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Noch ist kein Vogel in der Luft. Passagierflugzeuge von Easyjet stehen auf dem Vorfeld am Terminal 1 vom Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg.

© Patrick Pleul / dpa

BER-Eröffnung: Soweit die Flügel tragen

Am Samstag wird der Willy-Brandt-Flughafen vor den Toren Berlins endlich eröffnet. Wer hätte das gedacht? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thorsten Metzner

Angela Merkel wird nicht erwartet, es ist kein Termin zum Schmücken. Am Sonnabend wird der neue Willy-Brandt-Flughafen für die Hauptstadtregion endlich in Betrieb genommen, geschlagene 24 Jahre nach dem Startschuss. Und 14 Jahre nach dem Baubeginn 2006, ja, Merkel war schon damals Kanzlerin. Acht Jahre, nachdem ein Landrat 2012 die Eröffnung einer Baustelle als Flughafen abwendete, als die 30 000 Einladungskarten bereits verschickt waren. Und ausgerechnet jetzt, anno 2020, wo man starten kann, wird der BER am wenigsten gebraucht. Weil kaum einer fliegt. Take off im Lockdown, das ist tragisch, aber irgendwie typisch für den BER. Immerhin, es ist keine Ruine im märkischen Sand. Abhaken, jetzt Blick nach vorn?

Zum Jubel besteht kein Anlass. Trotzdem gebührt denen Respekt, die den Totgesagten gerettet haben: Das ist der weithin unbekannte Terminal-Bauleiter Peter Herrmann, der nie ins Rampenlicht wollte, und einfach seinen Job machte. Das gilt für Chef-Geschäftsführer Engelbert Lütke Daldrup und den Chef-Aufsichtsrat Rainer Bretschneider. Es sind zwei Ex-Staatssekretäre, zwei preußische Beamte, die gepackt haben, woran vorher alle scheiterten, ein Manager nach dem anderen, Technikchefs, Regierungschefs. Die BER-Ahnengalerie ist lang. Das letzte war das beste Aufgebot. 

Der Preis ist hoch, zu hoch

Nun geht es los. Aber der Preis ist hoch, zu hoch, wegen der verlorenen Jahre, wegen des Geldes. Vor den Toren Berlins steht einer der kleinsten, aber teuersten Metropolen-Airports der Welt. Für sieben Milliarden Euro hätte man getrost zwei Flughäfen bauen können. Und weil das Gros auf Pump bezahlt wurde, werden Berlin, Brandenburg und der Bund ihrer Staatsfirma weitere Unsummen zahlen müssen, jetzt für den BER in Betrieb.

Das liegt nicht - auch wenn diese Legende jetzt gestrickt wird - an der Corona-Pandemie. Sie erhöht nur das Milliardendefizit. Nicht beziffern lassen sich der Reputationsschaden für die Industrienation, das verlorene Vertrauen in Politik, auch in Institutionen. Klar, Rechnungshöfe und Untersuchungsausschüsse haben das Debakel seziert, einer in Berlin versucht es noch.

Konsequenzen? Fast keine. Die Verantwortung hat nicht einer übernommen. Anders als etwa am Nürburgring wurde niemand angeklagt. Am BER kamen alle Verantwortlichen erstaunlich glimpflich davon, keinem hat es geschadet, weder einem Rainer Schwarz, noch Klaus Wowereit oder Matthias Platzeck. Dabei hätte – mit dem richtigen Krisenmanagement gleich nach der Bruchlandung – dieser Flughafen schon lange fertig sein können, und Milliarden weniger gekostet.

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Die Karten werden neu gemischt

Wo jetzt der Flug hingeht, hingehen sollte? Niemand weiß, wie lange die Pandemie auch den Luftverkehr im Würgegriff haben wird, wie es danach mit der Fliegerei weiter geht. Der alte Schönefelder Flughafen könnte sofort stillgelegt werden, da der BER - und das nagelneue, mangels Passagiere leerstehende Zusatzterminal daneben - auf Jahre reichen werden. Die Karten werden mit der Krise neu gemischt, bei Airports, Airlines. Das ist auch eine Chance für die in der Luft bisher ausgebremste Hauptstadt, für mehr interkontinentale Verbindungen.

Aber noch ist die BER-Katastrophe nicht beendet: Zuerst muss sich die Politik ehrlich machen. Es läuft auf einen Schuldenschnitt, auf weitere öffentliche Milliarden hinaus, um eine BER-Pleite abzuwenden. Auch einen privaten Miteigner ins Boot zu holen, wie es jetzt Bretschneider anregt, darf kein Tabu sein. Und da der BER wegen der falschen Standortentscheidung zu nah an der Metropole steht, das „Tegel“ des 21.Jahrhunderts werden wird, muss man anders mit den Anwohnern umgehen. Es sind viele Lehren am BER zu ziehen, um es wenigstens künftig besser zu machen.

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