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Gefährdet. Manche Wölfe werden grausam geköpft oder erwürgt.

© Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Drei Ermittlungsverfahren seit 1990: In Brandenburg werden immer mehr Wölfe getötet

In den letzten zweieinhalb Jahren wurden zwölf illegale Tötungen bekannt. Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen. Schützen schwören auf die drei großen „S“.

Von Sandra Dassler

Anfang Mai wurde der tote Wolf von einem Jagdpächter entdeckt. Er lag schon einige Zeit im Gleisbett einer stillgelegten Bahnstrecke zwischen Werder und Neuhof im Landkreis Teltow-Fläming. Eine Gewehrkugel hatte sein Leben beendet – und das kommt in Brandenburg leider immer häufiger vor.

„Uns sind seit 1990 insgesamt 28 Fälle von unrechtmäßig getöteten Wölfen bekannt geworden“, sagte der Sprecher des brandenburgischen Landesumweltamts (LfU), Thomas Frey, dem Tagesspiegel. Allerdings seien es bis zum 1. Januar 2019 „nur“ 16 Tiere gewesen. „Das heißt, in den letzten knapp zweieinhalb Jahren sind zwölf Wölfe von Menschen ums Leben gebracht worden.“

Nicht nur Thomas Frey findet einen solchen hohen Anstieg beunruhigend und traurig, zumal man davon ausgehen muss, dass die tatsächliche Zahl illegaler Abschüsse streng geschützter Wölfe noch um ein Vielfaches höher liegt, die Kadaver aber vergraben oder anderweitig beseitigt werden.

Unter Verdacht geraten immer mal wieder Jäger, aber auch Landwirte, die den Wolf vor allem wegen ihrer Weidetiere fürchten. Immerhin leben in Brandenburg inzwischen auf 53 Territorien 41 Rudel und 12 Paare mit mehr als 150 Welpen.

In begründeten Fällen dürfen Wölfe auch entnommen, sprich: geschossen werden, dazu bedarf es aber einer Genehmigung. Ansonsten ist der Abschuss eines Wolfes eine Straftat, die mit einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann. Wenn man die Schützen denn erwischt. Nicht wenige von ihnen schwören, was den Wolf angeht, auf die drei großen „S“: Schießen, schaufeln, schweigen.

Drei Gastjäger wurden der illegalen Wolfstötung bezichtigt

Wahrscheinlich waren auch deshalb alle drei Personen, die bislang in Brandenburg der illegalen Wolfstötung bezichtigt wurden, sogenannte Gastjäger: Der erste kam aus Nordrhein-Westfalen und erschoss am 22.April 1994 einen Wolf in Gandenitz im Landkreis Uckermark. Ein dänischer Jäger tötete am 2. November 2017 in Ragösen im Landkreis Potsdam-Mittelmark einen Wolf.

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In beiden Fällen wurde das Verfahren gemäß Paragraf 153a der Strafprozessordnung wegen geringfügigem öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. 1994 betrug sie 800 D-Mark, 2017 bereits 4000 Euro.

Der dritte Fall ereignete sich ebenfalls im Landkreis Potsdam-Mittelmark: Bei einer Drückjagd erschoss ein holländischer Gastjäger eine junge Wölfin. Diese hatte seinen Aussagen zufolge zwei Jagdhunde angegriffen und sich weder durch lautes Rufen und Klatschen, noch durch die Abgabe eines Warnschusses davon abbringen lassen.

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Auch hier war eine Verfahrenseinstellung nach Paragraf 153a erwogen worden, doch das hatten der Beklagte, seine Verteidigung und der Deutsche Jagdverband abgelehnt. Sie wollen endlich Rechtssicherheit in solchen Fällen erlangen, die immer wieder einmal vorkommen.

Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Potsdam Anklage erhoben und man darf gespannt auf den Prozess sein, der nach einer Corona-bedingten Verschiebung in wenigen Wochen am Amtsgericht Potsdam beginnen soll.

Im Fall des Anfang dieses Monats aufgefundenen Wolfes hat die Polizei eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen. Man habe den Sachverhalt bereits zur weiteren Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft abgegeben, sagte Polizeisprecherin Ariane Attrodt.

Wölfe wurden geköpft oder mit Stahlschlingen erwürgt

Das tote Tier wurde wie stets in solchen Fällen ins Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin gebracht. „Wir untersuchen hier alle toten Wölfe“, sagt IZW-Sprecher Steven Seet. „Und wir machen von jedem Tier eine virtuelle Autopsie, so dass uns kaum etwas entgeht.“ So hätten die Spezialisten etwa schon nachgewiesen, dass ein Wolf mit einem Auto zunächst über längere Zeit gehetzt wurde, bevor man ihn überfuhr. Überhaupt töteten Menschen manchmal unfassbar grausam, so würden die Tiere geköpft oder mit Stahlschlingen erwürgt.

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Aber auch ungewöhnliche natürliche Todesursachen kann man im IZW diagnostizieren. So wurde kürzlich im Landkreis Vorpommern-Greifswald eine tote Wölfin gefunden, bei der es sich um „Juli“ handeln soll. Sie stammt aus einem Rudel in Sachsen und wurde 2019 mit einem GPS-Sender ausgestattet. So konnte man ihre Wanderung über Cottbus und Berlin bis nach Mecklenburg-Vorpommern verfolgen. Dort soll sie sich gepaart haben und angeblich an Geburtskomplikationen verendet sein.

Noch könne aber kein endgültiges Untersuchungsergebnis vorliegen, sagt Steven Seet. Da auch stets genetische Untersuchungen vorgenommen würden, dauere es zwischen vier und sechs Wochen bis ein Befund erstellt sei. Die allermeisten Wölfe, die im IZW landen, sind allerdings tatsächlich bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, sagt LfU-Sprecher Thomas Frey: „2019 waren es 30 Tiere, 2020 sogar 36 im gesamten Land Brandenburg“.

Wölfe werden im Frühjahr geboren, sind im ersten Winter schon fast so groß wie ihre Eltern und erreichen im zweiten Winter ihre Geschlechtsreife. Dann ziehen die meisten los, um sich einen Partner zu suchen und ein eigenes Rudel zu gründen. Dabei überqueren sie auch viel befahrene Straßen und Autobahnen. Besonders viele Wölfe werden zwischen dem Autobahnkreuz Potsdam bis zur Abfahrt Ferch auf der A10 überfahren.

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