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Marco Vorbeck (l.) wird neuer SVB-Coach - Vereinspräsident Archibald Horlitz setzt auf seine Qualitäten, junge Spieler zu entwickeln.

©  SV Babelsberg 03

Zur Verpflichtung von Marco Vorbeck als SVB-Trainer: Interessant. Mutig. Typisch.

Marco Vorbeck als neuer Trainer beim SV Babelsberg 03 ist eine spannende Wahl. Die Entscheidung für den Ex-Profi ist die Antwort auf überzogene oder ungeduldige Erwartungen.

Potsdam - Von Rostock nach Babelsberg. In Fußball-Personalangelegenheiten war dies schon immer eine gute Achse. Vor gut 20 Jahren waren es Spieler wie Björn Laars, Enrico Röver oder der spätere Nulldrei-Publikumsliebling Slawomir Chalaskiewiecz, die vom FC Hansa Rostock zum SV Babelsberg 03 kamen und hier mit dem Zweitliga-Aufstieg Kiez-Geschichte schrieben. In der jüngeren Vergangenheit wechselte Lucas Albrecht von der Kogge an den Babelsberger Park, wo er von 2013 bis 2015 für den SVB stürmte. Nun bekommt die märkisch-hanseatische Transfergeschichte ein neues Kapitel: Marco Vorbeck wird nach Ende der Saison neuer Cheftrainer beim Viertligisten. Am 1. Juni übernimmt er das Amt von Almedin Civa, der nach mehr als 20 Jahren als Spieler, Sportlicher Leiter und Trainer Babelsberg verlässt.

Allein das Erbe, das Civa hinterlässt, ist groß. Der 46-Jährige hat mit seiner Leidenschaft – egal ob als Spieler, Funktionär oder Coach – den SVB geprägt wie kein anderer. Dank Civas Expertise und seinem über die Jahre aufgebauten und vor allem gepflegten Netzwerk, entwickelte sich der SVB in den vergangenen Jahren zu einer Adresse, an der Regionalliga-Fußball auf gehobenem Niveau gespielt wird. Dass die vierte Liga seit dem Drittliga-Abstieg vor sechs Jahren die sportliche Leistungsgrenze des SVB ist und auch in mittelbarer Zukunft sein wird, hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Das Wettrüsten vieler Regionalligisten, um den Sprung in eine höhere Klasse zu schaffen, wollen und können die Nulldreier nicht mitmachen. Zum einen sind Sponsoren rar, zum anderen ist das Netzwerk des SVB aktuell nicht stark genug, um potente Geldgeber zu finden und zu binden. Almedin Civa hat sich in diesem jahrelangen Kraft- und Balanceakt aufgerieben, bis sich im vergangenen Spätherbst das Gefühl verfestigte, dass er für seinen Verein nichts mehr tun könne und es eines neuen Impulses bräuchte.

Ex-Profi, Nachwuchstrainer und inzwischen auch Fußballlehrer

Dieser soll nun – zumindest in der Coachingzone – von Marco Vorbeck kommen. Ein Ex-Profi, 37 Jahre jung, seit vergangenen März mit dem Titel des DFB-Fußballlehrers ausgestattet – er absolvierte den 65. Lehrgang des Deutschen Fußballbundes und erwarb mit der Lizenz die Voraussetzung für einen Trainerjob in der 3. Liga. Doch ist das Zukunftsmusik. Sein Engagement beim SVB kommt der eines Entwicklungshelfers gleich – für den SVB als auch in eigener Sache, denn in Babelsberg wird Vorbeck erstmals als Trainer im Männerbereich tätig sein.

Natürlich kennt er als ehemaliger Fußballprofi das Geschäft. Als Spieler stürmte der gebürtige Kühlungsborner für den FC Hansa Rostock in der ersten Bundesliga, später für Dynamo Dresden und den FC Augsburg in der zweiten Liga. Seine aktive Karriere beendete er in der Bayernliga beim FC Rosenheim, wo er zunächst auch als Nachwuchskoordinator und -trainer blieb, parallel eine Ausbildung zum Bankkaufmann machte und erste Trainerlizenzen erwarb. Vor vier Jahren führte ihn der Weg aus dem Alpenvorland zurück an die Küste: Beim FC Hansa übernahm Vorbeck den Posten des U17-Trainers.

Vorbeck wird vom Club mehr Unterstützung brauchen als Civa

Mit Vorbecks Verpflichtung geht der SVB, dessen muss sich seine amtierende Führung bewusst sein, auch eine enorme Selbstverpflichtung ein. Konnte sich der Verein in der Vergangenheit auf Civas Netzwerk, dessen Gespür für passende Spieler, auf Civas Überzeugungskraft, vor allem aber auf seine Vereinstreue verlassen, der er fast alles unterordnete, wird Vorbeck als Newcomer deutlich mehr Unterstützung brauchen – und hoffentlich auch bekommen, auch wenn er inmitten eines personellen Umbruchs startet. Mit Björn Laars geht in wenigen Wochen der Leiter der SVB-Geschäftsstelle, der in den vergangenen zehn Jahren routiniert die geschäftlichen Abläufe und notwendigen Korrespondenzen mit Verbänden, anderen Vereinen oder Testspielgegnern gemanagt hat. Der amtierende Vorstand ist aktuell auf drei Personen dezimiert und kämpft mit dem Aufsichtsrat gegen eine akute Deckungslücke von 150.000 Euro im laufenden Etat. Im Juni sollen die Vereinsmitglieder einen neuen Aufsichtsrat wählen, der wiederum einen neuen Vorstand bestimmt. Vorbeck findet also kein eingespieltes Team und geöltes Getriebe vor – er selbst ist Teil eines personellen Neuanfangs im Kiez.

