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Ordnung auf dem Gepäckband: Die Koffer der Komparsen sind mit einem gelben X markiert.

© Lars von Törne

Update

„Ich bin gespannt, ob’s diesmal klappt“: 400 Komparsen spielen heute BER-Eröffnung

Auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg kommen heute die ersten Passagiere – aber nur zum Probebetrieb. Freiwillige testen die Abläufe. Eindrücke aus Schönefeld.

Für Jan Kuhnert ist es bereits das dritte Mal, dass er an einem offiziell noch gar nicht eröffneten BER eincheckt. 2012 hatte sich der heute 30-Jährige extra Urlaub genommen, um aus Boizenburg nach Berlin zu reisen und an zwei Tagen als Komparse beim Probebetrieb des neuen Flughafens mitzuspielen. Der sollte damals eigentlich kurz darauf eröffnet werden – doch dann kam alles anders.

Nun steht Kuhnert, der an diesem Dienstagmorgen erneut aus Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin gereist ist vor dem Eingang des BER-Terminals und wartet auf seinen Einsatz.

Er ist einer von rund 400 Komparsen, die an diesem Tag testen sollen, ob die Abläufe des Flughafens funktionieren und wo bis zur geplanten Eröffnung Ende Oktober noch nachjustiert werden muss.

„Mich reizt es, nach der Absage 2012 jetzt zu sehen, was verändert wurde“, sagt Jan Kuhnert, der in Boizenburg im Einzelhandel arbeitet. „Ich bin gespannt, ob’s diesmal klappt.“ Der BER sei nun mal das „meistbeobachtete Projekt“ Deutschlands.

Überrascht hat ihn am Morgen, als er mit dem Bus vom alten Flughafen Schönefeld am neuen Terminal ankam, wie viele Baustellen es hier rund um das Hauptgebäude immer noch gibt, obwohl der BER doch eigentlich längst fertig sein soll. „Da fragt man sich schon: Was ist in all den Jahren passiert“, sagt er und grinst.

„Ich bin gespannt, ob’s diesmal klappt“: Flughafen-Tester Jan Kuhnert ist zum dritten Mal dabei.
„Ich bin gespannt, ob’s diesmal klappt“: Flughafen-Tester Jan Kuhnert ist zum dritten Mal dabei.

© Lars von Törne

„Auf die Plätze, fertig, Test!“: Unter der Überschrift hat die Berliner Flughafengesellschaft mehrere Tausend Freiwillige aus Berlin und Brandenburg angeworben, um einen Probebetrieb des Flughafens BER zu simulieren.

In den vergangenen Wochen waren dem Aufruf bereits einige Hundert Verwandte, Freunde oder Nachbarn von BER-Bediensteten gefolgt und hatten seit dem 7. Juli im seit Jahren weitgehend ungenutzten Airport typische Flughafenabläufe nachgespielt.

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Bei einem Durchlauf hatte am 10. Juli ein ausgelöster Brandmelder zu einem vorzeitigen Ende geführt, das Terminal mit den Komparsen musste geräumt werden. „Offenbar hat jemand im Putzraum eine Zigarette geraucht. Es ist dann passiert, was passieren soll: Die Brandmeldeanlage sprang an“, sagte damals Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup.

Die Brandmeldeanlage tat ihren Dienst

Das ungeplante Ereignis sei trotzdem hilfreich gewesen: Es habe erfolgreich geprobt werden können, wie das Terminal geräumt wird.

An diesem Dienstag sollen nun zum ersten Mal rund 400 Komparsen aus der breiten Bevölkerung den BER füllen und alle Prozesse proben und testen, die zu einem realen Flughafenbetrieb gehören, wie die Flughafengesellschaft mitteilt. „Das beinhaltet den Alltagsbetrieb mit Check-in von Passagieren und Gepäck über die Sicherheitskontrolle bis zum Boarding.“

Zudem würden Sonderfälle geprobt, darunter die Evakuierung von Terminalbereichen und Verfahren bei Ausfällen von Systemen.

Unter den ersten, die vor dem Terminal in der Warteschlange stehen, ist am Dienstagmorgen auch Gundi Abramski. Die Berlinerin, die beim ZDF arbeitet, ist neugierig, wie die Abläufe innerhalb des Flughafens organisiert sind, sagt sie. Zudem habe sie schon mehrmals als Komparsin bei Film- und Fernsehaufnahmen mitgemacht.

Gundi Abramski hat schon Komparsen-Erfahrung von Film- und Fernsehdrehs.
Gundi Abramski hat schon Komparsen-Erfahrung von Film- und Fernsehdrehs.

© Lars von Törne

Ob Gundi Abramski an diesem Tag wirklich am BER einchecken kann, ist am Morgen allerdings noch unklar: Als sie zu Hause die Teilnahmebestätigung ausdrucken wollte, habe ihr die BER-Website nur eine Fehlermeldung angezeigt, dazu die Worte: „Ups, da ist leider ein Fehler aufgetreten“.

Vergitterte und verwaiste Läden, vor den Toiletten liegen Leitern und Werkzeug

Für die meisten Teilnehmer, die sich Mitte Juni für einen von 25 Testläufen anmelden konnten, beginnt der Tag wie ein regulärer Reisetag. Sie melden sich bei der Ankunft mit Pass oder Personalausweis am Terminal.

