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Jugend und Medien: Ein Smartphone für Opa

Über einen gescheiterten Versuch, mit dem Großvater ein neues Smartphone zu kaufen.

Mit meinem Opa, seinem heißgeliebten alten Telefon und meiner Familie im Schlepptau hatten wir es nun endlich geschafft, den nächsten Handyladen aufzusuchen. Schon seit Jahren versuchten wir, meinen Opa davon zu überzeugen, sich von seinem „Pioniermodell“ eines bekannten finnischen Herstellers zu trennen, denn wir konnten uns dieses Elend nicht weiter mit ansehen. Wir waren nicht länger bereit, uns dem Willen des Patriarchen im Sinne des Familienfriedens zu unterwerfen. Im Stillen darauf hoffend, in dem Verkäufer einen weiteren Verbündeten zu haben, der meinem Opa im Rahmen seiner professionellen Tätigkeit davon überzeugen konnte, dass man sich so heutzutage nicht mehr blicken lassen kann, wurden wir gar nicht mehr müde, die Vorzüge des neuen, von ihm präsentierten Produktes zu preisen. Umso tiefer saß der Schock, als der Verkäufer das alte Handy — von uns unbemerkt — repariert hatte. Streber.

Nun endlich, wo sich unsere Hoffnungen erfüllt hatten und das Gerät auch ohne unsere Sabotage das Zeitliche gesegnet hatte, wagte es dieser Mensch, solch einen elenden Schrotthaufen Technik dennoch für funktionstüchtig zu erachten. „Moment mal, Moment mal. Wie? Das geht wieder?!“, fragte Opa völlig entrüstet, aber mit aufkeimender Hoffnung in der Stimme. Ich sah die Gesichtszüge meiner Oma entgleisen. Wie im Chor riefen wir vereint: „Nein! Nein! Wir nehmen jetzt das!“.

Jedes Mal, wenn ich an mein klingelndes Smartphone ging oder energisch auf dessen Oberfläche tippte, bewunderte mich mein Opa dafür, wie ich doch in der Lage wäre, mit solch hochkomplexen technischen Geräten umgehen zu können. Ich hingegen bewunderte ihn dafür, wie er auf seinem zerkratzen Display überhaupt noch etwas erkennen konnte. Wenn ich mir dieses vorsintflutliche Gerät so anschaute, ist und bleibt es mir ein Rätsel, wie man überhaupt noch die richtigen Zahlen eintippen konnte, da sie ja schon alle verblasst waren (wahrscheinlich rein intuitiv und auf die eigene Dominanz vertrauend, um dem Gerät den eigenen Willen aufzuzwingen). Fast schon mitleidig schaute ich auf dieses Relikt vergangener Zeiten. Es führte mir die schnelle technische Entwicklung umso eindrücklicher vor Augen.

Ach ja, mein Opa …

Er war immerhin einer der ersten Besitzer eines Mobiltelefons in Deutschland. Als selbstständiger Unternehmer war er mit seinem Gerät ständig erreichbar und unabhängig von seinem Büro. Damit war er seiner Konkurrenz anfangs ein ganzes Stück voraus. Oft erzählte er, dass er den ein oder anderen Auftrag nur dank seines Handys gesichert hatte. Damals eine unglaubliche Innovation, die jedem bereitstand, der willens war, 5000 Deutsche Mark (DM) dafür auszugeben. Das Equipment war wohl, um es charmant zu sagen, etwas voluminöser als heute.

Irgendwo bin ich aber auch neidisch auf dieses Uralt-Modell, denn mein Smartphone hält garantiert nicht länger als zwei bis drei Jahre. Aber ich bräuchte wahrscheinlich so oder so ein neues, um nicht von meinen Klassenkameraden als technische Evolutionsbremse verstoßen zu werden.

Wir schreiben das Jahr 2596 nach Christus, 9:30 Uhr Ortszeit, ehemals Deutschland in einer Ausgrabungsstätte: „Seht mal, seht mal! Ich hab da was!“. Und da lag es. Das Handy meines Opas.

Und es ging noch!  

Swantje Beewen

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