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Leben mit dem Wasser. Der Ruderei war Joachim Reibold eng verbunden.

© Verein

Zum Tod einer Potsdamer Ruderikone: Athlet, Trainer, Funktionär und Visionär

Joachim „Jockel“ Reibold prägte Potsdams Rudersport. Nach seiner Flucht aus der DDR kam er 1990 an den Seekrug zurück und leistete wertvolle Entwicklungsarbeit. Nun ist er gestorben. Ein Nachruf.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Wo es grau und staubig war, wurde die Begeisterung von Joachim Reibold für Wassersport geweckt. 1949 zeigte der Kalender, Reibold war zwölf Jahre alt, da erklärte man ihm beim Spielen in einem Potsdamer Kohlehof, wie großartig Rudern sei. Er probierte es kurz darauf und ging damit eine Verbindung ein, die ihn sein ganzes Leben eng begleitete. Joachim Reibold war maßgeblich an der Entwicklung des Rudersports in Potsdam, Berlin und Deutschland beteiligt. Im Januar starb „Jockel“, wie er genannt wurde, in Potsdam. Am morgigen Donnerstag wäre er 82 Jahre alt geworden.

„Welch ein inhaltsreiches Leben für und mit dem Rudersport“ habe der 1937 geborene Joachim Reibold geführt, heißt es in einem Nachruf auf der Internetseite des Deutschen Ruderverbands (DRV). Auf dem Wasser fühlte er sich zuhause. Als Steuermann wurde Reibold 1953 DDR-Jugendmeister, doch zwei Jahre später entschloss er sich zur Flucht nach West-Deutschland. Wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ hatte man ihn zuvor seiner Schule verwiesen. „Jockel“, für den ein „aufrechter, nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit strebender Charakter“ prägend gewesen sei, verließ die DDR und machte in Oberurff nahe Kassel sein Abitur. 1959 zog er nach West-Berlin, wurde Diplom-Braumeister und ruderte erfolgreich in Achter-Mannschaften. Reibold begann zugleich, sich als Jugendbetreuer und Trainer zu engagieren, setzte seinen Sporteifer auch auf den beruflichen Stationen in Hannover und Bad Kreuznach fort.

"Jockel" wollte immer einen breit aufgestellten Potsdamer Ruderverein

Und die Leidenschaft für die Ruderei wurde immer größer. An der Sporthochschule Köln erreichte er den Abschluss als Sportlehrer mit Hauptfach Rudern und war daraufhin als Coach beim Berliner RC, Frauen-Ruderclub Wannsee und Potsdamer Ruderclub Germania tätig. Letzterer hat seine Wurzeln in Brandenburgs Landeshauptstadt, siedelte jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg an den Wannsee um. Joachim Reibold, Vater dreier Söhne, war Regattaleiter und brachte sich dann auch zunehmend sportpolitisch ein. Im Sportreferat des Landes Berlin arbeitete er unter Präsident Manfred von Richthofen.

Der war es auch, der nach der deutschen Wiedervereinigung anregte, dass „Jockel“ zurück nach Potsdam geht. Auftrag: Den dortigen Rudersport unter den neuen Bedingungen gestalten. Zum Seekrug hatte Joachim Reibold stets Kontakt gehalten, heißt es im DRV-Nachruf. „Trotz Mauer und Abschottung der DDR.“ Von 1990 bis 2002 arbeitete Reibold unter anderem beim Neuaufbau der Potsdamer Ruder-Gesellschaft (PRG) mit und verwaltete den Leistungsstützpunkt. Viele internationale Erfolge waren der Lohn. Ein großer Traum wollte sich für „Jockel“ zu Lebzeiten allerdings nicht erfüllen. Energisch kämpfte er darum, dass sich in Potsdam ein breit aufgestellter Ruderverein bildet. Unterschiedliche Auffassungen zur Ausrichtung führten aber zu keiner einheitlichen Linie. So besteht seit 2011 neben der vor allem breitensportlich orientierten PRG auch der Ruder-Club Potsdam, der einen klaren Fokus auf den Leistungssport hat.

Die Urzelle von Potsdams Ruderei wollte er wieder aufleben lassen

Der Fan klassischer Musik hatte trotzdem seine Rudervision für die Stadt. 2015 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des RC Vineta, einer Neuauflage von Potsdams Urzelle des Rudersports. Bereits 1883 war der Verein „Vineta“ entstanden, aber auf Staatsgeheiß wurde zu DDR-Zeiten dessen Clubhaus an der Glienicker Brücke beschlagnahmt und später abgerissen. „Jockel“ sowie seine Mitstreiter versuchten nun, die Historie aufleben zu lassen, wollten eine neue Vereinsheimat. Die Suche nach einem Standort ist bis heute erfolglos. Im vorigen August hatte die Stadtverwaltung mitgeteilt, dass die in Betracht gezogene Ansiedlung auf der Insel Neu Fahrland aus Gründen des Umgebungs- und Landschaftsschutzes nicht umgesetzt werden könne. „Der dargelegte Bedarf des Vereins bleibt grundsätzlich weiter auf der Agenda der Verwaltung“, erklärte die Stadt. Im Nachruf auf der DRV-Homepage heißt es, „Jockel“ habe es verdient, dass Vineta ein eigenes Bootshaus bekommt. Auch wenn erst nach dem Ende seines Lebens.

Jenes Leben hatte er voller Leidenschaft der Ruderei verschrieben. Darum bat die Familie von Joachim Reibold auch nicht um Blumen als Zeichen der Anteilnahme zum Tode. Sondern um Spenden an die Stiftung Ruder-Club Deutschland.

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