zum Hauptinhalt
Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Regierungsbefragung im Bundestag.

© dpa

Befragung im Bundestag: Was nun, Herr Scholz? Bei einem Thema treibt die Union den Kanzler

AfD und Linke lobbyieren für Putins Prestigeprojekt, die Union unterstellt dem Kanzler ein Frauenproblem. Der regiert gerade wie auf Treibsand.

Es tritt ein, was Ampel-Koalitionäre in kleiner Runde schon befürchtet haben. Die zuletzt von Querelen und Wahlniederlagen gebeutelte AfD baut ihr nächstes Kampagnenthema auf, nach dem Vorbild von Marie Le Pen gerieren sich die Abgeordneten mit fragwürdigen Thesen als Anwalt der von Preissteigerungen und den Folgen der Sanktionen gegen Russland gebeutelten kleinen Leute.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Und so entwickelt sich im Bundestag ein Duell zwischen dem Abgeordneten Steffen Kotré und Kanzler Olaf Scholz (SPD). Die ganze Veranstaltung dieser Kanzlerbefragung ließe sich mit „Was nun, Herr Scholz?“ überschreiben.

Denn Regieren fühlt sich gerade wie Treibsand an, überall rutscht es - und Scholz versucht als Stoiker Orientierung zu geben.

Kotré wirft Scholz vor, das Land in den Abgrund zu reißen, mit einer völlig verfehlten Energiepolitik, jetzt müsse bald Warmwasser rationiert werden, das sei alles auch eine Folge der Sanktionen gegen Russland. Scholz kontert, das sei alles schon ziemlich realitätsfern. „Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass da wirklich Krieg ist in der Ukraine.“

Kotré fragt nochmal nach, wenn Nord Stream 1 gerade nicht vollumfänglich betrieben werden könne, warum nehme man nicht die fertiggestellte Röhre Nord Stream 2 in Betrieb? Da ist Kotré übrigens ganz nah beim Linken-Abgeordneten Klaus Ernst, der wegen der Gasknappheit auch Gespräche über einen Gastransport durch die Röhre Nord Stream 2 fordert.

Scholz bezeichnet AfD als „Partei Russlands“

Kotré unterstellt Scholz wie später ein weiterer AfD-Abgeordneter, dass die Sanktionen dem deutschen Volke mehr schaden würden als Wladimir Putin, der Rubel sei so stark wie seit Jahren nicht mehr „Wie können Sie den Menschen in der Ukraine helfen, wenn wir hier frieren?“, fragt er. Scholz kontert mit einem Satz: „Ich halte fest: die AfD ist nicht nur eine rechtspopulistische Partei, sondern auch die Partei Russlands.“

Der Kanzler ist bemüht, das Bild einer Regierung zu zeichnen, die die Lage im Griff hat. Linken-Chefin Janine Wissler will wissen, was Scholz denn immer mit seinem Unterhaken meine, etwa bei der von ihm angeleierten Konzertierten Aktion von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Lohnzurückhaltung? Scholz bleibt vage, das nächste Treffen ist erst für September geplant.

Inflationsbekämpfung trotz Schuldenbremse? „Alles passt zusammen“

Wie er denn weitere Entlastungen finanzieren wolle, wenn zugleich die Schuldenbremse ab 2023 wieder greifen soll, wird gefragt. Er bekräftigt, dass ein Bürgergeld kommen soll, dass gerade untere Einkommen entlasten soll.

Kanzler Olaf Scholz nach einer Pressekonferenz beim G7-Gipfel in Elmau.
Kanzler Olaf Scholz nach einer Pressekonferenz beim G7-Gipfel in Elmau.

© IMAGO/Björn Trotzki

Und der Mindestlohn steige ab Oktober auf 12 Euro, viele Wirkungen der 30 Milliarden schweren zwei Entlastungspakete, etwa die Dämpfungen beim Strompreis, seien noch gar nicht bei den Bürgern angekommen. „Alles passt zusammen“, meint der Kanzler. Aber ob das mit der Schuldenbremse klappt? FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat sie für nicht verhandelbar erklärt.

