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Respekt unter Rivalen. VfL-Trainer Ralf Kellermann (l.) und Bernd Schröder von Turbine Potsdam treffen mit ihren Teams gleich zweimal binnen vier Tagen aufeinander.

©  dpa

VfL Wolfsburg gegen Turbine Potsdam: „Nichts anderes als ein Top-Spiel“

Obwohl die Frauenfußball-Bundesligisten aus Wolfsburg und Potsdam derzeit tabellarisch weit voneinander entfernt sind, ist der Status der Partie für VfL-Trainer Ralf Kellermann unverändert. Zudem spricht er über die Entwicklung der Liga und die Lage für die Wölfinnen nach dem Abgas-Skandal bei VW.

Von Tobias Gutsche

Sechs Ränge sowie neun Punkte trennen den VfL Wolfsburg und Turbine Potsdam derzeit in der Bundesliga-Tabelle. Während der VfL als Zweiter an der Spitze mitspielt, hängt Turbine im unteren Mittelfeld. Das ist vor dem direkten Duell der beiden Teams (Sonntag, 14 Uhr, Wolfsburger AOK Stadion) eine außergewöhnliche Konstellation, denn in den Vorjahren war dies doch stets ein wahres Gipfeltreffen des deutschen Frauenfußballs mit zwei Mannschaften, die gemeinsam in der obersten Etage des Klassements um einen bestmöglichen Platz rangelten.

Obwohl die Rivalen nun nach neun von 22 Saison-Spieltagen tabellarisch so weit voneinander entfernt sind, hat sich der Status der Partie für VfL-Cheftrainer Ralf Kellermann überhaupt nicht verändert. „Das ist für mich ganz klar ein Top-Spiel. Nichts anderes“, sagt er. „Ich lasse mich nicht von Platzierungen blenden, sondern beurteile den Gegner nach dessen Potenzial – und das ist groß.“

Bayern München und VfL Wolfsburg enteilen den Turbinen

Wenn Ralf Kellermann so über die Turbinen spricht, dann wirkt das in keiner einzigen Silbe geheuchelt. Vielmehr schwingt ein ehrlicher Respekt gegenüber dem langjährigen Kontrahenten mit, dem Kellermann vor Beginn der aktuellen Saison viel zugetraut hatte. „Vom Papier her habe ich Potsdam mit im Titelkampf erwartet“, sagt der Frauenfußball-Welttrainer des Jahres 2014, verweist aber auf einen Faktor, der dafür hätte eintreten müssen: „Es hätten alle an Bord sein müssen. Die vielen verletzungsbedingten Ausfälle kann Turbine nicht kompensieren. Dafür braucht es eine größere Breite im Kader, die wir und auch der FC Bayern haben.“

München und Wolfsburg: Sie geben momentan auch den Ton in der Frauen-Bundesliga an. Nicht wenige führen das vor allem auf die Finanzkraft beider Teams zurück, die vom starken Männerbereich ihrer Klubs profitieren, aber auch selbst gut vermarktet sind. Mit diesen Mannschaften möchte ein Verein wie Turbine zwar weiterhin gerne mithalten, schafft es aber kaum noch, diesen eigenen hohen Ansprüchen vollends gerecht zu werden. Schritt für Schritt ist in den vergangenen Jahren Turbines Distanz zur sich wirtschaftlich und sportlich enorm weiterentwickelnden Liga-Spitze größer geworden. Nach den vier Meistertiteln in Folge von 2009 bis 2012 ging es für Potsdam hinab auf Platz zwei, dann drei und zuletzt vier.

Nach VW-Skandal: "Keine Signale, dass uns das irgendwie trifft" 

Amtierender Champion und derzeitig auch souveräner Tabellenführer ist Bayern München. Erfolgreichster deutscher Klub der jüngeren Vergangenheit darf sich aber der VfL Wolfsburg nennen. Seit der Saison 2012/13 holten die Wölfinnen je zweimal die Meisterschaft, den DFB-Pokal und die Champions League in die Autostadt, in der es gegenwärtig jedoch rumort. Schuld ist der Abgas-Skandal bei Volkswagen, der hohe finanzielle Einbußen für den Konzern nach sich ziehen wird. Dementsprechend müssen in der Konsequenz Einsparpotenziale als Ausgleich gefunden werden. Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ (BamS) soll dabei auch das umfangreiche Sport-Sponsoring von VW zurückgefahren werden. Die „BamS“ berichtet, dass die jährliche Unterstützung in Höhe von je 1,5 Millionen Euro für die Fußball-Bundesligisten Hannover 96, Werder Bremen und Schalke 04 sowie für Zweitligist 1860 München auf einer Streichliste stehen. Zudem das pro Saison fünf Millionen Euro umfassende Eishockey-Engagement bei den Grizzlys Wolfsburg.

Und wie sieht es beim VfL, dem hundertprozentigen VW-Tochterunternehmen, aus? Dort wurde aufgrund des „Dieselgates“ der geplante 30 bis 40 Millionen Euro teure Neubau des Nachwuchsleistungszentrums vorerst auf Eis gelegt. Von anderen Einschränkungen ist bisher aber nicht die Rede. Auch nicht bei der Frauenabteilung. „Es gab keinerlei Signale, dass uns das irgendwie trifft“, sagt Trainer Ralf Kellermann.

Kelllermann freut sich über gesteigerte Leistungsdichte

Daher kann er sich also ausschließlich mit sportlichen Belangen beschäftigen. Zum Beispiel mit der Entwicklung der Bundesliga. „Die ist äußerst positiv zu bewerten, denn das Geschehen ist inzwischen viel ausgeglichener“, findet Kellermann, der den VfL seit 2008 coacht. „Die sogenannten Kleinen der Liga haben aufgeholt, arbeiten viel professioneller als früher und sind absolut konkurrenzfähig. Vor einigen Jahren war es doch noch undenkbar, dass Top-Teams gegen diese Gegner Punkte liegen lassen.“

So wie es Turbine Potsdam in diesem Jahr mehrfach ergangenen ist. Die Brandenburgerinnen verloren gegen Sand, Leverkusen und Jena, holten nur ein Remis gegen Essen. „Aber wir hatten auch schon unsere Probleme, haben gegen Sand eine Niederlage kassiert und gegen Freiburg unentschieden gespielt“, betont Kellermann und fügt an: „Auch wenn ich natürlich immer gewinnen möchte, so sage ich: Diese gesteigerte Leistungsdichte ist das Beste, was dem deutschen Frauenfußball passieren konnte. Das bringt uns alle weiter. Zudem ist unsere Liga dadurch deutlich attraktiver als etwa die in Frankreich oder Schweden, wo eine Saison hauptsächlich in den direkten Vergleichen zwischen den Spitzenmannschaften entschieden wird.“

VfL und Turbine duellieren sich zweimal binnen vier Tagen

In Deutschland habe hingegen jede Partie mittlerweile ihren Reiz, meint der 47-Jährige. Er räumt aber auch ein: „Natürlich sind für uns Spiele wie gegen Potsdam weiterhin dann doch etwas ganz Besonderes, weil das die gewachsene Rivalität so mit sich bringt.“ Umso brisanter ist es daher, dass sich der VfL und Turbine nun binnen vier Tagen gleich zweimal duellieren werden: Am Sonntag bei der Liga-Partie in Wolfsburg und wiederum am darauffolgenden Mittwoch im Viertelfinale des DFB-Pokals – dann aber im Karl-Liebknecht-Stadion.

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