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Steigende Energiepreise belasten Brandenburger Wirtschaft und Haushalte.

© Christian Charisius/dpa 

Exklusiv

Extreme Energiepreise bedrohen Brandenburg: „Handlungsbedarf ist hoch“ – Brandbrief aus Potsdam an Robert Habeck

Drohende Privatinsolvenzen und Firmenpleiten. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) fordert vom Bundeswirtschaftsminister ein zügiges Krisenmanagement.    

Brandenburgs Landesregierung schlägt Alarm bei der neuen Ampel-Bundesregierung wegen der extrem hohen Energiepreise und zunehmenden Pleiten von Stromanbietern. In einem aktuellen Brandbrief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) appelliert Landeswirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), "rasch gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um die negativen Auswirkungen der aktuell extrem hohen Energiepreise zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen."

In dem Schreiben vom 24.1.2022, das dieser Zeitung vorliegt, warnt Steinbach sogar vor einem drohenden Schub an Privatinsolvenzen im Land.  

Besonders betroffen sind laut Wirtschaftsminister Privathaushalte, kleine und mittlere Unternehmen und die energieintensive Wirtschaft. Konkret weist Steinbach etwa darauf hin, dass auch in Brandenburg "eine zunehmende Zahl privater Haushalte durch die Insolvenz von Stromanbietern oder eine Kündigung in die Grundversorgung zurückfallen." 

Die zur Anwendung kommenden Tarife lägen dann zum Teil um mehr als 100 % über den gewohnten Tarifen. Zum Hintergrund: In den letzten Wochen hatten bundesweit wegen steigender Energiepreise an den Strombörsen bereits sechs Anbieter, teilweise Ökostromanbieter, Insolvenz angemeldet – mit dramatischen Folgen für betroffene Haushalte. 

"Durch die gleichzeitig überdurchschnittlich hohen Gaspreise für die Wärmeversorgung und auch durch die Tatsache, dass in Brandenburg ca. ein Drittel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, steigt die finanzielle Belastung unserer Bürgerinnen und Bürger damit weiter an", heißt es in dem Brief an Habeck weiter. "Die vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bereits jetzt deutlich steigende Zahl der Privatinsolvenzen dürfte damit einen weiteren Schub bekommen." 

"Existenz der Unternehmen unmittelbar bedroht"

Auch für viele Firmen im Land ist die Entwicklung nach Einschätzung des Wirtschaftsministers bedrohlich. "Es gibt deutliche Signale aus der Brandenburger Wirtschaft, dass bedingt durch die schon vorhandenen Herausforderungen aus der Corona-Pandemie und nun nochmal verstärkt durch die hohen Energiepreise Eigenkapital aufgezehrt wird", warnt Steinbach.

Das sei angesichts der bekannten Eigenkapitalschwäche, gerade der ostdeutschen Unternehmen, ein "äußerst besorgniserregender Umstand", so der Brief: "Denn dadurch ist die Existenz der Unternehmen unmittelbar bedroht." Die von der Ampel-Koalition diskutierte geplante vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage, was Steinbach für richtig hält, "würde für die Privathaushalte natürlich zu Entlastungen führen", werde aber "auf die aktuelle Situation bezogen erst viel zu spät Wirkungen entfalten und ist damit als Sofortmaßnahme nicht geeignet."

Und im Bereich der stromintensiven Industrie ist die Lage laut Steinbach bereits so, dass "große Teile des Strombedarfs tagesaktuell an der Börse eingekauft" werden. "Bei den vorherrschenden Preisen führt das teilweise zu Produktionseinschränkungen und der Ankündigung von Kurzarbeit", so Steinbach. "Die erhöhten Preise können die Unternehmen nur zum Teil an ihre Kunden weitergeben." 

Auf einen Brief Woidkes an Habeck kam keine Antwort  

Es ist nicht der erste aktuelle SOS-Brief aus Potsdam an Habeck. Aus dem Steinbach-Schreiben geht hervor, dass sich zuvor bereits Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am 4.Januar 2022 wegen des Energiepreisproblems an den Bundeswirtschaftsminister gewandt hatte. Nach Informationen dieser Zeitung kam bisher keine Antwort.

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Diese Funkstille sorgt in Potsdam umso mehr für Irritationen, da die Situation immer kritischer wird. Steinbach bittet Habeck in dem Schreiben "aufgrund der schwierigen und akuten Lage" um "die zeitnahe Möglichkeit, Lösungen mit Ihnen – gerne auch im Verbund mit den anderen Landeskolleginnen und -kollegen – diskutieren zu können." Der Brandbrief endet mit diesem Satz: "Der Handlungsbedarf ist hoch." 

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