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Vor der Renovierung. Die Dorfkirche Zeestow wurde vierzig Jahre nicht von der Gemeinde genutzt, jetzt ist sie eine Autobahn- und Radwegekirche.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die Kirche im Dorf lassen – aber wie?: „Der Erhalt der Kirchen überfordert die christliche Gemeinschaft“

Zu viele Gebäude für zu wenige Gläubige: Brandenburgs Protestanten grübeln, wie sie ihre 1600 Gotteshäuser sichern können. Eine Idee: die Nutzung als Dorfladen.

Wer in ein Brandenburger Dorf fährt, sieht als erstes oft den Kirchturm: Oft schon aus kilometerweiter Entfernung sind die alten Feldsteinkirchen oder Fachwerktürme zu erkennen. 1600 Dorfkirchen gibt es im Land Brandenburg.

Doch für die Brandenburger Kirchengemeinden sind das zu viele Gebäude: „Der Erhalt der Kirchen überfordert die christliche Gemeinschaft“, sagt der Leiter des kirchlichen Bauamts der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Frank Röger. Denn die Gemeinden werden immer älter und immer kleiner, der Gebäudebestand aber bleibt bestehen.

Auf einer Tagung in Prenzlau berieten am Freitag deswegen Experten über die Zukunft der Kirchengebäude. Und dabei fielen deutliche Worte. „Der Reichtum an Steinen droht uns zu ersticken“, sagte der Prenzlauer Superintendent Reinhart Müller-Zetzsche. „Die Kosten und der innerkirchliche Beratungsaufwand für Bauangelegenheiten überfordern die Gemeinden.“

In der Uckermark und im Osten Deutschlands gebe es zu viele Kirchen: Für 12.000 Gemeindeglieder im Kirchenkreis Uckermark gebe es 130 Kirchengebäude, was bedeute, dass auf 92 Gemeindeglieder eine Kirche käme. „Schon jetzt, und erst recht angesichts der Mitglieder- und Finanzprobleme kann diese Baulast nicht getragen werden“, sagte Müller-Zetzsche. „Es ist höchste Zeit, die systematische Frage zu stellen und nach grundsätzlichen Lösungen zu suchen.“ Auch die Auflassung einer Kirche oder deren Umnutzung als für alle Einwohner nutzbare Friedhofskapelle brachte Müller-Zetzsche ins Gespräch.

Potsdamer Kirche soll zum Dorfzentrum werden

Doch es gibt auch andere Beispiele: So präsentierte die Potsdamer Pädagogin und Theologin Hanna Lömannsröben die Pläne, aus der alten Dorfkirche in Potsdam-Golm ein Dorfzentrum zu machen. „Geduld und Langen Atem“ benötige es, um ein eigentlich aufgegebenes Gebäude wieder zu beleben, sagte Lömannsröben. Und auch eine enge Zusammenarbeit von Kirchbauverein und Kirchengemeinde sei für den Erhalt der Kirche wichtig.

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Auch das Vorstandsmitglied der Brandenburgischen Architektenkammer, Achim Krekeler, berichtete ebenso wie der Vorsitzende des Förderkreises „Alte Kirchen“, Bernd Janowski, von zahlreichen gelungenen Beispielen der Kirchennutzung. Krekeler zeigte etwa das Beispiel einer Kirche aus dem Eichsfeld, in die ein Dorfladen eingezogen sei. Janowski nannte die Autobahn- und Radfahrerkirche in Zeestow am Berliner Ring, die auch dank ihrer hervorragenden Kunstausstattung stets gut besucht werde.

Nach der Renovierung: So sieht die Autobahnkirche in Zeestow inzwischen aus ...
Nach der Renovierung: So sieht die Autobahnkirche in Zeestow inzwischen aus ...

© Mike Wolff

... ein bisschen Ruhe am Berliner Ring.
... ein bisschen Ruhe am Berliner Ring.

© Mike Wolff

Indes können nicht alle Kirchen zu einer Radfahrer- oder Autobahnkirche werden. Nicht überall kann ein Dorfladen einziehen. Die größte Herausforderung, vor der die Kirche in den nächsten Jahren steht, werden vor allem jene Kirchen sein, die tatsächlich derzeit niemand mehr braucht.

Dornröschenschlaf für ungenutzte Kirchen?

„Kirchengemeinden sind auch in der Situation, in der die Gemeinde das Gebäude nicht braucht, dafür verantwortlich“, sagte Haiko Türk vom Landesdenkmalamt. Der Zustand des Baus müsse regelmäßig ermittelt werden. Sicherungsmaßnahmen blieben nötig.

Eine „plausible Lösung“ wäre es, ungenutzte Kirchen in eine Art Dornröschenschlaf zu schicken, sagte Janowski. Zudem plane man in der Uckermark einen Erfassungsbogen für Ehrenamtliche, mit deren Hilfe auch akute Schäden an ungenutzten Kirchen rechtzeitig erkannt werden können.

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Doch auch Kommunikation und Information werden wichtiger werden. So wies der ehemalige Brandenburger Infrastrukturminister Reinhold Dellmann darauf hin, dass nicht alle Kommunalpolitiker um den Zustand ihrer Kirche wüssten. „Der Erhalt der Gebäude muss sich zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe entwickeln, der maßgeblich durch die Kommunen und die Bürgerschaft getragen wird“, forderte auch Krekeler.

Im Kirchenkreis Elbe-Fläming, der zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland gehört, aber bei Wusterwitz und Ziesar nach Brandenburg hineinragt, sollen deswegen künftig Werkstattgespräche zur Zukunft der Kirchengebäude stattfinden, berichtete Superintendentin Ute Mertens. Denn auch dort seien die Gebäude „ein großer Reichtum, aber auch immer mehr eine große Last“ für die jeweiligen Kirchspiele.

Und in einem Satz machte die Theologin deutlich, vor welchen Fragen die Kirche in Brandenburg in den nächsten Jahren stehen wird: „Die Gebäude müssen der Nachwelt erhalten bleiben – aber sie dürfen auch nicht als schick sanierte leere Hüllen dastehen.“

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