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Die neue Europazentrale von Microvast im brandenburgischen Ludiwgsfelde.

© Christoph M. Kluge

Batterienhersteller Microvast in Ludwigsfelde: Volle Ladung für Elektromobilität aus Brandenburg

In der neuen Microvast-Europazentrale in Ludwigsfelde bei Berlin werden Lithium-Ionen-Akkus für Busse und Nutzfahrzeuge gebaut.

Einfach war er nicht, der Umzug unter Corona-Bedingungen. Doch nun konnte der amerikanisch-chinesische Batteriehersteller Microvast in Ludwigsfelde im Süden Berlins doch noch seine Batteriefabrik eröffnen. Der Standort wird zugleich die neue Europazentrale, die sich bisher in Frankfurt am Main befand.

Microvast habe den selbstgesetzten Zeitplan im Wesentlichen einhalten können, sagt der Deutschlandchef, Sascha Kelterborn. Nur ein paar Dinge liefen etwas holprig. „Der Internetanschluss funktioniert noch nicht.“ Der Netzbetreiber habe die Kabel noch nicht verlegt. Bis dahin behelfe man sich mit 5G-Routersystemen, sagt der 48-Jährige Manager, der viele Jahre für den Bahntechnikkonzern Vossloh in Russland, China und den Vereinigten Staaten gearbeitet hat, bevor er 2017 zu Microvast kam.

Die Pandemie habe sein Leben stark verändert, sagt Kelterborn. „Vorher war ich 120 Tage im Jahr auf Geschäftsreise.“ Jetzt arbeite er im Homeoffice. Sogar der Hund wundere sich, ihn so häufig zu sehen. Seit zwei Jahren wohnt Kelterborn im südlichen Berlin, und leitet den Aufbau der neuen Zentrale.

Wachsender Industriestandort im Süden Berlin

Durch die bodentiefen Fenster seines Büros im Obergeschoss der neuen Fabrik schaut Sascha Kelterborn auf die verschneite Landschaft Brandenburgs. Noch ist es ruhig in der Gegend, aber das wird sich wohl bald schon ändern. Seit 2018 entsteht an der Bundesstraße 101 der Industriepark 4.0. Es ist das fünfte Industriegebiet der 26 000-Einwohner-Stadt Ludwigsfelde.

Gegenüber von Microvast baut DHL gerade ein neues Logistikzentrum, das der Konzern als „Mega-Paketzentrum“ bezeichnet. Und ganz in der Nähe entsteht eine neue Fertigungsanlage des Gastro-Großhändlers Chefs Culinar. Bei Microvast ist in den vergangenen Wochen viel passiert.

Sascha Kelterborn hat Anfang Februar die Zentrale in Ludwigsfelde eröffnet. Im zweiten Quartal sollen hier Batteriemodule gefertigt werden.
Sascha Kelterborn hat Anfang Februar die Zentrale in Ludwigsfelde eröffnet. Im zweiten Quartal sollen hier Batteriemodule gefertigt werden.

© Christoph M. Kluge

Anfang Februar gab die Konzernzentrale in Texas eine geplante Fusion mit der Tuscan Holdings Corporation bekannt, einem börsennotierten Akquisitionszweckunternehmen. Diese Fusion bereitet den Weg für den Börsengang. Microvast-Aktien sollen in Zukunft an der US-amerikanischen Technologie-Börse Nasdaq gehandelt werden. Auch der US-Nutzfahrzeughersteller Oshkosh beteiligt sich mit einer strategischen Investition von 25 Millionen Dollar.

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Ludwigsfelde wird den europäischen Markt beliefern. In der rund 10 500 Quadratmeter großen Fabrikhalle steht bereits die erste Fertigungsstraße. Momentan programmieren und testen die Techniker noch. In Zukunft wird die Anlage fast ohne menschliches Zutun arbeiten. Die Anlage von Thyssenkrupp System Engineering wird vollautomatisch laufen. Zu Beginn des zweiten Quartals sollen die ersten Batteriemodule hergestellt werden.

Batterien für bis zu 75.000 Fahrzeuge pro Jahr

Es ist noch Platz für vier weitere Fertigungsstraßen. An denen könnte in jeweils bis zu drei Schichten gearbeitet werden. Wenn das Werk voll ausgebaut ist, soll es pro Jahr Batteriesysteme für bis zu 75 000 Fahrzeuge ausliefern können. Diese Stufe werde jedoch frühestens in drei bis vier Jahren erreicht sein, sagt Kelterborn. Dann sollen in Ludwigsfelde etwa 250 Menschen beschäftigt sein. Von denen werde aber nur ein kleiner Teil in der Produktion arbeiten.

Die Batteriezellen von Microvast werden aus China geliefert.
Die Batteriezellen von Microvast werden aus China geliefert.

