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Ein junger Mann wird mit einer Booster-Dosis eines Corona-Impfstoffs geimpft.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

Coronavirus in Deutschland: Bundesverfassungsgericht billigt Pflege-Impfpflicht

Gegen die Teil-Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal gab es Dutzende Verfassungsbeschwerden. Sie bleiben erfolglos.

Inmitten der wiederaufkommenden Diskussion um eine allgemeine Corona-Impfpflicht hat das Bundesverfassungsgericht am Donnerstagvormittag die Corona-Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal gebilligt.

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Im Eilverfahren hatten die Richter und Richterinnen in Karlsruhe diese nicht beanstandet. Kritisch merkten sie im Februar aber an, dass im Gesetz nichts Genaueres zum Impf- und Genesenennachweis stehe. Es werde bloß auf eine Verordnung mit weiteren Verweisen auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts (RKI) verwiesen. Das höchste deutsche Gericht veröffentlichte seinen heutigen Beschluss schriftlich.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte noch am Mittwoch gesagt, er gehe davon aus, „dass die Rechtmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht tatsächlich bestätigt wird“. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, war sich nicht so sicher: „Sicherlich wird das Bundesverfassungsgericht die vom Gesetzgeber vorgesehene Rolle des RKI beanstanden.“ Es könne nicht sein, dass der Bundestag eine untergeordnete Behörde die Kriterien ausgestalten lässt. „Ob damit das gesamte Gesetz verfassungswidrig ist, darf bezweifelt werden.“

Einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt seit Mitte März

Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht soll alte und geschwächte Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Sie haben ein besonders hohes Risiko, sehr schwer zu erkranken oder daran zu sterben. Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken, aber zum Beispiel auch in Arztpraxen und bei ambulanten Diensten, Hebammen, Masseure und Physiotherapeuten mussten bis zum 15. März nachweisen, dass sie voll geimpft oder kürzlich genesen sind. Neue Beschäftigte brauchten den Nachweis ab dem 16. März.

Fehlt er, muss die Einrichtung das Gesundheitsamt informieren. Es kann den Betroffenen verbieten, ihre Arbeitsstätte zu betreten oder ihre Tätigkeit weiter auszuüben. Für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, gilt eine Ausnahme.

Drei Bundesländer wollen neuen Anlauf für allgemeine Impfpflicht

Erst am Montag hatten Baden-Württemberg, Bayern und Hessen bei einer digitalen Gesundheitsministerkonferenz appelliert, angesichts einer drohenden Corona-Welle im Herbst einen Neuanlauf im Bundestag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren zu wagen. So könnten eine Überlastung des Gesundheitssystems und damit auch Einschränkungen für die Gesamtbevölkerung vermieden werden. Ende Juni sollen die Gesundheitsminister erneut darüber beraten und ein Beschluss treffen.

Ein fraktionsübergreifender Entwurf für eine allgemeine Impfpflicht zunächst ab 60 Jahren war Anfang April im Bundestag klar gescheitert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte daraufhin deutlich gemacht, dass er keine Basis für einen erneuten Anlauf sehe.

Corona-Impfpflicht hatte Klagewelle ausgelöst

Mit Blick auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht hatten der Erste Senat des Verfassungsgerichts im Eilverfahren geprüft, was die schlimmeren Folgen hätte: wenn er erstmal alles laufen lässt, obwohl die Klagen berechtigt wären - oder wenn er die Impfpflicht zunächst aussetzt und sich diese später als verfassungsgemäß herausstellt. Diese Folgenabwägung ging zum Nachteil der Klägerinnen und Kläger - überwiegend ungeimpfte Beschäftigte sowie Einrichtungsleiter, die weiter ungeimpftes Personal beschäftigen wollen - aus.

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„Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber“, teilte das Gericht im Februar mit. Die Impfpflicht begegne „zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht konnte somit wie geplant umgesetzt werden. Es stand aber noch eine umfassende Prüfung der Verfassungsbeschwerden aus.

Die Verabschiedung dieser Impfpflicht in Bundestag und Bundesrat hatte eine Klagewelle ausgelöst: Dutzende Verfassungsbeschwerden von Hunderten Klägerinnen und Klägern gingen in Karlsruhe ein.

Patientenschützer Brysch sagte, die einrichtungsbezogene Impfpflicht stehe politisch „auf tönernen Füßen“. Sie bleibe arbeitsrechtlich und administrativ eine Herausforderung. In den Daten der Einrichtungen werde in der Regel nicht zwischen geimpftem und genesenem Personal unterschieden. Doch gerade bei den Hunderttausenden Genesenen falle dieser Status in den nächsten Wochen und Monaten weg. (dpa)

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