Beim Warten in der Schlange, die sich vom Eingang ins Flughafengebäude bildet, kann man vergitterte und verwaiste Läden sehen, an einer Hertz-Filiale sind Bauarbeiter mit Bohrmaschinen zugange. Vor den Toiletten liegen Leitern und Werkzeug, immer wieder laufen Bauarbeiter an den Wartenden vorbei.

Beim Probebetrieb tragen die "ORAT Flughafen-Tester" grüne Westen.
Beim Probebetrieb tragen die "ORAT Flughafen-Tester" grüne Westen.

© Lars von Törne

Nach der Anmeldung bekommen die Komparsen grüne Schutzwesten mit der Aufschrift „ORAT Flughafen-Tester“ ausgehändigt. ORAT steht für „Operational Readiness and Airport Transfer“, es ist die offizielle Bezeichnung für den Probebetrieb und das Inbetriebnahmeprogramm des neuen Flughafens.

Jeder Komparse bekommt an diesem Tag zwei fiktive Identitäten: Jede gilt für einen Durchgang, bei dem das Einchecken bis zum Einstieg in ein Flugzeug sowie die Abfertigung nach der Landung simuliert werden – nur dass die Flugzeuge hier später Busse sein werden, mit denen die Teilnehmer von Gate zu Gate gebracht werden.

An diesem Dienstag sollen zum ersten Mal rund 400 Komparsen aus der breiten Bevölkerung den BER füllen und alle Prozesse proben und testen.
An diesem Dienstag sollen zum ersten Mal rund 400 Komparsen aus der breiten Bevölkerung den BER füllen und alle Prozesse proben und testen.

© Lars von Törne

Nach einer kurzen Einführung durch einen Mitarbeiter der Flughafengesellschaft schnappen sich die Komparsen jeweils so viel Gepäck, wie auf ihrem Skript vorgeschrieben ist: Mal einen oder zwei große Koffer, die allesamt mit einem gelben „X“ als Testgepäck markiert sind, mal nur Handgepäck, und hin und wieder Sondergepäck wie Skier oder ein Surfbrett.

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Auf leuchtenden Anzeigentafeln sind die Flüge zu sehen, für die dann fiktiv eingecheckt werden soll. Über den Gepäckbändern, die bis auf eines stillstehen, sind die Zeiten fiktiver Landungen zu sehen: Wien, Stuttgart, Istanbul. Auf Lautsprecherdurchsagen werden die Passagiere auf Coronavirus-Vorsichtsmaßnahmen hingewiesen, abwechselnd auf Deutsch und Englisch.

Geld gibt es nicht - aber Brötchen und Getränke

Bezahlt werden die Flughafentester aus der Bevölkerung nicht, anders als zum Beispiel Komparsen bei Filmaufnahmen. Alle Teilnehmenden bekommen ein VBB-Ticket für An- und Abreise sowie ein belegtes Brötchen und alkoholfreie Getränke. Eigentlich sollte der Probebetrieb bereits im April starten. Rund 20.000 Komparsen waren damals bereits gefunden worden. Doch dann kam die Coronavirus-Pandemie und die Testläufe wurden auf Juli verschoben.

Anstehen beim Probebetrieb: Mit Abstand und Maske.
Anstehen beim Probebetrieb: Mit Abstand und Maske.

© Lars von Törne

Wegen der neuen Abstandsregeln wurde die Zahl der Teilnehmenden verringert. „Statt 20.000 können wir nur noch 9.000 Komparsenplätze anbieten“, teilte die Flughafengesellschaft den Freiwilligen mit, die sich bereits im Frühling angemeldet hatten und die sich nun erneut registrieren durften.

Fast wie im echten Leben: Komparsen beim Einchecken an einem BER-Schalter.
Fast wie im echten Leben: Komparsen beim Einchecken an einem BER-Schalter.

© Lars von Törne

Das wurde ergänzt um den Hinweis: „Wir möchten Sie vor Ihrer erneuten Anmeldung darauf hinweisen, dass alle Teilnehmenden am Probebetrieb sich an die geltenden Abstandsregeln halten und eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen.“

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Zuvor hatten bereits Ende April rund 250 Mitarbeiter des Flughafens, der Bundespolizei, der Bodenverkehrsdienstleiter sowie der Verkehrsbetriebe Berlin-Brandenburg erstmals die Abläufe am Flughafen getestet. „Wir sind sehr zufrieden mit dem guten Start in den Testbetrieb“, bilanzierte damals eine Sprecherin. Es habe keine größeren Probleme gegeben.

Blick in das Hauptterminalgebäude des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER).
Blick in das Hauptterminalgebäude des Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER).

© Patrick Pleul/zb/dpa

Der reale Flugbetrieb am BER soll am 31. Oktober beginnen. Die eigentlich geplante Eröffnung am 8. Mai 2012 war damals wegen Baumängeln kurzfristig abgesagt worden - nicht zum ersten Mal in der Geschichte des Flughafens.

„Trotz der Corona-Pandemie ist der Eröffnungstermin für die Inbetriebnahme des BER am 31. Oktober 2020 gesichert“, sagte vorige Woche Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. „Der Probebetrieb läuft erfolgreich, die technische Infrastruktur ist stabil.“ Das sei ein weiteres Zeichen dafür, dass man auf einem guten Weg sei, „aus dem baulich abgenommenen Gebäude einen funktionierenden Flughafen zu machen“.

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