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Corona-Angebot: Die Handeslkette KiK bietet einzelne Stück für einen Euro an und will offenbar so ihre Lager räumen. Das Foto wurde aufgenommen im brandenburgischen Angermünde (Kreis Uckermark).

© Annette Kögel

Einlagern oder zum Schleuderpreis verkaufen?: Wie Berliner Textilhändler mit ihrer Lockdown-Winterware umgehen

Da Textilhändler auch nach der Teil-Öffnung nur wenige Kunden begrüßen können, müssen Sie Lösungen für ihre Saisonware finden. Die fallen unterschiedlich aus

Zum Wochenende soll das Wetter wieder milder werden, kurze Kleidung wird beliebter. Der Textileinzelhandel sitzt in Berlin und Brandenburg wegen des langen Lockdowns aber noch auf nicht verkaufter Saisonware. Laut dem Textilverband „FairWertung“ befinden sich infolge der Geschäftseinschränkungen bundesweit rund 500 Millionen Kleider und Schuhe unverkauft in den Lagern.

Viele Handelsgeschäfte der Region bieten solche Produkte jetzt zu besonders günstigen Preisen an oder stellen sie vermehrt auf Online-Plattformen ein, um Verluste durch den fehlenden persönlichen Verkauf zumindest zum Teil auszugleichen, wie eine Tagesspiegel-Umfrage ergab.

Der Bund verzichtet zugleich auf die üblicherweise anfallende Umsatzsteuer für wegen des Lockdowns nicht verkaufte Saisonware. Diese kann so an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden, teilte der Textil-Dachverband FairWertung e.V. aus Essen mit.

Zur angespannten Lage im Verkauf infolge der Coronapandemie in Berlin und Brandenburg erklärte das Schuhunternehmen Foot Locker dem Tagesspiegel nach Rücksprache mit der Konzernzentrale in den USA, „es wird keine Ware unnötig zerstört“. Foot Locker habe bereits im Pandemiejahr 2020 bekannt gegeben, dass man „zukünftig den Fokus auf die Pflege des Bestands legen werde und den Verkauf bereits existierender Produkte vorantreiben möchte“, sagt Sprecherin Rebecca Stringa.

Kernthema der Geschäftsstrategie 2020 sei es gewesen, den Verkauf der übrig gebliebenen Ware im Jahr 2021 „zu organisieren und ressourcenschonend zu agieren“. Schon während der Geschäftsschließung aufgrund des Lockdowns sei Bestandsware aus den Shops für die Online-Bestellungen genutzt worden.

Was aber passiert mit den Waren, die online bestellt wurden und dann doch nicht passen oder gefallen, gerade bei Trendprodukten für junge Konsument*innen, Sneakers etwa? Retourenware aus Berlin und Brandenburg werde bei Foot Locker, „wenn die Artikel in einem guten Zustand sind, in den Bestand aufgenommen und wieder verkauft“, heißt es.

Sweatshirts und Hemden für einen Euro

Aktuell läuft Terminvergaben-Shopping, und vor einigen Geschäften von KiK, etwa in Angermünde (Kreis Uckermark), fallen Kund*innen jetzt Kleiderständer auf, an denen Sweatshirts, Männerhemden und Fleeceshirts zum Preis von einem Euro angeboten werden. Beim Unternehmen KiK hieß es zum Ende des zweiten Lockdowns auf Anfrage, der stationäre Einzelhandel war ein zweites Mal komplett zum Erliegen gekommen. „Insbesondere der Umgang mit Saisonware, wie beispielsweise Winterjacken“, stelle viele Einzelhändler in Deutschland vor große Herausforderungen, teilte Sprecher Sören Heinrichsmeyer mit.

„Bei KiK wird keine Kleidung vernichtet. Grundsätzlich bleiben über 95 Prozent unser Artikel so lange in unseren Verkaufsstellen, bis sie abverkauft sind. Der kleine Rest wird gespendet beziehungsweise retourniert. Sollte die Saisonware nach dem aktuellen Lockdown auch mit hohen Rabattaktionen – bis zu 70 Prozent – nicht mehr verkauft werden können, werden wir sie einlagern.“ Da das Sortiment hauptsächlich aus Basisartikel bestehe, könne man „hier flexibler agieren als viele unserer Wettbewerber“.

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„Selbstverständlich wird unsere Ware, die derzeit aufgrund des Lockdowns nicht verkauft werden kann, nicht vernichtet. Die Winterware wird eingelagert und in der nächsten Wintersaison verkauft. Gegebenenfalls werden die Artikel auch nach der Aufhebung des Lockdowns in unseren Kaufhäusern zu reduzierten Preisen angeboten. Das hängt jedoch von der Wetterlage und der Nachfrage unserer Kundschaft ab“, teilt Roland Rissel für Woolworth in Berlin und Brandenburg mit.

Gleiches gelte für die Frühlings- und Sommerware. „Auch diese werden wir, falls möglich und sinnvoll, nach dem Lockdown weiterhin anbieten.“ Da Woolworth keine Waren online verkaufe, fielen während des Lockdowns auch keine Rückgaben an. Woolworth sei sich „seiner Verantwortung als großes Handelsunternehmen bewusst und entsprechend an einem umwelt- und ressourcenschonenden Umgang mit den Waren interessiert“, so Roland Rissel aus Unna weiter.