„Das wird jetzt eine ganz andere Hausnummer“, ist sich Vorbeck um die neue Dimension allein des Trainerjobs bewusst, hinzu kommen Scouting und sportliches Management. Es ist nahezu unbekanntes Terrain, das er betritt – und ein heißes ohnehin, denn als Schwelle zum bezahlten Fußball ist die Regionalliga längst ein knallhartes Business. Jüngstes Beispiel: Viktoria Berlin. Dessen Trainer Jörg Goslar blieb bei der Stange, als der Verein in Folge eines unseriösen China-Deals vor der Winterpause Insolvenz anmelden musste. Trotz eines Neun-Punkte-Abzugs steuerte Goslar mit dem Team ins sichere Tabellenmittelfeld der Nordoststaffel, führte die Viktoria ins Berliner Landespokalfinale – und wurde drei Spieltage vor Schluss entlassen.

"Gegner mit unserer Philosophie und unserem System bespielen"

Derartigen Druck hat Vorbeck beim SVB nicht. Schon sehr früh in der Bewerbungsphase habe er in Gesprächen mit Civa und Klubpräsident Archibald Horlitz „eine sehr familiäre, angenehme Atmosphäre“ gespürt. „So etwas habe ich gesucht“, verrät er. So habe er sich seinen ersten Trainerjob im Männerbereich vorgestellt. Es ist eine gute Fügung, dass der SVB weiterhin auf die Entwicklung junger Spieler setzen will – und zwangsläufig muss – und dass Vorbeck genau diese Erfahrungswerte und Vorstellungen mitbringt. So sehe auch seine Fußballphilosophie aus, die er nach Babelsberg bringen möchte. Seine Spieler sollen sich mit und durch die eigene Spielweise des SVB entwickeln. „Wir werden uns nicht dem Gegner anpassen“, kündigt Vorbeck an. Er sei kein Fan von Defensivfußball. „Ich will den Ball haben, Räume entstehen lassen und den Gegner zu Fehlern zwingen“, so Vorbecks taktische Prämissen. „Ich will die gegnerischen Mannschaften mit unserer Philosophie und unserem System bespielen.“

Vorbeck ist eine Antwort des Vereins auf überzogene oder ungeduldige Erwartungen. Es ist eine mutige Wahl, typisch für den SVB, auf einen jungen, ehrgeizigen Kandidaten mit Entwicklungspotenzial zu setzen statt auf einen erfahrenen Coach. Vorbeck ist einer, so die Hoffnung von Vorstandschef Horlitz, der mit jungen Spielern umgehen und diese entwickeln kann. Denn der SVB wird in der nahen Zukunft in erster Linie ein Sprungbrett sein. Viel wird davon abhängen, wie der Verein sich wirtschaftlich stärken und wie er finanziell genesen wird, um wieder nachhaltig eine Mannschaft aufzubauen, deren Leistungsträger auch gebunden werden können. In den zurückliegenden Jahren war der SVB aufgrund seiner Verschuldung dazu nicht in der Lage. Und nach der erfolgreichen Entschuldung vor zwei Jahren hat es die Vereinsführung nicht vermocht beziehungsweise auch versäumt, sich wirtschaftlich zu positionieren, um Perspektiven für Führungsspieler zu entwickeln, sodass sie bleiben.

„Etwas mehr Vorlaufzeit wäre gut gewesen“

Vor dieser aktuellen Situation steht nun auch Marco Vorbeck. Für Stammspieler wie Farid Abderrahmane, Franko Uzelac, Lukas Wilton oder Leonard Koch laufen die Verträge aus. Von den Leistungsträgern haben indes Torjäger Tom Nattermann und David Danko einen fortlaufenden Kontrakt für die kommende Saison. Auch Philip Saalbach sieht seine Zukunft beim SVB, der Kapitän wird zunehmend eine Doppelrolle als Akteur auf dem Platz und in der Geschäftsstelle des Vereins spielen. Talente wie Tobias Dombrowa und Pieter Wolf haben auch für die kommende Saison Verträge beim SVB – und passen genau ins Nulldrei-Perspektiv-Tableau.

„Es wird nun meine erste Aufgabe sein, eine Mannschaft auf die Beine zu stellen“, sagt Vorbeck. Er werde in den kommenden Tagen beginnen, mit den Spielern zu reden und vorzufühlen. „Etwas mehr Vorlaufzeit wäre gut gewesen“, räumt er ein. Doch Zeit gibt es in diesem schnelllebigen Fußballgeschäft ohnehin nicht. Bei aller Ruhe, die der SVB Marco Vorbeck geben will und die er sich wünscht, zählt am Ende nur der Erfolg. Auch in Babelsberg.

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