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Übergabe des Staffelstabs. Vier Jahre lang war Jens Deffke (l.) Cheftrainer des VfL Potsdam. Zur neuen Saison wird er von Daniel Deutsch abgelöst - er spielte zuletzt für zwei Jahre unter Deffkes Regie.

© Tobias Gutsche

VfL Potsdam: In der Wechselzone

Nur noch ein letztes Mal dirigiert Jens Deffke den Handball-Drittligisten VfL Potsdam als Cheftrainer in einer Partie, dann übernimmt sein bisheriger Spieler Daniel Deutsch. Im Doppelinterview sprechen sie über ihre Zusammenarbeit, Herausforderungen, Ambitionen und künftige Telefonate.

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Herr Deffke, Sie haben nach vier Jahren vor dem abschließenden Saisonspiel am Samstag Ihre letzte Trainingseinheit beim VfL Potsdam. Was ist das für ein Gefühl nach so langer Zeit?

Das ist zunächst nichts Besonderes. Die Freude auf das letzte Saisonspiel ist einfach da. Die Jungs sind müde und da steht nur noch der Spaß im Vordergrund.

Für Sie ist es aber mehr als nur das letzte Saisonspiel, sondern das Ende einer langen Zeit in Potsdam.

Dennoch wird es ein normales Spiel werden. Für Wehmut ist die Zeit danach da. Erstmal geht es darum, unser Ziel, das wir uns zu Saisonbeginn gestellt haben, zu verwirklichen und den dafür nötigen Sieg zu holen. Dann kann man resümieren und zurückblicken.

Aber der Abschied fällt Ihnen nicht leicht?

Wenn man so lange Zeit an einem Ort war, bleibt immer etwas zurück. Man hinterlässt etwas, man nimmt aber auch viel mit.

Herr Deutsch, der eine geht mit Wehmut. Womit kommen Sie?

Natürlich mit Vorfreude. Ich habe schon bei meinem vorherigen Verein in Springe viel darüber nachgedacht, als Trainer zu arbeiten, sodass ich mich jetzt auf diese Möglichkeit freue.

Was hinterlässt Jens Deffke Ihnen?

Ich hatte das Glück, die vergangenen zwei Jahre unter ihm zu trainieren. Es ist immer schwer zu sagen, was man anders machen oder verändern würde. Natürlich habe ich mir in den letzten Jahren als Spieler, der verschiedene Trainer kennengelernt hat, Gedanken gemacht, was ich als Trainer machen würde. Von der Trainingssteuerung und den Abläufen unter Jens Deffke habe ich viel mitgenommen und davon werden wir auch einiges beibehalten.

Herr Deffke, Sie sind 2013 nach Potsdam gekommen, als es dem Verein nicht gut ging und er nach einer Insolvenz einen Neuanfang startete. Was waren für Sie damals die großen Herausforderungen?

Es ist immer noch eine Herausforderung. Aber wir sind damals unter den schwierigen Rahmenbedingungen auch gewachsen. Es gab viele Baustellen, die in den vier Jahren sukzessiv kleiner wurden. Und es mussten der eine oder andere alte Zopf abgeschnitten und neue Wege gegangen werden. Es war ein wichtiger Schritt, nach der Insolvenz den Schnitt zu machen und mit vielen neuen Leuten zu beginnen.

Wo sehen Sie die großen Unterschiede zwischen dem Verein heute verglichen mit 2013?

Mit viel Leidenschaft der VfL-Familie ist der Verein organisch gewachsen. Nach der Insolvenz wurde ein junger Baum eingepflanzt, der inzwischen verwurzelt ist und in vielen Bereichen sehr stabil steht. Der Verein hat sich in der Außendarstellung positioniert und etabliert. Das Fundament steht.

Sie kamen als Trainer vom Oranienburger HC damals nach Potsdam. Was hat Sie am VfL gereizt?

