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Annalena Baerbock.

© imago images/teamwork

Grünen-Chefin soll neue Außenministerin werden: „Baerbock wird unser Bild in der Welt verändern“

Der Koalitionsvertrag steht: Was wird die Ampel in der Außenpolitik anders machen als Angela Merkel? Ein Gespräch mit DGAP-Chefin Cathryn Clüver-Ashbrook.

Von Hans Monath

Die deutsch-amerikanische Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook ist seit Sommer Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Frau Clüver Ashbrook, was wird die Ampelkoalition mit diesem Koalitionsvertrag in der Außen- und Sicherheitspolitik anders machen als Angela Merkel?
SPD, Grüne und FDP haben ein progressives Programm vorgelegt. Besonders im Verhältnis zu China will die Ampel neue Wege gehen. Es ist nicht mehr von „Chancen“ für die deutsche Wirtschaft die Rede wie noch im Koalitionsvertrag von 2018. Die künftige Koalition zeigt eine neue Klarheit, sieht China weiter als Partner, aber eben auch als Systemrivalen. Deutschland soll sich in seiner China-Politik stark mit den USA absprechen, um strategische Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Das ist eine Abkehr von dem, was bislang galt.

[Mehr zur Ampel: Der Vier-Jahres-Plan - das sind die wichtigsten Projekte der Ampel (T+)]

Was ist der Grundgedanke des Vertrags?
Die Ampelkoalition kehrt zurück zu einer normativen, wertegeleiteten deutschen Außenpolitik. Neu ist, dass diese Außenpolitik mit mehr internationalen Partnern abgestimmt werden soll. Indien kommt in diesem Koalitionsvertrag genauso oft vor wie Frankreich, weil es auch eine dem Multilateralismus verpflichtete Demokratie ist. Die neue deutsche Regierung denkt globaler als ihre Vorgängerin und will ein wertegeleitetes internationales System stärken. Vor allem die US-Regierung unter Joe Biden wird dieses Angebot sehr begrüßen.

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Wird die neue Koalition in der Außen- und Sicherheitspolitik systematischer vorgehen als Regierungen bislang?
Es ist jedenfalls wichtig, dass die neue Koalition im kommenden Jahr eine nationale Sicherheitsstrategie vorlegen will. Sie wendet sich an die eigenen Bürgerinnen und Bürger, aber auch an die internationalen Partner. Diese Regierung macht sich in der Außenpolitik sprachfähiger: Sie wird definieren, welche Interessen sie hat und was sie vorhat. Und kann daran dann auch gemessen werden. Bis dahin müssen einige offene Fragen zu einem möglichen stärkeren Engagement der Bundeswehr noch geklärt werden.

Wird als erste Frau das Auswärtige Amt leiten: Grünen-Politikerin Annalena Baerbock, bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages.
Wird als erste Frau das Auswärtige Amt leiten: Grünen-Politikerin Annalena Baerbock, bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages.

© Michael Kappeler/dpa

Viele Deutsche sind skeptisch gegenüber Militäreinsätzen. Wie geht der Koalitionsvertrag mit harten Machtmitteln um?
Mit einem neuen Realismus. Die Partner haben vereinbart, für die Bundeswehr bewaffnete Drohnen anzuschaffen. Damit beendet sie eine zehnjährige Debatte darüber innerhalb der SPD. Ich begrüße das sehr, denn die Bundeswehr braucht Kampfdrohnen, um die eigenen Soldaten zu schützen und die Zahl von Kampfeinsätzen zu minimieren. Typisch deutsch an diesem Vertrag ist: Immer soll auch der Bundestag eingebunden werden, immer schwingt mit, dass die Bürgerinnen und Bürger skeptisch gegenüber mehr internationaler Verantwortung sein können und erst überzeugt werden müssen. Andere Nationen geben ihrer Exekutive da mehr Freiheiten. 

