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Turbine-Urgestein. Elke (Stresow-)Mertens, heute 57 (oben), als Kapitän 1975 vor einem Spiel daheim gegen Chemie Leipzig (r. oben/links) und als Abwehrchefin 1978 in einem Freundschaftsspiel in Teltow (r. unten). Links Turbine Potsdams erste Mannschaft mit (stehend v. links) Iris Lessig, Giesela Liedemann, Marina Wils, Marianne Fritze, Elke Stresow, Sylvia Lessig, Carola Waldmann und Marita Retzki sowie (kniend v. links) Regina Hackert, Erika Henning, Heike Misch, Bernd Schröder, Ute Ölschlegel, Ute Jacob und Rosi Schulze.

© Thomas, Hoffmann, privat

Von Michael Meyer: Die Mittelstürmerin, die aus dem Tor kam

Um Elke Stresow stritten sich vor 40 Jahren Turbine Potsdam und Lok Rangsdorf, ehe sich die damals 17-Jährige endgültig für den Frauenfußball entschied und 20 Jahre in Turbines erster Mannschaft spielte. Mit dem Ball hält sich Elke Mertens auch heute noch fit

Anfangs war Turbine Potsdams erste Mittelstürmerin vor vierzig Jahren fast täglich abwechselnd mit dem Erzielen und dem Verhindern von Toren beschäftigt. Montags und mittwochs trainierte Elke Stresow mit Turbine auf dem Sportplatz am Babelsberger Horstweg, dienstags und mittwochs mit Lok Rangsdorf in der Sporthalle an der Heinrich-Mann-Allee. Und an den Wochenenden kam sie immer öfter in die Bredouille. Denn die junge Potsdamerin war damals, im Frühjahr 1971, Torhüter des Handball-Oberligisten Rangsdorf und gehörte zugleich zu Potsdams erster Frauenfußball-Mannschaft. „Das Training konnte ich gut koordinieren, aber bei den Spielen wurde es knapp“, erinnert sich Turbines Angriffsspielerin. Als ihr schließlich von Lok die Pistole auf die Brust gesetzt wurde, entschied sie sich für das Kicken, nachdem das Tauziehen ihrer beiden Trainer Bernd Schröder (Fußball) und Erwin Benke (Handball) sogar den Bezirksvorstand des damaligen Deutschen Turn- und Sportbundes beschäftigt hatte. „Es war eine Entscheidung von Herz und Bauch“, weiß Elke Stresow – seit Juli 1976 verheiratete Mertens – noch heute. „Schließlich ging ich aus einer Oberliga-Mannschaft einer olympischen Sportart zu einer Volkssportmannschaft einer damals noch nichtolympischen Sportart, die außerdem nur in Betriebssportgemeinschaften zu Hause war. Aber ich habe meinen Schritt immer als richtig angesehen.“

Elke Stresow, die in der Potsdamer Waldstadt groß wurde, war in der Schule erst Speerwerferin, ehe sie zum Basketball, dann zum Handball fand und später von Motor Babelsberg zu Lok Rangsdorf wechselte. Als ihr im Frühjahr 1971 während der Berufsschulzeit – die 17-Jährige lernte damals Betriebs- und Verkehrskauffrau bei der Bahn – eine Mitschülerin von der am 4. März gegründeten Frauenfußball-Mannschaft der damaligen Betriebssportgemeinschaft Turbine erzählte, „war ich gleich Feuer und Flamme, denn ich hatte schon als Kind mit Jungen Fußball gespielt“, so die Potsdamerin. „Ich war zwar nicht bei der ersten Trainingseinheit dabei, aber ab der dritten. Ich weiß noch, wie wir damals in der Turnhalle in der Straße der Jugend übten – zunächst meist ohne Ball. Unser Trainer legte zuerst die athletischen Grundlagen, die uns später bei unseren Spielen sehr zugute kommen sollten.“

Das erfuhren Stresow und ihre Mitspielerinnen bei ihrer ersten Bewährungsprobe, als das noch blutjunge Turbine- Team am 23. Mai 1971 bei Empor Tangermünde ihr erstes Spiel unter dem Szenenapplaus der fast 1000 Zuschauer durch Tore Heike Mischs (2) und Marita Retzkis mit 3:0 (1:0) gewann, obwohl Empor zu dem Zeitpunkt schon sieben Spiele Erfahrung in den Beinen hatte. „Schröder ist mit uns absichtlich erst auswärts angetreten, um zu testen, wie gut wir schon sind“, erinnert sich Elke Merten noch heute gut. „Wir sind in Tangermünde zwar mit viel Respekt aufgelaufen, waren aber von der Spielanlage her, technisch und konditionell besser.“ Der Fokus des Trainers auf eine gute Ausdauer sei stets Turbines Plus gewesen, „weil wir so immer für zwei Halbzeiten Luft hatten.“

