantäne gestellt worden. Das Krankenhaus sei "wegen der Corona-Mutation B117 geschlossen worden", teilte das Gesundheitsamt Reinickendorf tags darauf in einer Erklärung offiziell mit.

Bis Samstagabend wurden 20 bestätigte Fälle gezählt - bei 14 Patienten und sechs Mitarbeitenden. Sie stammen von einer Station für Innere Medizin und Kardiologie. Routinescreenings hätten die Nachweise ergeben, erklärte das Gesundheitsamt. "Es wird mit weiteren Infizierten gerechnet."

Experten gehen davon aus, dass eine mittlere zweistellige Zahl von Klinik-Mitarbeitern und Patienten bereits mit der Mutante infiziert sein könnte. Auch Angehörige des Klinikpersonals könnten bereits betroffen sein, festgestellte Symptome sprechen nach internen Einschätzungen dafür. Reinickendorfs Amtsarzt Patrick Larscheid sagt, dass der Ausbruch in dem Klinikum "ein Ausmaß angenommen hat, das wir im Moment schlecht überblicken können".

Larscheid hatte am Freitag die Reißleine gezogen. Das Robert Koch-Institut ist in die Maßnahmen eingebunden und berät Klinik und Behörden. Das Humboldt-Klinikum des landeseigenen Klinik-Konzerns Vivantes ist seit Freitag vom Rettungsdienst abgemeldet, es werden keine Notfälle mehr aufgenommen.

Nur zwischen Arbeit und Wohnung: Pendel-Quarantäne fürs Personal

Ein Aufnahmestopp wurde verhängt, für stationäre Behandlungen genauso wie für ambulante Eingriffe und Diagnostik. Das Humboldt-Klinikum konzentriere sich auf die derzeit dort stationär befindlichen Patienten, hieß es seitens des Gesundheitsamtes. Der ohnehin beschränkte Zugang zum Klinikum wurde verschärft: Lediglich Dialyse-Patienten und Angehörige Sterbender dürfen noch in die Klinik, auch Lieferdienste und Handwerker haben vorerst keinen Zutritt mehr.

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Das Klinikpersonal wurde unter sogenannte Pendel-Quarantäne gestellt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nur zwischen Arbeit und Wohnung pendeln und müssen sich ansonsten an Quarantäne-Regeln halten. Nach Tagesspiegel-Informationen dürfen sie dabei nicht Busse und Bahnen benutzen, die genaue Regelung ist aber noch in der Klärung. Im Gespräch sind demnach auch Shuttle-Fahrten für die Beschäftigten. "Leasingkräfte kommen bis auf Weiteres nicht mehr zum Einsatz", teilte der Vivantes-Konzern am Samstagabend mit.

Notfallversorgung im Berliner Norden nun eingeschränkt

Das Klinikum und mit dem Fall betraute Experten nennen die Abriegelung einen schmerzhaften Schritt, weil die Notfall- und Gesundheitsversorgung im Berliner Norden nun eingeschränkt ist. Das sei aber nötig, hieß es. Es gehe nicht nur um den Schutz der Patienten und des Personals, sondern um den Schutz der gesamten Hauptstadt, hieß es aus dem Team, das den Mutante-Ausbruch in den Griff bekommen soll. Jetzt müsse alles getan werden, damit die Ausbreitung der Corona-Mutante in Berlin „nicht explodiert“.

Das Humboldt Klinikum in Reinickendorf.
Das Humboldt Klinikum in Reinickendorf.

© imago images / Jürgen Ritter

Am Samstagnachmittag gab es eine Krisen-Schaltkonferenz mit Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) mit Vertretern des RKI, dem Vivantes-Vorstand, Bezirk und Rettungsdienst. Reinickendorfs Gesundheitsstadtrat Uwe Brockhausen (SPD) erklärte danach, die vorsorgliche Schließung des Klinikums sei "eine sehr sorgfältig getroffene Entscheidung". Bei dem Gespräch seien sich alle einig gewesen, dass die Schließung "in dieser Situation notwendig und richtig ist". Alle Beteiligten arbeiteten jetzt mit Hochdruck daran, die Untersuchungen voranzutreiben, Kontakte nachzuverfolgen und die weitere Ausbreitung möglichst einzudämmen.

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Noch stehe man ganz am Anfang, hieß es zuvor schon. Es gehe nun darum, sich überhaupt erstmal einen Überblick zu verschaffen, wie stark sich die Corona-Mutante bereits in dem Klinikum ausgebreitet hat. Alle Patienten und Mitarbeiter sollen jetzt getestet werden.

Bei positivem Test erfolgt eine Sequenzierung der Probe, um die mögliche B117-Mutante aufzuspüren. Erst wenn sich die Experten von RKI, Klinikum und Gesundheitsamt einen Überblick verschafft haben, soll über weitere Schritte entschieden werden. Das werde noch einige Tage in Anspruch nehmen, hieß es.

Mutante erhöht das Ansteckungsrisiko für Personal

Die Mutation B117 war Ende vergangenen Jahres in der südostenglischen Grafschaft Kent aufgetaucht und hatte sich rasch in London und Teilen des Landes ausgebreitet. Inzwischen ist sie auch in Deutschland nachgewiesen worden. Sie gilt als deutlich ansteckender als die ursprüngliche Form, auch wenn dies und das Ausmaß der höheren Infektiosität noch nicht letztgültig wissenschaftlich belegt sind. Bei konsequenter Quarantäne wären auch solche Varianten beherrschbar.

Doch etwa in Krankenhäusern, in denen Infizierte behandelt werden und wo selbst bei konsequenter Nutzung von Masken, Hygiene und Lüftung immer ein gewisser Anteil an Viren doch in die Luft gerät, erhöht eine solche Mutante das Ansteckungsrisiko vor allem für das Personal.

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Zusätzlich problematisch könnte B117 sein, wenn sich bestätigt, dass die Variante auch zu einer erhöhten Sterblichkeit führt. Dazu gibt es zwar noch nicht genügend Daten, aber doch schon deutliche Hinweise. Als plausibel gilt diese Möglichkeit auch.

Denn höhere Infektiosität bedeutet, dass die Viren effizienter darin sind, in menschliche Zellen einzudringen. Das gilt dann wahrscheinlich auch für die weitere Ausbreitung innerhalb des Körpers. Es kann bedeuten, dass das Virus sich schneller vermehren kann als die ursprüngliche Variante und so die Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem rechtzeitig und angemessen reagieren kann, sinkt.

Anders als bei anderen Mutanten, die etwa in Brasilien oder Südafrika zuerst nachgewiesen wurden, scheinen gegen B117 die derzeit verfügbaren Impfstoffe aber genau so effektiv zu sein wie gegen die Varianten, gegen die sie entwickelt wurden. Endgültige Sicherheit gibt es aber auch hierzu nicht.

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