© Microvast / Promo

Die meisten Jobs entstünden in Vertrieb, Logistik und Marketing. Die Büros, in denen sie zukünftig tüfteln und planen werden, seien gemeinsam mit den Beschäftigten konzipiert worden, sagt der Chef. Feste Schreibtische wird es dort nicht geben. Ähnlich wie das bei einigen Berliner Start-ups üblich ist, nimmt jede Mitarbeiter:in bei Schichtbeginn den eigenen Laptop, Unterlagen und persönliche Sachen aus einem Spind und setzt sich damit an einen der flexiblen Arbeitsplätze.

Große Tische und Sitzecken sollen das Teamwork erleichtern. Für persönliche Gespräche gibt es schalldichte Kabinen. Noch sind die Räume allerdings leer, die Belegschaft arbeitet im Homeoffice. Die aktuell etwa 40 Microvast-Beschäftigten sind dem Arbeitgeber aus Frankfurt gefolgt, sagt Kelterborn. Für zukünftige Rekrutierung sei die Nähe zur Hauptstadt ein klarer Vorteil.

„Hier gibt es noch bezahlbaren Wohnraum und Bauland.“ Dass Kelterborn die Preise günstig findet, liegt wohl auch daran, dass er sie mit denen vergleicht, die in Frankfurt und München verlangt werden. Dort ist die Lage auf den Immobilienmärkten noch angespannter. Berlin ist in nur etwa einer Stunde mit der Bahn von Ludwisgsfelde zu erreichen. Mit dem Auto geht es über die vierspurig ausgebaute B 101 sogar noch etwas schneller.

Brandenburg soll Zentrum der Mobilitätswende werden

Auch die Universitäten Potsdam und Cottbus mit ihren starken naturwissenschaftlichen Fachbereichen sind nicht weit. „Wichtig wird aber in Zukunft auf die Nähe zur Bundesregierung“, sagt Kelterborn. Mit der Landesregierung laufe die Zusammenarbeit bereits sehr gut.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (l, SPD) und Sascha Kelterborn aus einer Pressekonferenz Ende 2019. Auf dem Tisch im Vordergrund liegt ein Batteriespeicher.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (l, SPD) und Sascha Kelterborn aus einer Pressekonferenz Ende 2019. Auf dem Tisch im Vordergrund liegt ein Batteriespeicher.

© Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Dass sich Unternehmen wie Microvast in der Region ansiedeln, ist auch ein Erfolg für Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Der betont immer wieder, dass er die Mark zu einem Zentrum der Mobilitätswende ausbauen möchte – auch über Tesla hinaus. Am Standort Ludwigsfelde kann zudem an eine lange Tradition im Automobilbau angeknüpft werden. Schon seit mehr als einem halben Jahrhundert werden hier Nutzfahrzeuge hergestellt, wenn auch bislang mit Verbrennungsmotoren.

Zu DDR-Zeiten fertigten die IFA-Werke den legendären Vielzweck-Lkw „W 50“ in zahlreichen Varianten. Der Exportschlager gehört bis heute in vielen ehemaligen Ostblock-Ländern zum Straßenbild. Nach der Wende kam Mercedes-Benz; im Ludwigsfelder Werk läuft heute der Transporter „Sprinter“ vom Band.

Das größte Hemmnis für Elektrofahrzeuge seien die langen Ladezeiten, glaubt Kelterborn: „Die Fahrer wollen autark sein.“ Sie möchten auch spontan losfahren können, ohne ängstlich auf den Batteriestand schauen zu müssen. Deshalb sei das Schnellladen die wichtigste Entwicklung. Das gelte auch für den öffentlichen Nahverkehr.

Eine Frage der Infrastruktur

„Die Technologie ist vorhanden“, sagt Kelterborn, „aber wir brauchen die Infrastruktur.“ Denkbar seien zum Beispiel Linienbusse, die an der Haltestelle geladen werden, während die Fahrgäste ein- und aussteigen. So könnten die Fahrzeuge mit kleineren Batterieeinheiten fahren, hätten mehr Platz für Passagiere und ein geringeres Gewicht. Letztlich sei eine solche Schnellladung sogar ressourcenschonender als das heute meist übliche Laden über Nacht.

Nach eigenen Angaben liefert Microvast bisher Akkus für Elektrobusse, unter anderem für Verkehrsbetriebe in China. Außerdem gibt es verschiedene Pilotprojekte, etwa in England und Neuseeland. Etwas weiter ist man bereits als Zulieferer der Industrie. Batteriebetriebene Transporter sind zum Beispiel im Hafen von Singapur im Einsatz. Diese autonom fahrenden Hightech-Fahrzeuge befördern Seefrachtcontainer von A nach B.

In Deutschland ist ZF Friedrichshafen ein wichtiger Kunde. Der Automobilzulieferer hat kürzlich bekannt gegeben, in Zukunft ganz auf Verbrenner zu verzichten.

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