Das sind viele Dinge, die an Potsdam gereizt haben. Das Umfeld an sich und auch die Ansprüche an die Mannschaft und von der Mannschaft. Auch die Option, mit Alexander Haase als sportlichem Leiter zusammenzuarbeiten, davon zu lernen und wieder was mitzunehmen. Und natürlich hat es gereizt, als Trainer den nächsten Schritt zu machen.

Herr Deutsch, was ist für Sie das Reizvolle, aus einer aktiven Spielerkarriere heraus gleich Trainer zu werden – und das dann gleich bei einem Drittligisten?

Ich bin jetzt 36 Jahre alt und in diesem Alter macht man sich ja generell Gedanken. Ich habe schon vor zwei Jahren überlegt, die aktive Spielerlaufbahn zu beenden. Da kam glücklicherweise das Angebot des VfL, hier noch einmal zwei Jahre zu spielen. Ich mag einfach den Handball und ich kann es mir im Moment nicht besser vorstellen, als hier in Potsdam als Trainer zu beginnen.

Nun ist der VfL keine Komfortzone, sondern ein Verein mit Ambitionen. Er will in die zweite Bundesliga. Wie groß ist der Respekt vor dieser Aufgabe und dem Anspruch?

Ich habe immer Leistungs-Handball gespielt. Bei allen Vereinen, bei denen ich war, gab es Ambitionen. Ich bin mit Burgdorf zweimal aufgestiegen, auch mit Springe. Ich bin es also gewohnt. Und es macht ja besonders Spaß, wenn man sich solche Ziele setzen kann.

Herr Deffke, Sie können es am besten beurteilen: Worin liegt der Unterschied, als Spieler aufzusteigen oder als Trainer diese Herausforderung zu haben?

Das ist vielschichtig. Als Spieler hat man auf der Platte in jedem einzelnen Spiel die Sache in der Hand. Als Trainer hat man die Möglichkeit, drum herum viel zu gestalten und Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich denke, wir haben in Potsdam ein gutes Fundament gelegt.

Herr Deutsch, Handball spielen Sie fast Ihr ganzes Leben. Verfügen Sie denn über erste Trainererfahrungen?

Das ist eher marginal. Ich habe in Springe die A- und B- Jugend auf Landesebene trainiert. Das ist aber nichts, was ich jetzt in die Waagschale werfen könnte. Ich beginne tatsächlich mit dem, was ich von meinen unterschiedlichen Trainern gelernt habe, von denen ich glücklicherweise viele gute hatte.

Haben Sie eine Trainerausbildung?

Die B-Lizenz für Handball-Trainer.

Sie waren die vergangenen Monate verletzt und mussten Ihr Karriereende vorziehen. Konnten Sie die Zeit nutzen, an der Seite von Jens Deffke noch mehr ins Trainermetier reinzuschnuppern?

Es ist nie gut, als Sportler verletzt zu sein. Das war für mich immer schlimm. Ich hätte gern die Saison zu Ende gespielt. Zu registrieren, dass mein letztes Spiel schon in der Vergangenheit liegt, hat mir schon, ein, zwei sentimentale Momente beschert. Das hat mich mehr beschäftigt als jetzt schon verstärkt als Trainer zu denken. Jens hat mich schon als Spieler viel eingebunden. Wir haben immer viel miteinander gesprochen, weil ich auch der älteste Spieler war.

Nun ist es sicher eine spezielle Situation, aus einer aktuellen Mannschaft herauszutreten und die Rolle zu wechseln.

Ich bekomme derzeit ganz viele Ratschläge – wie: „Jetzt kannst du aber nicht mehr der gute Freund von den Spielern sein.“ Das ist wahrscheinlich auch so. Aber ich möchte auch ungern ihr Feind sein. Es wäre nicht authentisch, wenn ich zum Beispiel Jan Piske, mit dem ich in einer WG zusammen gewohnt habe, jetzt von oben herab sage, was er tun soll. Das will ich auch gar nicht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir einen guten Weg miteinander finden.