Die Union stellt die Elmau-Frage

Die Union spielt die Oppositionsrolle für Scholz etwas unangenehmer aus, als die AfD. Fraktionsvize Johann Wadephul stellt Scholz exakt die Frage, die ihm eine Journalistin der Deutschen Welle beim G7-Gipfel in Elmau gestellt hatte. Ob er sagen könne, welche Sicherheitsgarantieren Deutschland und die anderen G7-Staaten der Ukraine geben wollen. „Ja, das könnte ich“, hatte Scholz in Elmau gesagt. Dann geschwiegen, gegrinst und die Journalistin, die auf weitere Ausführungen warte, mit den Worten „Das war's“ abgekanzelt.

Sollen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke wegen der Gaskrise länger laufen?
Sollen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke wegen der Gaskrise länger laufen?

© imago/blickwinkel

Auf Wadephuls Frage antwortet er nun ausführlicher, ohne viel mehr zu sagen, nur so viel: Es gehe hier nicht um die Beistandspflicht wie im Artikel 5 des Nato-Vertrags, also weiterhin kein direktes militärisches Eingreifen.

Wadephul will in seiner Nachfrage wissen, warum Scholz denn nicht so in Elmau geantwortet und die DW-Journalistin so brüsk abgewiesen habe. Scholz' Antwort: „Verehrter Herr Abgeordneter, diese Frage habe ich Ihnen so beantwortet wie ich Sie Ihnen beantwortet habe.“

Die Atomfrage spaltet die Ampel

Später sagt die CSU-Abgeordnete Anja Weisgeber zu Scholz: „Mir ist aufgefallen, dass Sie auf Fragen von Frauen oft belehrend antworten“. Sie will wissen, wie denn der konkrete Plan aussehe, um eine Gasmangellage im Winter zu verhindern. Das gibt dem Kanzler die Gelegenheit, all die Maßnahmen nochmal aufzudröseln.

Das staatlich verordnete Befüllen der Gasspeicher, ausrangierte Kohlekraftwerke aus der Reserve holen, neue LNG-Terminals, ein Energiesicherungsgesetz, um Energieversorger notfalls mit Milliarden zu retten, die nun für viel Geld woanders Gas besorgen müssen. „Es ist sehr umfassend reagiert worden.“

Alles im Griff? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Befragung im Bundestag.
Alles im Griff? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Befragung im Bundestag.

© Fotostand

Aber Weisgeber legt auch einen Konflikt in der Koalition offen. „Wir brauchen jede Kilowattstunde, warum lassen Sie die drei Kernkraftwerke nicht befristet weiter laufen?“ Scholz sagt, man beschäftige sich fachlich und „ganz unideologisch“ mit dieser Frage. Die drei Kraftwerke sollen in diesem Sommer mit ihrer Produktion möglichst viel Gas ersetzen, aber es gehe hier halt nur um die Stromproduktion. Das löse also nicht die Engpässe bei der Gasnutzung für das Heizen.

Bundestag entscheidet über die Laufzeitverlängerung, was macht die FDP?

Die Experten der zuständigen Ministerien seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kraftwerke wie geplant Ende 2022 abgeschaltet werden können. Er sagt nicht, dass es mit Steffi Lemke (Umwelt) und Robert Habeck (Wirtschaft) zwei Grüne sind, die das entschieden haben. Und versteckt sich hinter deren Prüfung, ohne sich den neuen Argumenten ernsthaft zu stellen. Die Lage sich halt gerade nochmal sehr verschärft.

Dass nun das Europaparlament Investitionen in Gas und Atomkraft als nachhaltig einstuft und damit erleichtert, wird von der Bundesregierung für Atom kritisiert, aber Scholz selbst war es, der wegen der drohenden weiteren Lieferdrosselungen Russlands im G7-Kreis sogar den Beschluss vom Klimagipfel aufgeweicht hat und Investitionen in neue Gasprojekte über 2022 hinaus will.

Deutschland wird in diesen Tagen Opfer einer Politik von Union und SPD, die die Gasabhängigkeit von Russland auf über 55 Prozent gesteigert hatte.

CDU/CSU wollen die Ampel nun zum Schwur zwingen und an diesem Donnerstag namentlich über den Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke über 2022 hinaus abstimmen lassen, was gerade die FDP vor ein Dilemma stellt; denn die Partei von Christian Lindner hat sich klar für eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen. Für den Abend, um 22:05 Uhr ist die Abstimmung angesetzt. Dann muss wohl auch Scholz nochmal reinkommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false