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"Auf den Kanzler kommt es an" - an diesen Slogan erinnerte Olaf Scholz auf dem Parteitag. Und erklärte, dass er es könne.

© imago images/sepp spiegl

Begeisterung ist nicht sein Ding: Scholz bleibt sich beim Parteitag treu – aber kann er die SPD retten?

Auf dem Parteitag musste der Kandidat der SPD wieder Kampfeswillen zusprechen. Doch stattdessen blätterte er ausschweifend durchs Parteiprogramm. Eine Analyse.

Von Hans Monath

Hat es gewirkt? Hat Olaf Scholz die Chance genutzt, um seine SPD in Zuversicht und Kämpferlaune zu reden und zur Aufholjagd zu blasen? Dringend nötig war das, wie Generalsekretär Lars Klingbeil angesichts mieser Umfragezahlen der Sozialdemokraten erklärt hatte: „Wir gehen klar in diesen Parteitag in dem Bewusstsein, dass wir aufholen müssen“, gab Klingbeil als Ziel vor: „Dafür ist dieser Parteitag jetzt ein Startschuss.“

Aber auf einem digitalen Treffen, auf dem nur wenige Sozialdemokraten im Berliner Kongresszentrum City Cube leibhaftig sitzen oder vor den Kameras stehen, und der Beifall vom Band kommt, kann niemand die Stimmung der zugeschalteten fast 600 Delegierten erfühlen. Keiner kann an diesem Sonntagnachmittag durch die Reihen gehen, Genossen befragen und in mürrische oder begeisterte Gesichter schauen. Ob ihr Kanzlerkandidat ihr Herz anrührt oder sie langweilt, das ist nicht zu spüren, wenn man nur auf einen Bildschirm schauen kann.

Vor dem Parteitagsslogan „Aus Respekt vor Deiner Zukunft“ beginnt der Vizekanzler nicht mit Parteipolitik, er beginnt mit dem ganz großen Thema, mit Corona. In Potsdam hat er eine Klinik besucht, hinter Scheiben sah er Erkrankte, die beatmet wurden, um sie zu retten. „Dieser Anblick geht mir nicht aus dem Kopf – bis heute“, sagt Scholz: „An diese Normalität kann ich mich nicht gewöhnen.“

Jetzt ist der Wahlkämpfer, der auf diesem Parteitag bestätigt werden soll, bei der Politik und der Zukunft Deutschlands: Aus der Pandemie müssten nun die richtigen Schlüsse gezogen werden: „Jetzt geht es um die Zukunft unseres Landes. Jetzt geht es um die zwanziger Jahre. Jetzt geht es um Deutschlands Weg im 21. Jahrhundert.

Ich stelle mich zur Wahl. Und ich werbe darum, dass die Bürgerinnen und Bürger mir, dass sie uns ihr Vertrauen schenken. Ich möchte eine Regierung anführen, die unser Land nach vorne bringt. Eine Regierung, die sich etwas vornimmt. Die Ideen umsetzt, statt zu zaudern, zu zögern, zu verwässern und zu verhindern.“

Warten auf die Rede des Kandidaten: Generalsekretär Lars Klingbeil (von links nach rechts), Fraktionschef Rolf Mützenich sowie die Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken auf dem Parteitag.
Warten auf die Rede des Kandidaten: Generalsekretär Lars Klingbeil (von links nach rechts), Fraktionschef Rolf Mützenich sowie die Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken auf dem Parteitag.

© Wolfgang Kumm/dpa

Diesen Anspruch hat Scholz stetig wiederholt, seitdem ihn seine Partei im Sommer vor einem Jahr und damit früher als die Wettbewerber zum Kandidaten ausgerufen hat. Nur hat das nichts geändert an den schlechten Umfragewerten. Vom erstaunlichen Einbruch der Union auf Tiefstwerte hat seine Partei nicht profitiert, im Gegenteil – die Sozialdemokraten verlieren und nähern sich als bundesweit gerade noch drittstärkste Kraft ihrem Tiefpunkt vom Sommer 2019.

Die triste Wirklichkeit der SPD, sie kommt nicht vor in der Rede des Kandidaten. Darin geht es nicht um das mangelnde Vertrauen in seine Partei, der viele Beobachter in der Regierung gute Arbeit bescheinigen. Respekt, Zukunft, Europa heißen die Leitbegriffe, die der Kandidat und die SPD gewählt haben. Und vor allem über die Zukunft und über seine eigene Erfahrung als Krisenmanager und Politiker in vielen Funktionen redet er an diesem Nachmittag.

Scholz bleibt sich treu, versucht nicht, Emotionen zu wecken, was ihm nicht liegt. Er bleibt sachlich – referiert sogar Zahlen, zum Beispiel aus dem Wohnungsbau.

Scholz: Union steht „für Maaßen und Maskenschmu“

Die Union beschreibt der Kandidat als nervigen Bremser: Er sei es leid, dass die Fortschritt bremse, „dass wir immer wieder mit unserer Professionalität und Regierungserfahrung anderen das Handwerk erklären und die Kohlen aus dem Feuer holen müssen“. Die Union stehe nicht mehr für „Maß und Mitte“, sondern „für Maaßen und Maskenschmu“, meint er in Anspielung auf die Maskenaffäre und die Aufstellung des Ex-Verfassungsschützers Hans-Georg Maaßen in Thüringen durch die CDU.

Seine Leitbegriffe wiederholt Scholz immer wieder, aber er bringt seine Angebote in den 40 Minuten seiner Rede nicht auf wenige anschauliche Punkte, blättert stattdessen durch den großen Katalog des Wahlprogramms, das der Parteitag kurz zuvor mit rund 99,4 Prozent bestätigt hat: Klimaschutz, soziale Sicherheit, Steuerentlastungen, einen Mindestlohn von zwölf Euro, mehr Tariflöhne, bezahlbare Mieten, Mobilitätswandel und mehr Elektroautos und bei der Digitalisierung „Breitband auf Weltklasse-Niveau für alle, und zwar überall in Deutschland“, verspricht er.

Die Reduktion auf zwei, drei Zentralpunkte, die leicht verständlich und anschaulich sind, die viele Bundestagsabgeordnete von seinem Auftritt erwartet hatten, sie liefert der Vizekanzler bei dieser Gelegenheit nicht.

Die Grünen spricht er indirekt an: Es gebe „bei manchen die Vorstellung, große Ziele allein würden genügen, um die Zukunft zu gewinnen“. Der Klimawandel sei „die entscheidende Menschheitsfrage in diesem Jahrhundert“. Aber gute Absichten seien „nicht genug“. Seine Warnung: „Glaubt nicht denen, die meinen, sie könnten auf der grünen Wiese eine ganz neue Welt erfinden.“

Zum Schluss wirbt Scholz für eine „neue gesellschaftliche Allianz für den Fortschritt“, denn die sei dringend nötig – auch möglich: „Für Respekt und für Zusammenhalt. Für Wohlstand und Sicherheit in einer lebenswerten Welt“, sagt der Kandidat: „Dafür trete ich an. Dafür bitte ich um Unterstützung.“

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Hinten auf dem Bildschirm spenden Dutzende von zugeschalteten Delegierten Beifall, aber dann blendet die Regie sie schon wieder aus. Aber es kommt Jubel auf, als sein Ergebnis von 96 Prozent bekannt gegeben wird. Trotzdem: Ob Scholz seiner gebeutelten SPD wieder Kampfeswillen zugesprochen hat, das werden wohl erst neue Umfragen zeigen.

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