Deffke: Das ändert sich im Laufe der Jahre. Wenn man schnell die Spieler- mit der Trainerrolle wechselt, ist die Nähe einfach gegeben. Es gibt dann einfach engere Kontakte zu Spielern, wo das Zwischenmenschliche stimmt, man sich sympathisch ist und eine gemeinsame Ebene hat. Zwischen Daniel und mir war das sofort der Fall. Nähe und Distanz ergeben sich auch daraus, wie Spieler es einfordern und brauchen.

Sie beide mussten fünf Monate mit der sicher nicht ganz einfachen Konstellation leben, dass einer als Trainer geht und der andere den Job übernimmt. War das problematisch oder Alltagsgeschäft?

Deffke: Es ist die Frage, was jeder mit seinen Gedanken macht. Die Gedanken sind immer frei, aber jeder ist auch frei zu entscheiden, ob es eine schwierige Situation wird oder nicht. Für uns war es kein Thema. Wir haben uns auf die Sachen konzentriert und fokussiert, die wir entscheiden konnten. Wir haben alle unseren Anteil daran, dass wir eine erfolgreiche Saison gespielt haben. Es macht mich stolz, dass die Mannschaft in der Rückrunde so viel zurückgegeben hat.

Was nehmen Sie für Ihren weiteren Weg aus Potsdam und vom VfL mit?

Ich habe immer und jedes Mal was mitgenommen. Jeder Tag gibt einem etwas. Wenn man es auf den Sport bezieht, dann sind es die Spieler, die Arena und die Trainingsmöglichkeiten, die ich wirklich zu schätzen weiß. Und natürlich viele zwischenmenschliche Begegnungen und Bekanntschaften. Auch Daniel wird irgendwann zurückblicken und die Vielfalt an Möglichkeiten und Erfahrungen resümieren können.

Deutsch: Mir ist schon bewusst, dass Sport viel mehr ist als nur der Moment des Sieges. Man muss es mögen, in der Halle zu stehen oder im Kreis zu laufen.

Welche Pläne für die Zukunft haben Sie, Herr Deffke?

Es gibt viele neue Projekte und Ideen, auch außerhalb des Sports. Vielleicht ist es auch mal schön, im Sommer den Sommer zu genießen. Zukünftig häufiger als Referent an Wochenenden bei Workshops beziehungsweise Trainingscamps teilzunehmen, neue Sichtweisen auf die Trainingsarbeit zu schärfen und somit meinen Trainerblick auch mal von außerhalb oder aus einer anderen Richtung zu betrachten, reizt. Es sind spannende Sachen, die da kommen werden.

Herr Deutsch, wenn Sie den Rat eines Trainerkollegen brauchen – an welcher Position steht Jens Deffke auf Ihrer Telefonliste?

Unter J. Ich bin mir sicher, dass ich in meiner Kontaktliste unter J Jens immer finde und ich ihn anrufen kann. Vielleicht nicht nur, wenn es um Handball geht.

Deffke: Bei mir wird unter D in Zukunft auch weiter Daniel Deutsch stehen. Und ich werde auch rangehen, wenn ich sehe, dass er anruft.

ZU DEN PERSONEN:Jens Deffke verlässt nach vier Jahren als Chefcoach den VfL Potsdam. Der 41-Jährige, der während seiner aktiven Zeit bei Blau-Weiß Spandau, den Füchsen Berlin sowie Eintracht Hildesheim in der zweiten beziehungsweise ersten Liga spielte, etablierte den VfL nach dessen Insolvenz 2013 in der 3. Liga und wirkte tatkräftig am Fundament mit, auf dem nun der Zweitliga-Aufstieg folgen soll. Dafür wird Daniel Deutsch die Verantwortung als Trainer des Drittligisten übertragen. Der 36-Jährige kam vor zwei Jahren vom HF Springe nach Potsdam und beendete vor einigen Monaten verletzungsbedingt seine Karriere.

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