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Auf sie kommet es an: Bianca Schmidt (links) freut sich über ein Tor von Melissa Kössler.

© Jan Huebner/Imago

Turbine Potsdam empfängt Wolfsburg: „Haben Bock, alles zu geben!“

Turbine Potsdam gewann das letzte Mal vor vier Jahren gegen den VfL Wolfsburg. Am Freitag gibt es für das Team um Melissa Kössler eine neue Chance.

Ihren Reiz hatte die Begegnung nie verloren. Auch wenn das Kräfteverhältnis sich in den vergangenen Jahren deutlich verschoben hat und der VfL Wolfsburg das Dauer-Abo auf die deutsche Meisterschaft im Frauenfußball dem 1. FFC Turbine längst abgenommen hat, sind die Aufeinandertreffen der beiden Klubs immer ein Highlight im Saisonprogramm gewesen.

An das Gefühl, den Rivalen aus Niedersachsen besiegt zu haben, können sich immerhin noch fünf Spielerinnen aus dem aktuellen Turbine-Kader erinnern, auch wenn es schon eine Weile zurückliegt: Fast auf den Tag genau vor vier Jahren gewann Potsdam mit 1:0 in Wolfsburg und grüßte damals von der Tabellenspitze. Am Ende der Saison 2016/17 wurde der VfL Meister, Turbine mit vier Punkten Rückstand Dritter.

Wenn am kommenden Freitag beide Teams im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion aufeinandertreffen (Beginn: 19.15 Uhr), trennen sie aktuell drei Punkte. Die Weste des Wolfsburger Ligaprimus ist nach einem 1:1 gegen den SC Freiburg nicht mehr ganz rein.

Turbine kassierte zuletzt beim ungeschlagenen FC Bayern München eine 0:3-Niederlage – die erste im siebten Ligaspiel. Zu „brav“ schrieb Turbine-Cheftrainer Sofian Chahed anschließend seinen Spielerinnen ins Arbeitszeugnis des Spieltages. Um gegen die bislang souverän und selbstbewusst durch die Liga marschierenden Münchnerinnen bestehen zu können, hätte es mehr Mut gebraucht.

Frischen Mut haben die Potsdamer Spielerinnen in den zurückliegenden drei Wochen – wegen Länderspielen und DFB-Pokal pausierte die Liga – offenbar neu getankt. Jedenfalls sagt Torjägerin Melissa Kössler: „Wir wollen gegen Wolfsburg unser eigenes Spiel machen und haben Bock, bis zur letzten Minute alles zu geben.“

Die Bundesliga erlebt aufgrund der aktuellen Verordnungen erneut Geisterspiele

Die 20-Jährige ist besonders gierig: Vier Tore schoss sie vergangenen Samstag beim ungefährdeten 9:0-Pokalsieg gegen den Regionalligisten Magdeburger FFC. Dreimal traf sie bislang in der Bundesliga. Das Turbine-Eigengewächs zählt mit ihrer Quote zu den effektivsten Spielerinnen der Liga. Alle 77 Minuten schießt die Stürmerin ein Tor, nur Freiburgs Laura Freigang traf bisher schneller und häufiger – alle 70 Minuten. Ihre Jokerrolle, die Melissa Kössler in den sieben Ligaspielen bislang unter Trainer Chahed einnimmt, spielt sie mit Bravour. „Ich gehe gern dahin wo es wehtut. Und sicherlich verschafft mir meine Schnelligkeit Vorteile“, erklärt sie ihre Trefferquote.

Verbesserte Athletik und hohes Tempo sind Werte, die Melissa Kössler von einem einjährigen Aufenthalt in den USA mitgebracht hat. 2019 ging die gebürtige Potsdamerin an die University of Massachusetts Amhest und spielte für das Collegeteam der Umass Minutewoman, schoss in 16 Spielen elf Tore. Es war eine überlegte Entscheidung, nach all den Jahren in Potsdam, wo sie seit ihrem sechsten Lebensjahr bei Turbine spielte, auszubrechen und etwas anderes zu machen.

„Das war ein großer Schritt für mich und ich bin froh, dass ich es mir das getraut habe“, sagt sie rückblickend auf ihre Zeit in den USA, wohin sie die in diesen Tagen mit großer Spannung geschaut hat. Sie hatte Joe Biden die Daumen gedrückt „Ich verfolge die Wahlen auf CNN und hoffe, dass Biden gewinnt“, sagt sie. Als Melissa Kössler im Sommer nach einem Jahr zu ihren Heimatverein zurückkehrte, freute sich der langjährige Co-Trainer Dirk Heinrichs über die neugewonnene Stärke und Reife der 20-Jährigen.

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Mutige Schritte und Aktionen will Turbine-Coach Chahed auch auf dem Platz sehen. Gegen den FC Bayern München hatte seine Mannschaft durchaus couragiert begonnen, sich dann aber durch das 0:1 und frühzeitige verletzungsbedingte Auswechslungen von Torhüterin Vanessa Fischer und Mittelfeldakteurin Gina Chmielinski aus dem Konzept bringen lassen . „Wir müssen trotz solcher Dinge konzentriert bleiben und dürfen das Zepter nicht aus der Hand geben“, formuliert Melissa Kössler Erkenntnisgewinn und Aufgabe zugleich.

Wie gut das gegen die spielstarken Wolfsburger Kickerinnen gelingt, wird im Karl-Liebknecht-Stadion kein Turbine-Fan sehen. Die Bundesliga erlebt aufgrund der aktuellen Verordnungen zur Eindämmung der Coronapandemie erneut Geisterspiele.

Da wegen der Pandemie keine Planungssicherheit besteht, hat Turbine in dieser Woche auch sein internationales Hallenturnier für kommenden Januar abgesagt. Der zweitägige Turbine-Hallencup mit Teams aus ganz Europa lockte in den vergangenen Jahren immer mehr als 1500 Zuschauer in die Potsdamer MBS-Arena. Es sei jedoch nicht zu verantworten, ein derartiges Turnier in der aktuellen Situation durchzuführen, teilte der Verein mit.

Mit dem internationalen Kräftemessen unterm Hallendach kompensierte Turbine Potsdam in den vergangenen Jahren etwas die jahrelange Abstinenz auf der europäischen Bühne der Champions League. Sich für diese im kommenden Jahr zu qualifizieren, ist erklärtes Ziel des Vereins. Dafür braucht es am Ende der Saison mindestens den dritten Platz und am morgigen Freitag gegen Wolfsburg idealerweise ein Deja-vu vom Herbst 2016.

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