H&M setzt verstärkt auf den Online-Handel

In der Deutschland-Zentrale von H&M (Hennes & Mauritz) in Hamburg heißt es dazu, „Mode ist für uns viel zu wertvoll, um sie zu verschwenden. Es ist für uns daher auch selbstverständlich, dass wir keine intakte Kleidung vernichten“, beteuert ein Unternehmenssprecher. „Natürlich hat uns die Pandemie hat wie alle Einzelhändler auf der Welt getroffen. Im Einklang mit unserer langfristigen Vision im Bereich Nachhaltigkeit wollen wir aber auch trotz der aktuell schwierigen Lage verantwortungsvoll handeln.“ H&M habe ein starkes Online-Wachstum und dank der „Flexibilität werden viele Produkte, die eigentlich für den Verkauf in den Geschäften gedacht waren, nun online verkauft“.

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In Geschäften, die wieder geöffnet haben, bietet das Unternehmen seinen „Kund*innen neue Kollektionen, nicht-saisonale Produkte zum vollen Preis und eine Auswahl an saisonalen Produkten zu einem reduzierten Preis“. Man prüfe zudem „die Einlagerung von Kleidungsstücken für die nächste Saison, die Verschiebung in andere Geschäfte oder Märkte sowie Möglichkeiten für externe Käufer oder Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen“, hieß es weiter. Das Unternehmen bemühe sich, „grundsätzlich möglichst passgenau auf die Nachfrage unserer Kund*innen zu reagieren und nur das produzieren zu lassen, was wir auch verkaufen können“.

Dafür nutze H&M auch künstliche Intelligenz-Tools bei Berechnungen. So habe der Jahresbericht ergeben, dass es trotz der pandemiebedingten Einschränkungen einen Anstieg im Lagerbestand um nur ein Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt vor der Pandemie gab.

Das Problem der Textileinzelhändler: Sie haben eingekauft für die üblichen Kundenzahlen. Doch nur ein Bruchteil kommt wegen der Auflagen derzeit in die Geschäfte - wie hier am Berliner Alexanderplatz.
Das Problem der Textileinzelhändler: Sie haben eingekauft für die üblichen Kundenzahlen. Doch nur ein Bruchteil kommt wegen der Auflagen derzeit in die Geschäfte - wie hier am Berliner Alexanderplatz.

© Paul Zinken/dpa

Bundesregierung erleichtert Kleidungsspenden im Steuerrecht

Um der potenziellen Vernichtung im Handel infolge des Corona-Rückstaus entgegenzuwirken, hat nun das Bundesfinanzministerium die Bedingungen für eine Spende von Textilien an gemeinnützige Organisationen verbessert und auf die coronabedingt große Mengen unverkaufter Saisonware im Einzelhandel reagiert, teilte der Textil-Dachverband FairWertung mit.

Das Ministerium habe mit einem Schreiben an die Finanzbehörden der Länder vom 18. März 2021 den Weg für eine rechtssichere umsatzsteuerliche Abwicklung von Sachspenden freigemacht. FairWertung sei bereit, die Ware zu übernehmen: „Mit unserem Netzwerk können wir Lösungen für kleine, inhabergeführte Einzelhändler wie auch für größere Brands mit zentralen Lagerbeständen unkompliziert und flexibel vermitteln. Dabei berücksichtigen wir auch die Verwendungswünsche der Spender“, teilte Thomas Ahlmann, der Geschäftsführer des Dachverbandes FairWertung, dem Tagesspiegel mit.

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Bislang haben viele Unternehmen die Umsatzsteuer immer wieder als als Grund für den Verzicht auf eine Spende genannt. Hintergrund der aktuellen Maßnahme sind die großen Mengen unverkaufter Ware im Textilhandel. Nach Schätzungen des Textilverbands befinden sich rund 500 Millionen Kleider und Schuhe unverkauft in den Lagern. FairWertung teilte mit, man habe stets kritisch darauf hingewiesen, dass geltende steuerliche Regelungen bei nicht verkäuflichen oder online retournierten Waren die Vernichtung günstiger machten als das Spenden.

Der Textilverband hatte, wie berichtet, im Februar 2021 zusammen mit einem Bündnis aus gemeinnützigen Organisationen und Verbänden des Handels sowie unter der Federführung der Bundestagsabgeordneten Kathrin Göring Eckhardt (Bündnis90/Die Grünen) unter dem Motto #spendenstattvernichten eine umsetzbare und rechtssichere Regelung gefordert.

Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace kaufen deutsche Verbraucher im Schnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr – tragen diese allerdings nur noch halb so lang wie vor 15 Jahren. Zehn Prozent aller Textilabfälle finden weiterhin Verwendung am Markt als gebrauchte Kleidung, acht Prozent können dem Produktionskreislauf durch Recycling wieder zugefügt werden. Der Rest wird entsorgt.

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