Mittelstürmerin Stresow ging auch in Potsdams zweitem Spiel leer aus, als erneut Misch und Retzki am 5. Juni bei Turbines 2:1 bei Motor Hennigsdorf trafen. Im ersten Heimspiel Turbines am 12. Juni 1971 aber schlug ihre Stunde, als sie im Rückspiel gegen Tangermünde auf dem Karl-Liebknecht-Sportplatz vor ebenfalls rund 1000 Zuschauern mit zwei Toren zum 5:1 (3:1) beitrug. „Das war riesig. Ich hatte vorher schon auf ein Tor gehofft, und nun gelangen mir vor eigenem Publikum gleich zwei – ich war einfach glücklich.“ Fortan gehörte die einstige Handballerin, die Mitte der 70er Jahre die Kapitänsbinde von der ersten Spielführerin Rosi Schulze übernahm, lange zu Turbines regelmäßigen Torschützinnen. Im November 1971 steuerte sie beim TSV Luckenwalde gleich acht Treffer zum Potsdamer 10:0 bei. „Ein Teil davon waren Abstaubertore, aber ich habe damals auch immer versucht mitzudenken. Und als ehemalige Torfrau ahnte ich vielleicht auch ein bisschen das Verhalten der Torleute“, meint Elke Mertens rückblickend. „Schröder hatte wohl ein Talent bei mir entdeckt, als er mich zur Stürmerin machte. So wie er schon in den ersten Trainingseinheiten merkte, wer wo am besten passen könnte. Wir haben dann später auch wirklich lange dort gespielt, wo er uns im ersten Spiel in Tangermünde einsetzte.“

In späteren Jahren rückte Elke Stresow-Mertens ins Mittelfeld, dann wurde sie Vorstopperin, schließlich letzte Frau vor der Torhüterin. Sie wurde im März 1973 mit Turbine Bezirksliga-Meisterin mit 58:0 Toren aus sechs Spielen und im Mai des gleichen Jahres durch ein 1:0 bei Stahl Brandenburg Gewinnerin des nur einmal ausgespielten Bezirkspokals; Torschützin war damals Marita Retzki. Ehe 1979 ihr Sohn Christian zur Welt kam, hatte Elke Merten in 98 Turbine- Spielen 85-mal getroffen, womit sie die Vereins-Torschützenliste anführte. Wegen der Schwangerschaft hängte sie die Töppen an den Nagel, aber nur kurzzeitig. Sie kickte als junge Mutter weiter, auch nach der Geburt der Zwillinge Manuela und Stephan 1982. Erst 1991, als Potsdam letztmals DDR-Bester geworden war, verabschiedete sie sich – mit 38 – aus der ersten Mannschaft. Aber nicht vom Fußball. Sie widmete sich nun Turbines Fußball. Erst Jungs, weil weiblicher Nachwuchs noch fehlte, dann, als Tochter Manuela dem Ball nachzujagen begann, den C-Mädchen. Manuela Mertens durchlief Turbines Nachwuchs, spielte später – gemeinsam mit der damaligen Potsdamer Stürmerin Conny Pohlers – bei der Militär-Weltmeisterschaft und kickt heute noch mit der WSU Warendorf in der Nordrhein-Westfalen-Liga. „Hätte sie auch meine damalige Zweikampfhärte und Kopfballstärke geerbt, könnte sie noch ganz woanders spielen“, meint Mutter Merten.

Die auch heute noch einmal pro Woche beim Training der vierten Turbine-Mannschaft in der Waldstadt mitmischt. „Das mache ich, um mich weiter fit zu halten,“ meint Elke Mertens, die jetzt als Sachbearbeiterin der Zentralen Dienste bei Eon.Edis – Turbines früherem Trägerbetrieb – tätig ist. Der heutige Frauenfußball sei mit der Anfangszeit nicht mehr zu vergleichen, erklärt die Potsdamerin. „Alles ist viel professioneller aufgezogen. Es gibt ein großes Spektrum von der Kreisliga bis zur Nationalmannschaft, mit der die Spielerinnen wirklich ein großes Ziel haben können, das es früher für uns noch gar nicht gab.“ Für Elke Stresow damals möglicherweise als Hand-, nicht aber als Fußballerin. Trotzdem, betont sie jetzt, habe sie ihren Wechsel vor vierzig Jahren nie bereut.

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