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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht mit der Belegschaft der PCK Raffinerie vor dem Hintergrund des geplanten Öl-Embargos der EU gegen Russland.

© Monika Skolimowska/dpa

„Ich will Sie hier nicht verkackeiern“: Habeck erklärt sein dreiteiliges Konzept, um Schwedt zu erhalten

Der Bundeswirtschaftsminister besuchte am Montag die Raffinerie in Brandenburg, die das drohende Öl-Embargo gefährdet. Die Beschäftigten kritisieren seinen Kurs.

Das Interesse an Robert Habeck ist zu groß. Die Kantine in der Raffinerie in Schwedt ist brechend voll mit Mitarbeitern in blau-orangener Arbeitskleidung, doch vor den Türen warten noch deutlich mehr Beschäftigte. „Wir haben ein Platzproblem“, erkennt schließlich eine Mitarbeiterin und bittet alle Beschäftigten auf die Terrasse im Freien.

Hastig schiebt das BKA dort in der Abendsonne ein paar Tische als provisorische Tribüne zusammen. Doch dann kommt der Bundeswirtschaftsminister und steigt auf einen anderen Tisch, der deutlich näher an den Beschäftigten steht. „Es ist wahrscheinlich ein bisschen spät, dass ich hier bin“, sagt Habeck zu Beginn. „Es war aber umgekehrt der erstmögliche Zeitpunkt, um nach Schwedt zu kommen.“

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Seit Wochen geht in der PCK-Raffinerie die Angst um. Das drohende Öl-Embargo gegen Russland, das die EU aktuell ausarbeitet, gefährdet den Standort mit seinen 1200 Mitarbeitern in der Uckermark existenziell.

Mehrheitlich ist die PCK in der Hand des russischen Staatskonzerns Rosneft. Das Rohöl, das in Schwedt verarbeitet wird – 12 Millionen Tonnen pro Jahr – kommt über die Druschba-Pipeline direkt aus Russland nach Brandenburg. Von hier wird fast der gesamte Bedarf an Benzin, Kerosin, Heizöl und Diesel für die Hauptstadtregion produziert.

Kommt kein Öl mehr nach Schwedt, ist auch die Versorgungssicherheit in Berlin und Brandenburg gefährdet. Nach einer Lösung, um aus den Besitzverhältnissen und den russischen Lieferungen herauszukommen, wird seit Wochen gesucht.

Habeck steht auf einem Tisch vor den Beschäftigten der Raffinerie in Schwedt.
Habeck steht auf einem Tisch vor den Beschäftigten der Raffinerie in Schwedt.

© Monika Skolimowska/dpa

Eine Patentlösung hat auch Habeck am Montagabend zur außerordentlichen Betriebsversammlung nicht mitgebracht, das macht er klar: „Ich will Sie hier nicht verkackeiern.“ Doch der Grünen-Politiker, der gemeinsam mit Brandenburgs Ministerpräsidenten, Dietmar Woidke, sowie Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (beide SPD), gekommen war, machte der Belegschaft Hoffnung. Ziel der Bundesregierung sei es, den Standort langfristig zu erhalten. „Wir brauchen Schwedt.“

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Dann skizziert er seinen Weg, wie er Schwedt trotz eines Embargos erhalten wolle. Demnach soll Schwedt zum Teil mit Öl aus anderen Ländern und aus der nationalen Ölreserve über Schiffe und den Hafen in Rostock versorgt werden.

Zudem soll auch ein Teil des Öls über den polnischen Hafen Danzig nach Schwedt kommen. Die dadurch höheren Kosten für die Raffinerie übernehme die Regierung. „Christian Lindner bezahlt sozusagen.“

Das dritte Element in dem Konzept sei eine neue Eigentümerstruktur. Hier sei eine Treuhandstruktur ähnlich wie bei der Gazprom Germania denkbar, deutete Habeck an. Bei Gazprom verwaltet die Bundesnetzagentur seit einigen Wochen den Geschäftsbetrieb. „Wenn alles drei klappt, dann haben Sie eine Jobsicherheit für die nächsten Jahre“, sagte Habeck, räumte aber auch ein, dass sein Plan nicht ohne Risiko sei. „Das hat noch nie jemand geübt.“

Beschäftigte kritisieren Kurs der Bundesregierung

Die rund 700 Beschäftigten, die Habecks Rede ohne Zwischenrufe verfolgten, äußerten sich danach kritisch zum Kurs der Bundesregierung. Die Druschba-Pipeline solle nicht unter die Sanktionen fallen, forderte eine Mitarbeiterin und erinnerte Habeck unter großem Applaus an seinen Amtseid.

Der Vizekanzler verteidigte das Embargo. Der Angriffskrieg des russischen Präsidenten in der Ukraine, sei ein Tabubruch in der Friedensordnung in Europa, Sanktionen seien daher nötig. „Wenn Putin erfolgreich ist, versündige ich mich an meinem Amtseid“, sagte Habeck. „Dann greift er das nächste Land an.“

Woidke dankte Habeck für sein Kommen, forderte aber Garantien für die Versorgungssicherheit und für den Standort. Jeder einzelne Beschäftigte brauche Klarheit und eine Perspektive, sagte Woidke. „Ihr seid der Treibstoff, der Brandenburg antreibt.“ Auch Habeck bedankt sich nach mehr als einer Stunde hitziger Diskussion: „Das hätte auch eierwürfiger werden können.“

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