[Mehr zur Ampel: Von Corona überlagert – die Ampel steht, aber funktioniert sie auch? (T+)]

Versprochen wird, dass Deutschland seinen Beitrag zur nuklearen Abschreckungsstrategie der Nato fortführt, also weiter US-Atomwaffen hier lagern. Auf der anderen Seite will die neue Koalition dem Atomwaffenverbotsvertrag als Beobachter beitreten. Wie kommt das bei den Nato-Partnern an?
Das wird eine der ersten Fragen von US-Präsident Joe Biden an einen Kanzler Olaf Scholz sein, wenn sie sich treffen. Und die anderen Nato-Partner werden auch dringende Fragen haben. Die Aussagen zur atomaren Abschreckung im Koalitionsvertrag sind widersprüchlich – einerseits das Bekenntnis zur nukleare Teilhabe, andererseits die Annäherung an den Atomwaffenverbotsvertrag, den kein Nato-Mitglied unterschrieben hat. Die Amerikaner sind gerade dabei, ihr Arsenal an Nuklearwaffen zu modernisieren, womit sie auf die Modernisierung der russischen Waffen reagieren. Sie werden darauf bestehen, dass Deutschland sich klar zur nuklearen Teilhabe und zu seinen Verpflichtungen daraus bekennt.

Die Tornado-Kampfflugzeuge der Bundeswehr, die im Ernstfall US-Atomwaffen ins Ziel tragen, sind veraltet und müssen ersetzt werden. Dazu gibt es eher allgemeine Aussagen im Vertrag. Ist da die Möglichkeit für einen schleichenden Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe angelegt?
Der Koalitionsvertrag lässt da viel Freiraum. Das liegt auch daran, dass innerhalb der drei Ampelparteien unterschiedliche Haltungen zu militärischen Fragen verbreitet sind, vor allem in der SPD und bei den Grünen. Die Offenheit bedeutet aber auch: Verbündete Deutschlands können mit der neuen Bundesregierung reden und versuchen, Entscheidungen voranzubringen, die in gemeinsamen Interesse sind.

Leitet seit einem halben Jahr die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und lobt feministische Ansätze in den internationalen Beziehungen: Cathryn Clüver Ashbrook.
Leitet seit einem halben Jahr die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und lobt feministische Ansätze in den internationalen Beziehungen: Cathryn Clüver Ashbrook.

© DGAP / Zsofia Pölöske

Die Ampel verspricht eine feministische Außenpolitik. Ist das wichtig?
Unbedingt. Die feministische Außenpolitik will eine inklusivere Perspektive in der Außenpolitik sicherstellen, indem Männer und Frauen ihre Perspektiven gleichberechtigt an den Tisch bringen. Das stärkt die Außenpolitik, weil dann andere Verhandlungslogiken gelten, die Lösungen dauerhafter angelegt sind und Diplomatie insgesamt besser funktioniert. Internationale Probleme ganzheitlich zu denken, ist ein Wesensmerkmal feministischer Außenpolitik. Das lässt sich an vielen Beispielen zeigen, auch im Koalitionsvertrag. Der will etwa sicherstellen, dass für Auslandseinsätze künftig Exitstrategien erarbeitet werden. Dass dabei auch das Schicksal gefährdeter Gruppen in Einsatzländern in den Blick genommen wird, ist eine Folge des feministischen Ansatzes. 

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Das heißt: Sie sehen Fragezeichen, aber doch einen Sprung nach vorn?
Das Entscheidende ist, dass die außenpolitischen Ziele in einer neuen Weise mit der Innenpolitik verbunden werden. Eine progressive Außenpolitik, aber auch Fortschritte zum Beispiel im Staatsbürgerrecht. Die digitale Diplomatie soll gestärkt werden, die Städte werden zum Beispiel in der Klimapolitik zu eigenständigen internationalen Akteuren aufgewertet. Und das Versprechen, drei Prozent des BIPs zur Stärkung der internationalen Handlungsfähigkeit in Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit, Krisenprävention und Militär zu investieren, ist auch vernünftig.

Was bringt Annalena Baerbock mit, um eine gute Außenminister zu werden?
Annalena Baerbock wird nach diesem Wahlkampf wissen, wo ihre Stärken liegen und wo nicht. Sie wird das Außenministerium so aufstellen, dass es den ganzheitlichen Ansatz des Koalitionsvertrages umsetzen kann. Sie ist eine sehr lernfähige Zuhörerin, aber sie kann auch entscheiden. Und was ihr an Erfahrung fehlt, werden die Expertinnen und Experten im Auswärtigen Amt ausgleichen. Ich bin sicher: Mit ihrer Persönlichkeit wird sie nach außen ein sehr modernes Deutschland repräsentieren, das wird auch unser Bild in der Welt positiv verändern.

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