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Wladimir Putin, Präsident von Russland.

© Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Update

Funkstille beendet: Scholz und Putin telefonieren erstmals seit Ende März wieder

75 Minuten dauerte das Gespräch am Freitagvormittag. Der Kanzler forderte unter anderem einen schnellen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg.

Nach mehr als sechs Wochen Funkstille hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. In einem 75-minütigen Telefonat am Freitagvormittag forderte der SPD-Politiker einen schnellen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg, die Verbesserung der humanitären Lage im Kriegsgebiet und Fortschritte bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte.

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Nach Angaben des Kremls kam das Gespräch auf deutsche Initiative zustande. Es sei vereinbart worden, die Diskussion „auf verschiedenen Kanälen“ fortzusetzen.

Scholz hatte nach Beginn des Krieges in der Ukraine mehrfach mit Putin telefoniert, zuletzt am 30. März. Wenige Tage später wurde das Massaker im Kiewer Vorort Butscha bekannt. Danach gab es zunächst keinen Kontakt mehr.

In einem vergangene Woche veröffentlichten „Stern“-Interview hatte Scholz gesagt: „Wenn es etwas zu bereden gibt, werde ich den Kontakt wieder aufnehmen. Unsere Priorität ist klar: Die Kriegshandlungen müssen sofort beendet werden.“

Hebestreit begründete den jetzigen Vorstoß des Kanzlers mit den Worten: „Man muss natürlich an irgendeinem Punkt dazu kommen, dass es auch wieder diplomatische Initiativen geben muss.“ Ziel sei es, „diesen furchtbaren Krieg mit schrecklichen Zahlen von Opfern, viel Zerstörung und auch der ganzen Sinnlosigkeit, die ein Krieg mit sich bringt, einem Ausweg zuzuführen“.

Putin bekräftigt Nazi-Vorwürfe gegen Ukraine - Scholz hält dagegen

Aus dem Kreml hieß es zu dem Gespräch, Putin habe „ausführlich“ über Russlands Ziele in der Ukraine informiert. Ein Fokus habe auf humanitären Aspekten gelegen. Putin habe Scholz zudem auf „grobe Verletzungen der Normen des internationalen Völkerrechts durch sich zur nazistischen Ideologie bekennende Kämpfer“ hingewiesen.

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Russland begründet seinen am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg gegen das Nachbarland immer wieder unter anderem mit einer angeblichen „Entnazifizierung“ der Ukraine. Experten stufen das als reinen Vorwand für Moskaus Aggression ein. Scholz wies in dem Telefonat die Nazi-Vorwürfe Putins gegen die Ukraine zurück.

Laut Hebestreit sprachen Kanzler und Präsident auch über die globale Lebensmittelversorgung, die wegen des russischen Angriffskriegs angespannt ist. „Der Bundeskanzler erinnerte daran, dass Russland hier in besonderer Verantwortung steht“, schrieb der Regierungssprecher. Die Ukraine zählt zu den größten Getreideproduzenten weltweit, kann aber wegen der durch Russland blockierten Häfen im Schwarzen Meer derzeit nichts ausführen.

Mit Hinweis auf sein Telefonat mit Putin sagte Scholz dann später in Köln auf einer SPD-Wahlveranstaltung: „Revanchismus und Imperialismus dürfen nicht die Wirklichkeit in Europa bestimmen.“

In Russland sei noch nicht verstanden worden, dass Frieden nicht möglich werde, wenn Moskau sich mit militärischer Gewalt ein Stück von der Ukraine nehme, sondern nur „mit einer Verständigung, einer Vereinbarung, einem Friedensschluss zwischen der Ukraine und Russland, der kein Diktatfrieden ist“, sagte Scholz vor etwa 1500 Zuschauern. „Wir werden keinen Diktatfrieden akzeptieren für die Ukraine.“

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Scholz hatte seine Initiative für ein Gespräch mit Putin bereits am Morgen im Verteidigungsausschuss des Bundestags angekündigt. Nach Teilnehmerangaben soll er dort darauf verwiesen haben, dass ein Gespräch vor dem 9. Mai noch keinen Sinn gemacht hätte. An diesem Tag hatte Putin seine mit Spannung erwartete Rede bei der Militärparade zum 77. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg gehalten.

Sie fiel weitaus weniger scharf aus, als viele erwartet hatten. Es war befürchtet worden, Putin könnte die Generalmobilmachung ausrufen oder der Ukraine formell den Krieg erklären.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hatte zwischenzeitlich nicht mehr mit Putin telefoniert, griff aber bereits am 3. Mai wieder zum Hörer. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte Putin sogar in Moskau besucht, um eine Deeskalation im Ukraine-Krieg zu erreichen. Hebestreit betonte, dass das Telefonat mit Putin „im Nachgang“ zu Scholz' Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch stattgefunden hat. (dpa, Reuters)

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